Zweite Szene

[140] Roussillon.


Es treten auf die Gräfin von Roussillon und der Narr.


GRÄFIN. Komm her, Freund, ich will einmal deine Ausbildung auf die höchste Probe stellen.

NARR. Ihr werdet bald sehn, ich sei besser genährt als gelehrt, und daraus folgt, für den Hof sei ich gut genug.[140]

GRÄFIN. Gut genug! Nun, auf welche Stelle hast du's abgesehn, wenn du davon so verächtlich sprichst? Gut genug für den Hof! –

NARR. Wahrhaftig, gnädige Frau, wem Gott einige gute Manieren mitgegeben hat, der wird sie leicht am Hof anbringen können. Wer keinen Kratzfuß machen, seine Mütze nicht abnehmen, seine Hand nicht küssen und nichts sagen kann, hat weder Fuß, Hand, Mund noch Mütze; und ein solcher Mensch, um präzis zu reden, paßt sich nicht für den Hof. Was aber mich betrifft, so hab' ich eine Antwort, die für jedermann taugt.

GRÄFIN. Nun, das ist eine ersprießliche Antwort, die zu allen Anreden paßt.

NARR. Sie ist wie ein Barbierstuhl, der für alle Hintern paßt, für die schmalen, die runden, die derben: kurz, für alle Hintern.

GRÄFIN. Deine Antwort ist also für alle Anreden passend? –

NARR. So passend, wie ein Taler für die Hand eines Advokaten; wie Eure französische Krone für die Hand Eurer taftnen Dirne; wie Hansens Messer für Gretens Scheide; wie ein Pfannkuchen für die Fastnacht; wie ein Mohrentanz für den Maitag; wie der Nagel für sein Loch; wie der Hahnrei für sein Horn; wie ein keifendes Weibsbild für einen zänkischen Mann; wie die Lippe der Nonne für den Mund des Mönchs; ja, wie die Wurst für ihre Haut.

GRÄFIN. Habt Ihr – frag' ich noch einmal – eine Antwort, die eben so passend ist für alle Anreden?

NARR. Herunter vom Herzog an bis unter den Konstabel hinab paßt sie auf alle Anreden.

GRÄFIN. Nun, das muß eine Antwort von ungeheuerm Kaliber sein, die auf alles eine Auskunft weiß.

NARR. Im Gegenteil, beim Licht besehn, nur eine Kleinigkeit, wenn die Gelehrten die Wahrheit davon sagen sollten. Hier ist sie mit allem Zubehör: Fragt mich einmal, ob ich ein Hofmann sei; es wird Euch nicht schaden, etwas zu lernen.

GRÄFIN. Wieder jung zu werden, wenn's möglich wäre. – Ich will so närrisch sein, zu fragen, in der Hoffnung, desto weiser[141] durch Eure Antwort zu werden. Sagt mir also, mein Herr, seid Ihr ein Hofkavalier?

NARR. Ach Gott, Herr! – Das war bald abgetan; nur immer weiter, noch hundert solche Fragen.

GRÄFIN. Herr, ich bin eine arme Freundin von Euch, die Euch gut ist.

NARR. Ach Gott, Herr! – Immer zu, schont mich nicht!

GRÄFIN. Ich glaube, mein Herr, Ihr werdet wohl nicht von solcher Hausmannskost essen? –

NARR. Ach Gott, Herr! – Nein, nur drauf zu, ohne Umstände! –

GRÄFIN. Ihr wurdet neulich gepeitscht, mein Herr, scheint mir?

NARR. Ach Gott, Herr! – Schont mich nicht! –

GRÄFIN. Ruft Ihr: »Ach Gott, Herr«, wenn Ihr gepeitscht werdet, und »Schont mich nicht?« Euer »Ach Gott, Herr« paßte recht wohl zu Euern Schlägen; Ihr würdet gut dabei antworten, wenn's so weit käme.

NARR. So schlimm bin ich noch nie mit meinem »Ach Gott, Herr!« angekommen. Ich sehe, man kann etwas lange brauchen, aber nicht immer brauchen.

GRÄFIN. Ich bin eine recht verschwend'rische Hausfrau mit meiner Zeit, daß ich sie so spaßhaft mit einem Narren verbringe.

NARR.

Ach Gott, Herr! – Seht Ihr, da paßte es wieder.

GRÄFIN.

Genug für jetzt! – Gebt dies an Helena,

Und treibt sie, eine Antwort gleich zu senden;

Empfehlt mich meinem Sohn und meinen Vettern:

Das ist nicht viel.

NARR.

Nicht viel Empfehlung, meint Ihr?

GRÄFIN.

Nicht viel zu tun für Euch: Versteht Ihr mich?

NARR.

Höchst lehrreich; ich bin da noch eh'r als meine Füße.

GRÄFIN.

Kommt bald zurück!


Beide gehn ab.[142]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 140-143.
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