2. Liebes-feuer/ ewige Flammen

[63] 1.

Du liebst mich/ Schaz/ Rosille/

mehr als dein eigen Herz/

Mein Wollen ist dein Wille/

mein Wiedersinn dein Schmerz.


2.

Du schleust mich mit viel küssen

Fest in die Armen ein

und lässest mich nicht missen

was nur vergunnt mag sein.


3.

Ist aber diß die Flammen

zuleschen gnug/ mein Kind/

sie schlagen mehr zusammen

und lodern in den Wind.


4.

Die Fluht kan Feuer tödten/

lescht was die Gluht verlezzt:

Ie mehr komm' ich in Nöhten

ie mehr dein Mund mich nezzt.


5.

O dem betrübtem Stande!

das kränkt mich/ was mich süßt/

wird nu der Tau zum Brande

der durch die Lippen fließt.


6.

Die heisse Donner-straalen/

so schweer zu leschen sein[64]

kan man doch offtermahlen

mit Wasser kühlen ein.


7.

Mein unaußleschlich Feuer

erkennet keine Wehr

kehm Thetis mir zu steuer

und göß' auff mich ihr Meer.


8.

Iedoch würd' aus den Wellen

die Flamme schlagen für/

es würden seine Quellen

vertrögen über ihr.


9.

Du köntest mir noch mindern/

mein Seelchen/ diese Brunst

und seine Gluhten lindern

durch nähre Liebes-gunst.


10.

Was? näher? nicht. Wir kennen

der Ehr und Tugend Schein.

Eh wolt' ich ganz verbrennen/

als so geleschet sein.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 63-65.
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