Dritte Szene

[569] Vor Angers.


Getümmel. Angriffe. Die Pucelle tritt auf.


PUCELLE.

Die Franken fliehn, und der Regent ist Sieger.

Nun helft, ihr Zaubersprüch' und Amulette,

Und ihr, die ihr mich warnt, erles'ne Geister,

Und Zeichen mir von künft'gen Dingen gebt!


Es donnert.


Ihr schleun'gen Helfer, die ihr zugeordnet

Des Nordens herrischem Monarchen seid:

Erscheint und helft mir bei dem Unternehmen!


Böse Geister erscheinen.


Dies schleunige Erscheinen gibt Gewähr

Von eurem sonst gewohnten Fleiß für mich.

Nun, ihr vertrauten Geister, ausgesucht

Aus mächt'gen unterird'schen Regionen,

Helft mir dies eine Mal, daß Frankreich siege!


Sie gehen umher und reden nicht.


O haltet mich nicht überlang' mit Schweigen!

Wie ich mit meinem Blut euch pflag zu nähren,

Hau' ich ein Glied mir ab und geb' es euch

Zum Handgeld einer ferneren Vergeltung,

Wenn ihr euch jetzt herablaßt, mir zu helfen.


Sie hängen die Köpfe.


Ist keine Hülfe mehr? Mein Leib soll euch

Belohnung zahlen, wenn ihr's mir gewährt.


Sie schütteln die Köpfe.


Kann nicht mein Leib, noch Blutes-Opferung

Zu der gewohnten Leistung euch bewegen?

Nehmt meine Seele; Leib und Seel' und alles,

Eh' England Frankreich unter sich soll bringen!


Sie verschwinden.[569]


Seht, sie verlassen mich! Nun kommt die Zeit,

Daß Frankreich muß den stolzen Helmbusch senken

Und niederlegt sein Haupt in Englands Schoß.

Zu schwach sind meine alten Zauberei'n,

Die Hölle mir zu stark, mit ihr zu ringen.

In Staub sinkt, Frankreich, deine Herrlichkeit.


Ab.


Getümmel. Franzosen und Engländer kommen fechtend, die Pucelle und York werden handgemein. Die Pucelle wird gefangen. Die Franzosen fliehn.


YORK.

Nun, Dirne Frankreichs, denk' ich, hab' ich Euch:

Entfesselt Eure Geister nun mit Sprüchen

Und seht, ob Ihr die Freiheit könnt gewinnen!

Ein schöner Fang, der Huld des Teufels wert!

Seht, wie die garst'ge Hexe Runzeln zieht,

Als wollte sie, wie Circe, mich verwandeln.

PUCELLE.

Dich kann Verwandlung häßlicher nicht machen.

YORK.

Oh, Karl, der Dauphin, ist ein hübscher Mann,

Den zarten Augen kann nur er gefallen.

PUCELLE.

Ein folternd Unheil treffe Karl und dich!

Und werdet beide plötzlich überrascht

Von blut'ger Hand, in euren Betten schlafend!

YORK.

Still, schwarze Bannerin! Du Zaub'rin, schweig!

PUCELLE.

Ich bitt' dich, laß mich eine Weile fluchen.

YORK.

Verdammte, fluch', wenn du zum Richtplatz kömmst.


Alle ab.

Getümmel. Suffolk tritt auf, die Prinzessin Margareta an der Hand führend.


SUFFOLK.

Sei, wer du willst, du bist bei mir Gefangne.


Er betrachtet sie.


O holde Schönheit! Fürcht' und fliehe nicht;

Ich will mit ehrerbiet'ger Hand dich rühren,

Sie sanft dir auf die zarte Seite legen;

Zu ew'gem Frieden küss' ich diese Finger;


Küßt ihre Hand.


Wer bist du? Sag's, daß ich dich ehren möge.[570]

MARGARETA.

Margareta heiß' ich, eines Königs Tochter,

Königs von Neapel; sei du, wer du seist.

SUFFOLK.

Ein Graf bin ich, und Suffolk ist mein Name;

Sei nicht beleidigt, Wunder der Natur!

Von mir gefangen werden ist dein Los.

So schützt der Schwan die flaumbedeckten Schwänlein,

Mit seinen Flügeln sie gelangen haltend;

Allein sobald dich kränkt die Sklaverei,

So geh und sei als Suffolks Freundin frei!


Sie wendet sich weg, als wollte sie gehen.

O bleib'! Mir fehlt die Kraft, sie zu entlassen,

Befrein will sie die Hand, das Herz sagt nein.

Wie auf krystallnem Strom die Sonne spielt

Und blinkt mit zweitem nachgeahmten Strahl,

So scheint die lichte Schönheit meinen Augen.

Ich würbe gern, doch wag' ich nicht zu reden;

Ich fodre Tint' und Feder, ihr zu schreiben.

Pfui, de la Poole! Entherze dich nicht selbst.

Hast keine Zung'? Ist sie nicht da?

Verzagst du vor dem Anblick eines Weibs?

Ach ja! Der Schönheit hohe Majestät

Verwirrt die Zung' und macht die Sinne wüst.

MARGARETA.

Sag, Graf von Suffolk (wenn du so dich nennst),

Was gilt's zur Lösung, eh' du mich entlässest?

Denn wie ich seh', bin ich bei dir Gefangne.

SUFFOLK beiseit.

Wie weißt du, ob sie deine Bitte weigert,

Eh' du um ihre Liebe dich versucht?

MARGARETA.

Du sprichst nicht: was für Lösung muß ich zahlen?

SUFFOLK beiseit.

Ja, sie ist schön: drum muß man um sie werben;

Sie ist ein Weib: drum kann man sie gewinnen.

MARGARETA.

Nun, nimmst du Lösung an, ja oder nein?

SUFFOLK beiseit.

O Tor! Erinn're dich, du hast ein Weib;

Wie kann denn diese deine Traute sein?

MARGARETA.

Er hört nicht, ihn verlassen wär' das beste.

SUFFOLK.

Das ist die Karte, die mein Spiel verdirbt.[571]

MARGARETA.

Er spricht ins Wilde, sicher ist er toll.

SUFFOLK.

Und doch ist Dispensation zu haben.

MARGARETA.

Und doch wollt' ich, Ihr wolltet Antwort geben.

SUFFOLK.

Ich will dies Fräulein hier gewinnen. Wem?

Ei, meinem König. Pah! Das wäre hölzern.

MARGARETA.

Er spricht von Holz; 's ist wohl ein Zimmermann.

SUFFOLK beiseit.

Doch kann ich meiner Neigung so genügen

Und Friede stiften zwischen diesen Reichen.

Allein auch dabei bleibt ein Zweifel noch:

Denn, ist ihr Vater gleich von Napel König,

Herzog von Maine und Anjou, er ist arm,

Und unser Adel wird die Heirat schelten.

MARGARETA.

Hört Ihr, Hauptmann? Habt Ihr itzt keine Zeit?

SUFFOLK.

So soll es sein, wie sie es auch verachten;

Heinrich ist jung und gibt sich bald darein. –

Ich hab' Euch etwas zu entdecken, Fräulein.

MARGARETA beiseit.

Bin ich in Banden gleich, er scheint ein Ritter

Und wird auf keine Weise mich entehren.

SUFFOLK.

Geruhet, Fräulein, mir Gehör zu leihn.

MARGARETA beiseit.

Vielleicht erretten mich die Franken noch,

Dann brauch' ich seine Gunst nicht zu begehren.

SUFFOLK.

Mein Fräulein, hört mich an in einer Sache –

MARGARETA beiseit.

Ei, Frauen sind wohl mehr gefangen worden.

SUFFOLK.

Fräulein, weswegen sprecht Ihr so?

MARGARETA.

Verzeiht mir, es ist nur ein Quidproquo.

SUFFOLK.

Prinzessin, sagt: pries't Ihr die Banden nicht

Für glücklich, die zur Königin Euch machten?

MARGARETA.

In Banden Königin zu sein, ist schnöder,

Als Knecht zu sein in niedrer Dienstbarkeit;

Denn Fürsten sollten frei sein.

SUFFOLK.

Und das sollt Ihr,

Ist nur des reichen Englands König frei.

MARGARETA.

Nun, was geht seine Freiheit mich wohl an?

SUFFOLK.

Ich mache dich zu Heinrichs Eh'gemahl,

Geb' in die Hand ein goldnes Szepter dir

Und setz' aufs Haupt dir eine reiche Krone,

Wenn du herab dich läßt zu meiner –[572]

MARGARETA.

Was?

SUFFOLK.

Zu seiner Trauten.

MARGARETA.

Ich bin unwürdig, Heinrichs Weib zu sein.

SUFFOLK.

Nein, edles Fräulein; ich bin nur nicht würdig,

Für ihn zu frein um solche holde Schöne –

Und selbst nicht Anteil an der Wahl zu haben.

Was sagt Ihr, Fräulein? Seid Ihr es zufrieden?

MARGARETA.

Ich bin's zufrieden, wenn mein Vater will.

SUFFOLK.

Ruft unsre Führer dann und Fahnen vor;

Und, gnäd'ge Frau, vor Eures Vaters Burg

Werd' er von uns geladen zum Gespräch.


Truppen kommen vorwärts.

Eine Einladung zur Unterredung wird geblasen.

Reignier erscheint auf den Mauern.


SUFFOLK.

Sieh, Reignier, sieh gefangen deine Tochter.

REIGNIER.

Bei wem?

SUFFOLK.

Bei mir.

REIGNIER.

Suffolk, wie steht zu helfen?

Ich bin ein Krieger, nicht geneigt zum Weinen,

Noch über Wankelmut des Glücks zu schrein.

SUFFOLK.

Ja, Herr, zu helfen steht dabei genug.

Gewähre (tu's um deiner Ehre willen)

Zu meines Herrn Gemahlin deine Tochter,

Den ich mit Müh' dazu gewonnen habe;

Und diese flüchtige Gefangenschaft

Hat königliche Freiheit ihr erworben.

REIGNIER.

Spricht Suffolk, wie er denkt?

SUFFOLK.

Die schöne Margareta weiß, daß Suffolk

Zu schmeicheln und zu heucheln nicht versteht.

REIGNIER.

Ich steige auf dein fürstlich Wort hinab,

Zur Antwort auf dein billiges Begehren.

Oben von der Mauer ab.


SUFFOLK.

Und hier erwart' ich deine Ankunft.


Trompeten. Reignier tritt unten ein.


REIGNIER.

Willkommen, wackrer Graf, in unsern Landen!

Befehlt in Anjou, was Euch nur beliebt.[573]

SUFFOLK.

Dank, Reignier, den solch süßes Kind beglückt,

Geschaffen zur Genossin eines Königs.

Was für Bescheid gibt Eure Hoheit mir?

REIGNIER.

Weil ihren kleinen Wert du würdig achtest

Um sie zu frein, als Braut für solchen Herrn:

Wofern ich nur mich ruhig meines Eignen,

Der Grafschaft Maine und Anjou, mag erfreun,

Von Unterdrückung frei und Kriegsgewalt,

Vermähl' ich sie mit Heinrich, wenn er will.

SUFFOLK.

Das ist ihr Lösegeld; nehmt sie zurück!

Auch nehm' ich es auf mich, daß Eure Hoheit

Die beiden Länder ruhig soll genießen.

REIGNIER.

Und ich hinwieder geb', in Heinrichs Namen,

Dir, als Vertreter dieses hohen Herrn,

Der Tochter Hand, zum Pfand gelobter Treu'.

SUFFOLK.

Reignier, empfange königlichen Dank,

Weil dies der Handel eines Königs ist.


Beiseit.


Und dennoch, dünkt mich, möcht' ich lieber noch

Mein eigner Anwalt sein in diesem Fall. –

Ich will nach England mit der Neuigkeit

Und der Vermählung Feier dort betreiben.

Reignier, leb wohl! Faß diesen Diamant

In goldene Paläste, wie sich's ziemt.

REIGNIER.

Laß dich umarmen, wie ich König Heinrich,

Dein christlich Haupt, umarmte, wär' er hier.

MARGARETA.

Lebt wohl, Herr! Gute Wünsche, Lob, Gebete

Wird Margareta stets für Suffolk haben.


Will gehen.


SUFFOLK.

Lebt wohl, mein Fräulein! Doch, Margareta, hört:

Kein fürstlicher Empfehl an meinen Herrn?

MARGARETA.

Sagt ihm Empfehle, wie sie einer Magd

Und Jungfrau, seiner Dienerin, geziemen.

SUFFOLK.

Bescheidne Wort', und anmutsvoll gestellt!

Doch, Fräulein, nochmals muß ich Euch beschweren:

Kein Liebespfand für Seine Majestät?

MARGARETA.

Ja, bester Herr: ein unbeflecktes Herz,

Von Liebe nie gerührt, send' ich dem König.

SUFFOLK.

Und dies zugleich.


Küßt sie.[574]


MARGARETA.

Das für dich selbst; ich will mich nicht erdreisten

Solch kindisch Pfand zu senden einem König.


Reignier und Margareta ab.


SUFFOLK.

Oh, wärst du für mich selbst! – Doch, Suffolk, halt!

Du darfst nicht irren in dem Labyrinth,

Da lauern Minotaur' und arge Ränke.

Nimm Heinrich ein mit ihrem Wunderlob,

Denk' ihren unerreichten Gaben nach,

Den wilden Reizen, so die Kunst verdunkeln;

Erneu' ihr Bildnis oft dir auf der See,

Damit, wenn du zu Heinrichs Füßen kniest,

Du seiner Sinne ihn beraubst vor Staunen.


Ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 569-575.
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