|
[63] 1.
Du liebst mich/ Schaz/ Rosille/
mehr als dein eigen Herz/
Mein Wollen ist dein Wille/
mein Wiedersinn dein Schmerz.
2.
Du schleust mich mit viel küssen
Fest in die Armen ein
und lässest mich nicht missen
was nur vergunnt mag sein.
3.
Ist aber diß die Flammen
zuleschen gnug/ mein Kind/
sie schlagen mehr zusammen
und lodern in den Wind.
4.
Die Fluht kan Feuer tödten/
lescht was die Gluht verlezzt:
Ie mehr komm' ich in Nöhten
ie mehr dein Mund mich nezzt.
5.
O dem betrübtem Stande!
das kränkt mich/ was mich süßt/
wird nu der Tau zum Brande
der durch die Lippen fließt.
6.
Die heisse Donner-straalen/
so schweer zu leschen sein[64]
kan man doch offtermahlen
mit Wasser kühlen ein.
7.
Mein unaußleschlich Feuer
erkennet keine Wehr
kehm Thetis mir zu steuer
und göß' auff mich ihr Meer.
8.
Iedoch würd' aus den Wellen
die Flamme schlagen für/
es würden seine Quellen
vertrögen über ihr.
9.
Du köntest mir noch mindern/
mein Seelchen/ diese Brunst
und seine Gluhten lindern
durch nähre Liebes-gunst.
10.
Was? näher? nicht. Wir kennen
der Ehr und Tugend Schein.
Eh wolt' ich ganz verbrennen/
als so geleschet sein.
Buchempfehlung
1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro