557. Irmensul am Peters-Thore zu Regensburg.

[110] Von J.A.Pangkofer nach einem alten M.S.


Vorm Thore zu Sankt Peter

Auf dreigestuftem Stuhl

Ragt eine Bildersäule,

War eine Irmensul.


Wie die gestürzt in Sachsen

Der Kaiserheld Karol,

Die unser hat er wandelt

Zu christlichem Symbol.


Und wie sich das begeben

's ist tausend Jahre her

Gar seltsamlich verkündet

Horcht, eine graue Mähr.


Geheim anbeten Heiden

Im nahen Eichenhain,

Von Irmensul getragen,

Ein Bild aus schwarzem Stein.


Bei Tag war stets verschwunden

Das Bild durch Zaubermacht

Drum pflogen sie des Dienstes

Auch nur um Mitternacht.


Der Kaiser kam und hörte

Davon mit frommem Zorn,

Und Untergang den Götzen

Hat alsobald geschwor'n.


Vergebens doch zwei Nächte

Er stürmt den Erkla-Wald,

Der Sturm am Höllenzauber,

Am tödtlichen abprallt.


Neunzehntel seiner Kämpen

Am Morgen lagen todt,

So daß er zählt am dritten

Nur Zehn im Morgenroth.


Doch einem Held wie Karol

Gar nie der Muth entweicht,

Drum aus mit seinen Zehen

Zum drittenmal er zeucht.


Das war ein wüthend Stürmen,

Und überall umsunst,

Schon alle Zehne liegen

Im Blut durch Götzenkunst.


Vertrauend da der Kaiser

That kühn und mächtig schrei'n:

»Herr Gott, verlaß Dich selbst nicht,«

Und warf sich in den Hain.


Nun prasselte in Flammen

Der ganze Wald empor,

Das Bildniß stürzte nieder,

Das unbesiegt ehvor.


Die Heiden, festgebannet

Das Feuer hat verzehrt,

Das wundersam dem Kaiser

Kein Härelein verzehrt.


Er Heil'genbilder schlagen

Ließ aus der Irmensul,

Das Grab ward der Gefallnen

Der neuen Säule Pfuhl.


Und bei der Säule immer

Man Christum pred'gen ließ,

Darob die Irmensule

Seit Pred'gersäule hieß.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 110-111.
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