An meinen kleinen Karl

[47] Komm her an meinen Busen,

Du holder Knabe, komm!

Wachs' auf zum Freund der Musen

Und werde brav und fromm!


Dein blaues Auge lächelt

Mich an so hold und süss,

Wie dort ein Zephyr fächelt

Im schönen Paradies.


Du lachst Natur und Sonne

Jetzt nur noch kindisch an,

Bald staunst du sie mit Wonne

Und Hochentzücken an;


Rufst Heil dem Augenblicke,

Der dich zur Freude schuf,

Als du zu meinem Glücke

Wardst, durch der Gottheit Ruf.


Jetzt schlummerst du im Arme,

Der liebevoll dich trägt,

Am Herzen, das voll warmer

Gefühle für dich schlägt,
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Einst in dem Lauf des Lebens,

Im Kampf mit dem Geschick

Rufst du, doch ach! vergebens,

Der Kindheit Glück zurück!


Getrennt von diesem Herzen,

Das froh an deinem schlägt,

Wird dann von bittren Schmerzen

Das deine bang bewegt;


Und fühlst du im Ermatten,

Das Wehen süsser Ruh,

Dann eilt aus Palmen-Schatten

Mein Geist dir segnend zu.


Werd' fromm, geliebter Knabe!

Dann harr' ich dort einst dein,

Dann wird dein Weg zum Grabe

Bestreut mit Rosen seyn.


Wir finden uns dann wieder,

Wo Himmels-Lüfte wehn:

Und singen freudig Lieder,

Die Gottes Lob erhöhn.

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 47-49.
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