Dritte Szene

[350] Ein andrer Teil des Waldes.


Getümmel. Angriffe. Falstaff und Colevile kommen von verschiedenen Seiten.


FALSTAFF. Wie ist Euer Name, Herr? Von welchem Stande seid Ihr und von welchem Orte, wenn's Euch beliebt?

COLEVILE. Ich bin ein Ritter, Herr, und mein Name ist Colevile vom Tal.

FALSTAFF. Nun gut, Colevile ist Euer Name, ein Ritter ist Euer Rang, und Euer Ort das Tal; Colevile soll auch ferner Euer Name sein, ein Verräter Euer Rang, und der Kerker Euer Wohnort, – ein Ort, der tief genug liegt: so werdet Ihr immer noch Colevile vom Tal sein.

COLEVILE. Seid Ihr nicht Sir John Falstaff?

FALSTAFF. Ein eben so wackrer Herr als er, Herr, wer ich auch sein mag. Ergebt Ihr Euch, Herr, oder muß ich Euretwegen schwitzen? Wenn ich schwitze, so werden es die Tropfen deiner Freunde sein, die um deinen Tod weinen: deswegen erwecke Furcht und Zittern in dir und huldige meiner Gnade!

COLEVILE. Ich glaube, Ihr seid Sir John Falstaff, und in diesem Glauben ergebe ich mich.

FALSTAFF. Ich habe eine ganze Schule von Zungen in diesem meinem Bauch, und keine einzige von allen spricht ein ander Wort als meinen Namen. Hätte ich nur einen einigermaßen leidlichen Bauch, so wäre ich schlechtweg der rüstigste Kerl in Europa: mein Wanst, mein Wanst, mein Wanst ruiniert mich! – Da kommt unser General.


Prinz Johann von Lancaster, Westmoreland und andre treten auf.[350]


PRINZ JOHANN.

Die Hitze ist vorbei, verfolgt nicht weiter:

Ruft, Vetter Westmoreland, das Volk zurück!


Westmoreland ab.


Nun, Falstaff, wo wart Ihr die ganze Zeit?

Wenn alles schon vorbei, dann kommt Ihr an?

Die trägen Streiche brechen noch einmal,

Bei meinem Leben, eines Galgens Rücken.

FALSTAFF. Es sollte mir leid tun, gnädiger Herr, wenn das nicht geschähe: ich wußte es nie anders, als daß Tadel und Vorwürfe der Lohn der Tapferkeit waren. Haltet Ihr mich für eine Schwalbe, einen Pfeil oder eine Kanonenkugel? Habe ich bei meinem kümmerlichen und alten Fortkommen die Schnelligkeit des Gedankens? Mit dem alleräußersten Zollbreit der Möglichkeit bin ich hieher geeilt, ich habe hundertundachtzig und etliche Postpferde zu schanden geritten, und hier, erschöpft vom Reisen, wie ich bin, habe ich in meiner reinen und unbefleckten Tapferkeit Sir John Colevile vom Tal zum Gefangnen gemacht, einen wütenden Ritter und tapfern Feind. Doch was will das sagen? Er sah mich und ergab sich, so daß ich mit Recht wie der krummnasige Kerl von Rom sagen kann: ich kam, sah und siegte.

PRINZ JOHANN. Es war mehr Höflichkeit von ihm als Euer Verdienst.

FALSTAFF. Ich weiß nicht: hier ist er, und hier überliefere ich ihn; und ich ersuche Euer Gnaden, laßt es mit den übrigen Taten des heutigen Tages aufzeichnen, oder bei Gott, ich will mir sonst eine besondere Ballade darauf schaffen, mit meinem eignen Bildnis oben darüber, dem Colevile die Füße küssen soll. Wenn ich zu dieser Maßregel genötigt werde, und ihr nehmt euch nicht alle wie vergoldete Zweihellerstücke gegen mich aus, und ich überscheine euch nicht am lichten Himmel des Ruhms, so sehr wie der Vollmond die glimmernden Funken des Firmaments, die sich wie Nadelknöpfe gegen ihn ausnehmen, so glaubt keinem Edelmann mehr auf sein Wort! Darum gebt mir mein Recht, und das Verdienst steige!

PRINZ JOHANN. Deins ist zu schwer zum Steigen.[351]

FALSTAFF. So laßt es leuchten!

PRINZ JOHANN. Deines ist zu dick, um zu leuchten.

FALSTAFF. So laßt es irgend was tun, gnädigster Herr, was zu meinem Besten gereicht, und nennt es, wie Ihr wollt!

PRINZ JOHANN.

Dein Nam' ist Colevile?

COLEVILE.

Ja, gnäd'ger Herr.

PRINZ JOHANN.

Ein künd'ger Meuter bist du, Colevile.

FALSTAFF.

Und ein künd'ger treuer Untertan nahm ihn gefangen.

COLEVILE.

Ich bin nur, Herr, was meine Obern sind,

Die mich hieher geführt: wenn sie mir folgten,

So hättet Ihr viel teurer sie gewonnen.

FALSTAFF. Ich weiß nicht, um welchen Preis sie sich verkauft haben, aber du hast dich wie ein guter Mensch umsonst weggegeben, und ich danke dir für dich.


Westmoreland kommt zurück.


PRINZ JOHANN.

Nun, habt Ihr nachzusetzen aufgehört?

WESTMORELAND.

Der Rückzug ist geschehn, und Halt gemacht.

PRINZ JOHANN.

Schickt Colevile samt seinen Mitverschwornen

Nach York, zu ihrer schleun'gen Hinrichtung!

Blunt, führt ihn weg, bewahrt mir sicher ihn!


Einige mit Colevile ab.


Nun laßt zum Hof uns eilen, werte Lords:

Mein Vater, wie ich höre, ist schwer krank:

Die Zeitung geh' voraus zu Seiner Majestät,

Ihr, Vetter, sollt sie bringen, ihn zu trösten;

Wir folgen Euch in mäß'ger Eile nach.

FALSTAFF. Gnädiger Herr, erlaubt mir, durch Glostershire zu gehen, und wenn Ihr an den Hof kommt, so seid doch mein gewogner Herr mit einem günstigen Bericht!

PRINZ JOHANN.

Lebt wohl denn, Falstaff: ich an meiner Stelle

Will besser von Euch reden, als Ihr's wert seid.


Prinz Johann mit Gefolge ab.


FALSTAFF. Ich wollte, Ihr hättet nur den Witz dazu, das wäre besser als Euer Herzogtum. – Meiner Treu, dieser junge[352] Knabe von nüchternem Geblüt liebt mich nicht, auch kann ihn kein Mensch zum Lachen bringen, aber das ist kein Wunder, er trinkt keinen Wein. Es wird niemals aus diesen bedächtigen Burschen etwas Rechtes, denn das dünne Getränk und die vielen Fisch-Mahlzeiten kühlen ihr Blut so übermäßig, daß sie in eine Art von männlicher Bleichsucht verfallen, und wenn sie dann heiraten, zeugen sie nichts wie Dirnen; sie sind gemeiniglich Narren und feige Memmen, – was einige von uns auch sein würden, wenn's nicht die Erhitzung täte. Ein guter spanischer Sekt hat eine zwiefache Wirkung an sich. Er steigt euch in das Gehirn, zerteilt da alle die albernen, (dummen) und rohen Dünste, die es umgeben, macht es sinnig, schnell und erfinderisch, voll von behenden, feurigen und ergötzlichen Bildern; wenn diese dann der Stimme, der Zunge überliefert werden, was ihre Geburt ist, so wird vortrefflicher Witz daraus. Die zweite Eigenschaft unsers vortrefflichen Sekts ist die Erwärmung des Bluts, welches, zuvor kalt und ohne Bewegung, die Leber weiß und bleich läßt, was das Kennzeichen der Kleinmütigkeit und Feigheit ist: aber der Sekt erwärmt es und bringt es von den innern bis zu den äußersten Teilen in Umlauf. Er erleuchtet das Antlitz, welches wie ein Wachfeuer das ganze kleine Königreich, Mensch genannt, zu den Waffen ruft, und dann stellen sich alle die Insassen des Leibes und die kleinen Lebensgeister aus den Provinzen ihrem Hauptmann, dem Herzen, welches, durch dies Gefolge groß und aufgeschwellt, jegliche Tat des Mutes verrichtet. Und diese Tapferkeit kommt vom Sekt, so daß Geschicklichkeit in den Waffen nichts ist ohne Sekt: denn der setzt sie in Tätigkeit; und Gelahrtheit ist ein bloßer Haufe Goldes, von einem Teufel verwahrt, bis Sekt sie promoviert und in Gang und Gebrauch setzt. Daher kommt es, daß Prinz Heinrich tapfer ist; denn das kalte Blut, das er natürlicher Weise von seinem Vater erben mußte, hat er wie magres, unfruchtbares und dürres Land gedüngt, gepflügt und beackert, mit ungemeiner Bemühung wackren Trinkens und gutem Vorrat von fruchtbarem Sekt, so daß er sehr hitzig und tapfer geworden ist. Wenn ich tausend Söhne hätte, der erste menschliche Grundsatz,[353] den ich ihnen lehren wollte, sollte sein, dünnes Getränk abzuschwören und sich dem Sekt zu ergeben.


Bardolph kommt.


Wie steht's, Bardolph?

BARDOLPH. Die ganze Armee ist entlassen und aus einander gegangen.

FALSTAFF. Laß sie gehn! Ich will durch Glostershire, und da will ich Herrn Robert Schaal, Esquire, besuchen; er wird mir schon weich zwischen dem Finger und Daumen, und bald will ich mit ihm siegeln. Komm mit!


Beide ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 350-354.
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