Ein Kränzchen der Dankbarkeit, um die Urne des Herrn Hofraths Weil zu Berlenburg gewunden

[43] Wechet sanft, ihr Abendwinde,

Hier um diese stille Gruft;

Streuet durch den lanen Aether

Lieblichen Violenduft!

Hebe frischer, grüner Hügel

Deinen Blumenkranz empor,

Nass bethaut von meinen Thränen,

Um den Freund, den ich verlor,

Der in deinen dunklen Räumen

Schlummert nach des Lebens Träumen!


Aeskulapens Söhne weinten

Ihrem Freund und Lehrer nach;

Sinnig blickte dein Vertrauter1

Auf den kalten Sarkophag.

Tausende zogst du zurücke

Von des Charons finsterm Kahn,

Die die Wogen des Kozytus

Schon von weitem dunkeln sahn.

Und nun dir, dem Tod entronnen,

Danken neue Lebens Wonnen!
[44]

Gross als Arzt, als Mensch noch grösser,

War mein treuer, edler Freund;

Wissenschaft und Herzensgüte

Waren hold in ihm vereint;

Vaterlose Waisen streuten

Blumen auf sein frisches Grab,

Und der Witwen bange Thränen2

Thauten leis' auf sie herab.

O sie glänzen dort in Kronen,

Welche seine Güte lohnen!


Vor der müden Seele dämmert

Trübe die Vergangenheit,

Unter herben Lebens Plagen

Welkte meine Blüthenzeit;

Meines Daseyns kurze Freuden

Starben an der Aeltern Grab,

Düster lag der Wehmuth Schleier

Auf der Nacht, die mich umgab,

Jeden neuen Lebens-Morgen

Trübten neue bange Sorgen!


Düster wie die Wehmuth feiert,

Was ihr rauh das Schicksal nahm,

Blickt' ich trauernd in das Leben,

Lebt' ich sinnig meinem Gram!

Da, gleich einem Friedensboten,

Reichtest du mir deine Hand,[45]

Fester wurden meine Tritte,

Und der finst're Dämon schwand;

Still, entsagend jedem Glücke,

Schauten aufwärts meine Blicke!


Da, o Freund! in jenen Tagen,

Welch ein Retter wardst du mir!

Warme Dankgefühle weihe

Ich voll Ehrfurcht ewig dir.

In wie vielen Schauer-Nächten

Eiltest du mir hülfreich zu!

Mit dir nahte sich die Hoffnung

Und die stille Seelenruh;

Sanft verhallte jede Klage

Vor dem Bild der schönern Tage!


Einfach war dein edles Leben,

Still, gleich einer schönen That;

Feind dem äussern Glanz, umstralte

Nur die Tugend deinen Pfad! –

Himmels-Melodieen tönen

Sanft in mein bewegtes Ohr,

Wallen seh' ich die Verklärten

Mit dem Freund, den ich verlor,

Seine Tugend, seine Güte

Krönet Edens schönste Blüthe!

Fußnoten

1 Hr. Hofrath Vollmar zu Wittgenstein.


2 Ich habe nur sehr schwach die Tugenden meines unvergesslichen Freundes besingen können. Hofrath Weil war ein trefflicher Arzt und ein sehr edler Mensch; er schritt noch im späten Greisenalter mit den Wissenschaften fort; die Noth der leidenden Menschheit zu lindern, war sein unermüdetes Streben. Nur von begüterten Witwen und Waisen nahm er in der Regel Bezahlung; ja er hielt sich eine eigene Hausapotheke, um seinen Freunden und den Armen die Arzeneien wohlfeiler verschaffen zu können, und um so eher den Hang seines Herzens zum Wohlthun zu befriedigen. Seine Freunde beschuldigten ihn einer zu strengen Gewissenhaftigkeit, deren Vorwurf er mit der Unzuverlässigkeit einer Kunst ablehnte, die nur auf Erfahrung gegründet sey. Seine Bescheidenheit war so gross, dass er seine Patienten, wenn er Gefahr sah, selbst aufforderte, noch eines Arztes sich zu bedienen. Nach seinem Tode erfuhr man erst durch seinen Verwandten, den D. Mengel, dass er einst mit A.K. Boerhaaven und Zimmermann im vertrauten Briefwechsel gestanden; selbst dieser bekam von dieser ehrenvollen Auszeichnung erst durch die hinterlassenen Briefe Kunde.

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 43-46.
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