Vierter Absatz

[362] Beschreibet den Abzug Agapisti auf Soletten / und den Nach-Wunsch Polyphili / auch sein Gespräch mit der Königin von dem Frauen-Lob: Welches hie an statt der Lehre stehen kan.


Der Gesang gefiel Polyphilo so wohl / daß er eben darüber entschlieff. Es war fast Mitternacht / da sich Polyphilus mit dem Ritter niederlegte / welcher / von der Reise ermüdet / alsbald einschlieff / Polyphilum aber die Sorge bewachen ließ. Der ihm schon tausend Gedancken machte / was Talypsidamus antworten /und was Macarie sagen werde / wann sie wieder vom Polyphilo höre.[362]

So bald kont es nicht tagen / daß Polyphilus den schlaffenden Ritter mit einem gezwungenen hefftigen Nieser nicht aufweckete / und ihn an die Abreise erinnerte: wiewohl er hernach / als Agapistus darüber erwachte / sich höchlich zu entschuldigen anfieng / vorgebend / als wäre ihm / solchen aufzuhalten / wegen der plötzlichen Ubereilung / auch sonderlich im halben Schlaf / nicht müglich gewesen. Das that er aber alles / damit Agapistus wieder Antwort geben / und den Schlaff vollend brechen muste: darum er ihm einen fröligen Morgen wünschete / und gleich als ohngefähr aufsahe / und / des Tages wahrnehmend /ferner fortfuhr: ists doch schon helle / wie hat mich heute die muntere Morgenröthe in der Ruhe erschlichen: welche Wort Agapisto gnugsam verständigten /daß er auf und fort solte. Stunden sie also beyde zugleich auf / und bereitete Agapistus die Reise / Polyphilus aber erinnerte ihn nochmal an die Reden / so er öffnen und bergen solte.

Es war noch sehr frühe / da sich Agapistus aufmachte / daß er von der Königin / und andern / die ihm zugesprochen / nicht Urlaub nehmen konte / deßwegen er Polyphilo die Verrichtung auftrug / welcher ihn auch / mit der Zusage / wegreisen ließ / und eine glückliche Hin- und Wiederkunfft nachwünschete.

Nun reitet Agapistus auf Soletten zu: Polyphilus eilete auf die Höhe / und sahe ihm sehnlich nach / wiewol er lieber mit ihm geritten wäre. Ach! dachte er /du glückhaffter Agapistus! wiewol wirst du empfangen werden / wegen des Namens Polyphili? wie seelig bist du doch / der du das ohne grosse Müh erhalten kanst / das ich mit so unzehliger Gefahr noch nie erlangen können? Ach! wär ich doch[363] jetzo nicht Polyphilus / so könte das verboßte Glück seine Tyranney an mir nicht verüben. O unglückseliger Polyphile! das deine Augen erfreuen solte / dessen freuen sich die fremde. Wie ist doch meinem Hertzen so weh? Allerschönste Macarie! wie lebt sie? dencket sie auch ihres Polyphili noch? sie liebet mich ja? weil ich sie liebe. Sie hoffet meine Gegenwart / weil sie weiß / daß ich nicht todt bin. So heisset mich zwar Melopharmis glauben: aber / allerliebstes Hertz! warum bin ich so ferne geführet? warum so weit entschieden? daß deine Abwesenheit mehre die Schmertzen meines Verlangens / und die so scheinende Unmüglichkeit / dich wieder zu sehen / mich folgend ins Verderben stürtze. Aber was klage ich / da ich glaube / daß ihr mich gleicher-Weise liebet? So muß ich auch glauben / daß ihr eben die Mühe und Arbeit für mich ausstehet / die ich jetzt eurenthalben gedulte. Ach! Allerliebste! vielleicht will die Liebe / daß ich den Schmertzen erstatte / den ihr jetzt leidet / dieweil ihr so weit von mir entschieden / durch die Bekümmernus / welche von gleicher Entzündung eures Abwesens in mir wütet. Ach! wolte Gott! daß ich könte mein Hertz in meinen Händen haben / wie es in dem Schoß der Liebsten ruhet / so weiß ich / würde meine Krafft sich verstärcken / und mein Verlangen ruhig werden. Ach! wolte Gott! daß ich meine Macarien so wohl mit leiblichen Augen sehen könte / als lebhafftig sie Tag und Nacht für den Augen meiner Gedancken stehet. Ja! wolte Gott! daß ich ihr Bildnus so eigentlich meinen Sinnen vorstellen / und in meine Seele drucken könte / als sie / ach! der seelige Agapistus / mit seinen Augen sehen wird / so wolt ich mich / biß ich ihrer wieder geniessen[364] könte / an dem Nahmen Macarien begnügen lassen.

Unter dieser Klag-Rede verlohr Polyphilus Agapistum / welchen der Weg hinter einem Busch auf den Wald zuführete / daß er ihn nicht mehr sehen konte /und deßwegen anfieng: Nun / so begleite dich tausendfaches Glück / daß dich keine Irrwege verführen /und komm mit erwünschter Verrichtung wieder! Der Himmel sey dir gnädig / und unter dem Schutz der begleitenden Geisterlein müssest du sicher reisen! Ihr auch / ihr unsterbliche Götter! deren Gnad mir meinen Wunsch erfüllen wird / und das Verhängnus meiner Unseeligkeit / aus mitleidender Erbarmung / enden /gebet sicher Geleit dem jenigen / der meine Freud zu wählen / und meine Schmertzen zu lindern ausgereiset ist! Lasset ihn mit fröligem Muth mein Antlitz wieder sehen!

Indem Polyphilus dergleichen Seufftzer mehr hervor brachte / kam Melopharmis / und hörte sein kläglich Beginnen / gedachte derowegen ihn zu trösten /darum sie / durch ihre tausend-listige Kunst / folgendes Lied / in der Lufft / nahe bey Polyphilo / lieblich und verständlich singen ließ:


Wol dem! der sich allezeit

kan zu Frieden geben /

Und so wohl in Freud als Leid /

gleich gesinnet leben;

Der vest an der Demut hält /

wann das Glück ihm blühet;

dem nicht bald der Muht entfällt /

wann er Unglück siehet.


2. Der das liebt / was ihn auch liebt /

nicht fürcht / was ihn hasset:[365]

und wann ihn der Neid betrübt /

die Gedult anfasset;

Auch denckt / daß sich selbst der Neid

eher wird verzehren /

als dem Glück der Herrlichkeit /

im geringsten wehren.


3. Der da seine Freunde / Freund;

Feinde / Feind lässt bleiben;

und doch sich an keinem meint

feindlichen zu reiben:

tröstet sich der rechten Sach /

und läst Gott stets walten /

welcher allem Ungemach

wird die Wage halten.


4. Der den ehrt / der Ehren werth /

keinen nicht verachtet:

sich an andrer Glück nicht kehrt /

und nach dem nicht trachtet /

was ihm auch nicht werden soll;

sich zu Frieden giebet /

ob er wird des Schadens voll /

der ihn sehr betrübet.


5. Der an allem / da man kan

zweiffeln / Zweiffel träget;

und ist Hoffnung noch woran /

sie nicht bald ableget:

Der sein Thun fein klüglich richt /

sich in allem hütet:

Und verliert das Hertze nicht /

wann das Unglück wütet.


6. Der gesinnt in keiner Noht

noch Gefahr zu scheiden /

und will rühmlich selbst den Tod

lieber / als Spott / leiden:[366]

Weil er weiß / daß / wer da will

schöne Rosen brechen /

muß er drum nicht achten viel /

daß die Dornen stechen.


7. Dessen Mund nicht Honig fasst /

Gallen trägt im Hertzen;

Mündlich liebt / und hertzlich hasst /

kan betrüglich schertzen:

Sondern Willens / seinen Geist

lieber aufzugeben:

als bey dem seyn / der ihn heisst

ohne Warheit leben.


8. Und ob schon der Neider Mund

seinen Namen schmähet;

wird es doch bald werden kunt /

eh ein Jahr vergehet /

wie / man ihm / ohn alle Schuld /

viel hat zugeschrieben /

wann er ewig in Gedult

ist beständig blieben.


9. Der mit Gott die Tugend fasst

und ihm zugesellet;

alles das hinwider hasst /

was der Welt gefället:

Machet / daß man allezeit

an ihm sieht und spüret /

daß er nichts als Redlichkeit

in dem Schilde führet.


10. Den wird endlich auch ins Grab

dieser Ruhm begleiten /

daß er stets gelebet hab

ehrlich bey den Leuten /

und das ist der schöne Danck /[367]

der nach diesem Leben /

seines guten Namens klang

stets von sich wird geben.


11. Was will man dann trauren viel /

wann es nicht so gehet;

Wie in unserm Sinn das Ziel

aufgerichtet stehet:

Wann der Regen geht vorbey /

muß die Sonne scheinen:

gleich so Freude mancherley

folget nach dem Weinen.


Polyphilus erschrack über die unverhoffte Begebenheit / merckte doch mit grossem Fleiß auf / was die Wort berichten würden / weil er ihm alsobald den[368] Glauben machte / als würde ihm durch des Himmels Schickung etwas neues bedeutet werden. Sein einiger Wunsch war / daß er die Tafel mit dem Griffel bey Handen gehabt hätte / ob er nur etzlicher Wort können mächtig werden zu bebalten: welchen Wunsch ihm aber Melopharmis erfüllete / und / nach geendigtem Lied / einen Zettel vor ihm mederfallen ließ / darauf es völlig versetzet war. Dessen er höchlich erfreuet / denselben behende aufhebte / und ihn zum öfftern durchlase: wurde auch dermassen damit getröstet / daß er ihm gefallen ließ / den Nach-Wunsch mit dem Gegen-Satz / auf seine Person zu ziehen / und sich / in seiner betrübten Verweilung folgender Art zu trösten:


Nach-Wunsch.

Das ich könte jederzeit

mich zu frieden geben /

Und so wohl in Freud / als Leid /

gleich gesinnet leben:

Hielt ich nur die Demut fest /

wann das Glück mir blühet /

wie mich gleich das Hertz verläst /

wann es Unglück siehet.


2. Könt ich lieben / was mich liebt /

was mich hasset / hassen:

Könt ich / wann ich bin betrübt /

die Gedult anfassen:

Weiß ich / würde selbst der Neid /

eher sich verzehren /

als der frohen Herrlichkeit /

meines Glückes wehren.


3. Könt ich meine Freunde / Freund:

Feinde / Feind seyn lassen:[368]

meynen / wer mich wieder meynt /

wer mir feind / nicht hassen:

Weiß ich / meine rechte Sach

würde GOtt so walten /

daß ich allem Ungemach /

könt die Wage halten


4. Könt ich gleich zu frieden seyn /

was das Glücke schencket /

Trost im Leiden / oder Pein /

und was sonst mich kräncket:

wollt ich mich an andrer Glück

nicht so mercklich kehren:

sondern dencken / dieser Blick

wird auch mich verehren.


5. Könt ich zweifflen / wo man kan

sonsten Zweiffel tragen:

Wann mich Unglück greiffet an /

hoffen / nicht verzagen:

Wolt ich meine Wort und Werck

alle dahin richten /

daß nicht meine Hertzens-Stärck

Unglück könn vernichten.


6. Könt es seyn / daß / wer da will

schöne Rosen brechen /

fühle nicht der Dornen viel /

die wie mächtig stechen:

Wolt ich auch in keiner Noht

keinem Unglück scheiden:

Wolte selber selbst den Tod

lieber / als Spott / leiden.


7. Könt ich Honig in dem Mund

bergen / Gall im Hertzen:

Gleich auf einmal seyn gesund

wieder kranck zum schertzen:[370]

Wolt ich warhafft meinen Geist /

lieber nicht aufgeben /

als bey der seyn / die mich heist

so vergnüget leben.


8. Könt ich / wann der Neider Mund

meinen Namen schmähet /

aller Orten machen kunt /

wie die Warheit stehet:

Weiß ich / würd ich ohne Schuld

öffters sein beschuldet:

Doch so / daß ich mit Gedult /

alles auch erduldet.


9. Könt ich hassen alles das /

was der Welt gefället /

und der Tugend rechte Maß

fassen / die sich stellet /

wie sie ist / so weiß ich wohl /

sollt man an mir spüren

Redlichkeit / und was ich soll

in dem Schilde führen.


Gegen-Satz.1

Weil ich halt die Demut vest /

wenn das Glück mir blühet:

Weil mich auch der Muht nicht läst /

wann er Unglück siehet;

So kan ich zu jeder Zeit /

mich zu frieden geben:

Und so wohl in Freud / als Leid /

gleich vergnüget leben.


2. Ja! weil selbst der blasse Neid

sich noch wird verzehren:

Und mir meine Herrlichkeit /

können nicht verwehren:

Will ich lieben / was mich liebt /

was mich hasset / hassen:

Und bloß / wann ich bin betrübt /

die Gedult anfassen.


3. Auch weil meine rechte Sach

selber Gott wird walten:[369]

Und in allem Ungemach /

gleiche Wage halten:

Kan ich meine Freunde / Freund /

Feinde / Feind seyn lassen /

und so lang die Sonne scheint /

keinen Nebel hassen.


4. Weil ich mich an andrer Glück

nicht gar mercklich kehre:

Sondern meinen Sternen-Blick

mehr / als ihren / ehre:

Kan ich auch zu frieden seyn

mit dem / was ich habe:

Sey gleich Freude / oder Pein /

ists doch Gottes Gabe.


5. Weil ich meine Wort und Werck

alle dahin richte /

daß kein Unglück meine Stärck /

noch mein Hertz vernichte:

Darff ich zweiffeln / wo man kan

sonsten Zweiffel tragen /

kan ich / wann mich greiffet an

Unglück / nicht verzagen.


6. Weil ich weiß / daß / wer da will

schöne Rosen brechen /

müsse das nicht achten viel /

wann die Dornen stechen:

Will auch ich in keiner Noth

keinem Unglück scheiden /

lieber leiden selbst den Tod /

als die Liebste meyden.


7. Weil ich Willens / meinen Geist /

lieber aufzugeben:

als von der seyn / die mich heist

ohne sie jetzt leben:[371]

Wird man Gall in meinem Mund

finden / und im Hertzen /

gegen dem / der sich gesund

macht / durch meinen Schmertzen.


8. Weil ich auch bin ohne Schuld /

offtermals beschuldet:

Weil ich alles mit Gedult

biß daher erdultet:

Werd ich / wann der Neider Mund

meinen Namen schmähet /

selbst die Warheit machen kunt /

eh ein Jahr vergehet.


9. Ja auch / weil ich bin gewiß /

daß ich nicht betrüge:

Und mein Hertz durch keinen Riß

reisse / noch sich biege:

Kan ich sagen / daß ich haß /

was der Welt gefället /

und nur einig liebe das /

was die Tugend stellet.


10. Ey so wird mich auch ins Grab

dieser Ruhm begleiten /

daß ich stets gelebet hab

ehrlich mit den Leuten:

Das wird seyn der schöne Danck /

der nach diesem Leben

einen guten Namens-Klang

stets von sich wird geben.


11. Ists so? was dann traur ich viel /

daß es nicht so gehet /

wie in meinem Sinn das Ziel

aufgerichtet stehet:

Wer weiß / wie es nachmals geht /

Lachen folgt dem Weinen:

Wann der Regen wird verweht /

muß die Sonne scheinen.[373]


Wol zehenmal sang Polyphilus diesen Nach Wunsch /zehenmal wiederholte er den Gegen-Satz / und ergötzte sich mit der selbst-gemachten Freud wie sehr / biß Melopharmis ihm ansagte / daß Atychintida / in ihrem Zimmer / auf ihn warte / und mit ihm Gespräch zu halten / begehre.

Das erste / so er in seinem Eingang / nach abgelegtem Gruß / erwähnte / war der Befehl Agapisti / welchen er / wegen der gebührenden Empfehlung / in den Schutz Gottes / nicht weniger auch schuldiger Dancksagung / vor erwiesene hohe Gnad / vor seiner Abreise / ihm / an seine statt / zu vollbringen / anvertrauet /beneben dem Entschluß der Entschuldigung /daß er /ohne derselben demütiges Besprechen / so früh weg eilen dörffen / es haben seine nothwendige Geschäfft den Verzug nicht gestattet: doch werde er / so ihn keine Widerwertigkeit zu ruck halte / morgendes Tages wieder da seyn / und seinen Gehorsam sorglicher beobachten. Und dann / antwortete Atychintida /mit lachendem Munde / werden wir auch ein Zeugnus von der Tugend-Damen hören / durch deren Bestraffung ich euch so hoch erzürnet. Freylich ein Zeugnus /wiederbrachte Polyphilus / weiln die Vollkommenheit ihrer Würde / ohne Lob / nicht kan beschauet / viel weniger / ohne Preiß / betrachtet werden. Diese Rede verursachete die Königin Polyphilum weiter zu versuchen / und eigentlicher nach Macarien zu fragen /darum sie ihn folgender Gestalt anredete:

Tugend-verständiger Polyphile! ich kan euch nicht bergen / daß mir gestriges Gespräch / zusamt dem Lobe / das ihr der Tugend-Göttin beygelegt / einen grossen Zweifel / und nicht geringes Nach dencken verursachet / sintemal ihr durch euer Zeugnus einem Weibs-Bild mehr zugeeignet / als die Weibliche Schwachheiten ertragen / und / eurer Rede nach / die weibliche Vollkommenheit / männliche Würden / weit übersteigen wird. Wann ich nun den Unterschied zwischen beyden Geschlechten behertzige / kan ich nicht finden / daß müglich sey / eine solche Tugend bey dem Geschlecht voller Mängel anzutreffen / die der völligen Mannschafft vorzuziehen sey: daß ihr demnach nicht anderst / als ohne Grund geredt. Verzeihet mir / Polyphile! daß ich euch dessen erinnen darff /und glaubet nicht / als sey es aus Widersinn oder Verachtung der viel-beschönten Macarien geredt /[374] sondern euren Unterricht in diesem Zweiffel einzuholen. Würdiget mich demnach desselben / so will ich hinfüro auch immerdar der Macarien die Posaune des Lobs blasen.

Diß Begehren gefiel Polyphilo nicht übel / weil er dadurch Gelegenheit überkam / an seine Macarien zu gedencken / und deren Ruhm zu vermehren. Deßwegen er den Einwurff Atychintidœ mit solchen Worten widerlegte: Holdselige Königin! Ich lasse mich leicht überreden / daß mein gestriges Gespräch ihr einige Gedancken erwecket / und einen zweifelhafften Schluß verursachet / weil ich mich nicht gescheuet /den edlen Ritter Agapistum zu ermahnen / seinen Weg fortzusetzen / und die Tugend-Göttin / um Tugend zu erwerben / selbsten gegenwärtig / auch vielleicht nicht ohne hohe Verwunderung / zu grüssen und zu sehen. Es scheinet freylich / als wolle ich das Geschlecht voller Mangel der mannbaren Vollkommenheit vorsetzen: allein / wann wir Macarien ohne Mangel erkennen / wird sich der Schein verlieren. Zwar ists so / daß sie die Natur / in das Register der weiblichen Beschaffenheiten eingenahmet / aber so wir den Verstand erwegen / welcher über die Natur sich erhebet / werden wir augenscheinlich erkennen /daß weder weibliches noch männliches Vermögen; sondern allein die Himmel-bescherte Weißheit / in dem weiblichen Leibe / herrsche / deren sich keine /in dieser Sterblichkeit / zu gleichen erkühnen wird. So kan ich auch von andern ruhmwürdigen Damen / nicht ohne sondern Nachtheil der Ehre / so allein dem männlichen Blut gehöret / mit Warheit sagen / daß /ob sie sich schon der Macarien nicht in allen gleichen / dennoch in vielen auch nicht[375] nachgeben / oder ja zum wenigsten eben den Ruhm verdienen / welchen mancher dapfferer Held / durch sein Streiten / man cher Hoch-verständiger / durch seine Kunst / mancher Tugend geübter / durch seine lobwürdige Verrichtungen / nicht erlangen können. Ja! ich scheue mich nicht / von dem gantzen weiblichen Geschlecht / so fern es von dem gütigen Himmel mit Tugend begnadet ist / zu bejahen / daß sie entweder mehr Lob verdienen / als wir / oder ja zum wenigsten gleicher Ehre würdig sind. Ein guter Baum wird erkannt an seinen Früchten: Wer wird nicht gestehen / daß wir uns denen faulen Bäumen gleichen / die keine Früchte bringen? die Weiber aber sind der Welt ersprießlich. Ich geschweige / daß viel löbliche Königinnen / und mehr als männliche Heldinnen / vor Zeiten gewesen /und noch jetzo seyn / deren Ruhm mit aller Ewigkeit /in die Wette lebet. So bleibet das ewig wahr / daß der Stamm höher zu schätzen / als die Frucht: Woher sind aber die großmütige Helden und verständige Männer gebohren und erzogen? der Mütterliche Stamm hat solche Knotten gewonnen / die Weibliche Wurtzel sprosset mit solcher Frucht / und ihre Brüste tropffen von der Milch / die ihre Sinnen behertzt; die Hand führet die Zucht / darinnen sie die Sorgfalt der Mutter verstärcket machet. Was rühmet sich nun der Fluß wider die Quelle? Was erheben sich die Blumen wider das Feld / oder die Aehren wider den Acker / in welchem sie erwachsen? Ich lasse mich leicht überreden / daß eben dieser Ursach halber auch die Länder in Weibs-Gestalt abgebildet werden / weil sie / gleich jenen / aller Völcker Ernehrerinnen und Vermehrerinnen sind. Dann wer ist unter allen Männern / der solche weibliche[376] Ankunfft / oder der ersten Mutter Nahrung abredig seyn kan? meines Erachtens kein einiger.

Die Königin lachete deß / und versetzte dagegen /daß nicht folge / wann die Frucht schön sey / müsse sich der Stamm selbiger gleichen; weil auch / von einem faulen Baum / bißweilen ein Apffel falle / und ein verdorrter Ast / nicht selten schöne Frucht zeige. Wer wird sagen / sprach sie / daß sich die Dornen den Rosen gleichen / ob sie dieselbe schon tragen? Wer wird das Stroh den Körnern / der Blum den Stengel vorziehen?

Gleichwol widerlegte Polyphilus / kan die Blum nicht ohne dem Stengel / noch die Körner ohne das Stroh aufwachsen / und haben die Rosen ihre Schöne und Lieblichkeit den Dornen zu dancken. Auch / fuhr er weiter fort / müssen wir den Ruhm und Vorzug der Weiber / nicht einig in diesem / suchen / wir wollen auf ihre Verwaltungen sehen / daher ich leicht schliessen kan / daß durch der Weiber Hände die gantze Welt regieret werde. Worinnen bestehen die weltliche Regimenter? Meines Wissens ist derselben Grund /die Kunst des Haußhaltens / daß alles im erbaulichem Wesen gehalten werde. Das aber ist der Weiber Verrichtung. Ein gantzes Land behält in sich viel Städte /die Städte beschliessen viel Dörffer / die Dörffer bestehen aus vielen Haußhalten: Diese aber bestehen /nicht in der Männer / sondern der Weiber Händen. Ein wohlbestelltes Hauß gleichet sich nicht übel einer gäntzen Herrschafft / darinnen die Regentin das Scepter / die Kinder die Leibeigenschafft / und Knecht und Mägd gleichsam die Burgerliche Schuld und Rechte führen. Aus deren Beschluß entstehet nochmals ein Regiment: ohne[377] deren Menge wird ehe eine Einöde zu finden / als eine Herrschafft anzutreffen seyn. Wie hoch ist demnach abermal das weibliche Geschlecht zu rühmen?

Die Königin wolte sich auch diesem widersetzen /mit Vorwenden / daß im Gegentheil mehr schädliche und unnütze Hauß-Regentinnen / als nützliche und löbliche anzutreffen: aber Polyphilus widerlegte sie gar leicht / in dem er zu verstehen gab / daß unter dem Männer-Weitzen auch viel unnützes / und mit ihrem Gewächs / öffter mehr Unkraut aufgehe / als gute Frucht: Zu dem rede er von solchen / die sich der ruhm-würdigen Macarien zu gleichen bemüheten. Und fieng er ferner an: Was wollen wir endlich von dem Verstand der Weiber sagen / welcher in Warheit nicht minder aller Unterrichtung und Belernung fähig / als bey den Männern? Ja! es scheinet / daß man ihnen das studieren nicht zulassen wolle / damit sie die Männer nicht übertreffen sollen / weil solches den Verstand erhöhet / dessen sie bereit gnugsam haben / wie dann hierdurch stillschweigend gestanden wird.

Nein / fieng Atychintida an / sondern weil sie von Natur nicht darzu geschickt und tüchtig sind. Mit nichten / versetzte Polyphilus / denn es gebens die Exempla / daß ihrer viel von der Natur gleichsam zum studieren gewidmet sind: wie dieses Madam des Roches / de Gournai / Juliana Moret / Jacobina d'Avignon / Giustina Freddi / Vittoria Colonna / Lucretia Boccalini / Angela Zacco / Michaele Tœrabotta / und andere / mit ihrem Exempel / bezeugen: sonderlich daß von Jacobina d' Avignon wunderhafftes gesagt wird / daß sie 14. Sprachen erlernet / und zu Lyon /im 14. Jahr ihres[378] Alters / zum öfftern / aus der Welt-Weißheit disputiret. Ebenmässig lesen wir in dem Buch der Offenbahrung / von der Königin Saba / aus Reich Arabien / daß sie / mit hohem Verstand begabet / sey kommen die Weißheit Salomonis zu forschen. Auch melden die Historien / von einer / Namens Aspasia / welche des unvergleichlichen Redners und mächtigen Käisers Periclis / Lehrerin gewesen. Von Aganica schreibet Plutarchus / daß sie in der Stern-Kunst wundermächtig sey erfahren gewesen. Und wie herrliche Wissenschafft erzehlet Athenœus von Callistrata Leßbia: Cicero aber von Cornelia / der Grachen Mutter / daß sie ihre Kinder in der Red- Kunst unterwiesen / und hoch gebracht. Nicht weniger von Cornelia / Käisers Pompeji Gemahl / Plutarchus; und Diodorus Siculus von Daphne / der Tiresiœ Tochter / die solche Verß geschrieben / daß auch Homerus sich nicht gescheuet / in seinen Gedichten / viel von ihr zu entlehnen? Was soll ich melden / von der Beredsamkeit der Tochter Hortensii / deren Appianus und Quintilianus mit grossem Ruhm gedencken? Was von Lœlia / C. Gracchi Tochter / davon Cicero: was von Olympia / davon Gyraldus: was von Hippias / der Wirthin Lycurgi / davon Plutarchus meldet? Ja! was von Diotima / davon Socrates selber gestehet / daß sie ihm / in vielen / eine Lehrerin gewesen: wiewol er der obgedachten Aspasten auch nicht wenig zu dancken habe. Die Zeit würde mir zu kurtz werden / wann ich alle nach der Läng erzehlen wolte / die in zierlichen Reden / klugen Anschlägen / scharffsinnigem disputiren / nützlichen Rathschlägen und anderer wohlgegründeter Weißheit / denen Manns-[379] Personen offt und offt den Ruhm genommen: sonderlich / da ich auf die Dicht- und Verse-Kunst / nicht nur unsrer Teutschen: sondern auch anderer ausländischer Sprachen gehen wolte. Es würde mir Hildegardis de Pingua / ihre commentarios über die Natur-kündigung vorlegen /die ich billich mit hohem Lob krönen müste. Es würde mir eine andere dieses Namens / so zu Zeiten Bernhardi gelebt / ihre geübte Wissenschafft in Göttlichen Dingen entdecken / die ich nicht weniger rühmen / ja wol gar verwundern müste. Es würde mir Martia Proba / die in allen Wissenschafften hoch gestiegene Königin in Britannien / ihre Gesetz vorlegen / die sie selbsten aufs klügeste geordnet / so gar /daß sie auch den Namen von ihr überkommen / und Martianœ Leges sind genennet worden. Es würde mir Theano Metapontina / des Pythagorœ Ehegemahl /ihren Ruhm zu erklären geben / daß sie die erste gewesen / so unter den Weibern der Welt-Weißheit nachgedacht / und dieselbe gelehret. Ja! es würde mir von Arete / der Mutter Aristippi des jüngern / ihr Sohn gezeiget werden / mit dem Befehl / daß ich erklären solle / warum er μ;η;τ;ρ;ο;δ;ί;δ;α;κ sey zugenahmet worden; nemlich / weil ihn seine Mutter in Künsten und Sprachen selbst unterwiesen. Endlich würde auch Eudochia / die Tochter Theodosii / mir ihr Lob verbreiten / das / wegen ihrer hohen Wissenschafft / bey fast allen Scribenten zu lesen. Und daß ich viel mit wenigen fasse / wissen wir / durch die Historische Erklärungen / daß die verständige Alten /allen Fleiß dahin / gerichtet / wie ihre Töchter und Weiber in allerhand Künsten und Sprachen unterrichtet würden: zu dessen Beförderung sie absonderliche[380] Lehrer / zu Hauß bestellten / die ihrer Mannschafft beraubet waren: auch wol gar in öffentliche Schulen geschickt / oder sonst von ihren Vättern und Ehemännern unterwiesen wurden: wie dessen Claudianus /Plinius / Halicarnassœus / deßgleichen Plutarchus /und andere / hin und wieder warhaffte Zeugnus setzen. Diß Beginnen ist auch mit so glücklichem Fortgang beseeliget worden / daß / wie angeführte Autores melden / nicht wenig deren Weiber / öffentliche Reden / vor dem Volck gehalten; öffentlich von den schweresten und wichtigsten Sachen geschwinde Schlüß gemacht; öffentlich allerhand Wissenschafften und Sprachen gelehret; die Sprüche der Weisen erkläret / und die Gründe der Weißheit selbsten andern eröffnet.

Atychintida wunderte sich dessen: weil ihr aber das Frauen-Lob nicht übel gefiel / gedachte sie Polyphilo fernere Anlaß zu geben / sprechend: Wie sagen dann die Medici / daß das weibliche Geschlecht / weil es kalter und feuchter Natur ist / welche traun keine grosse Spitzfindigkeit erwirbt / sondern vielmehr stümpffet; selbiges auch nicht zu hohem Verstand oder hurtiger Wissenschafft gelangen könne: dem ich so fern beypflichte / als ich selbst erfahren / daß auch diese /so vor andern etwas sonderliches seyn wollen / zwar wohl ein wenig von gemeinen Dingen / mit solchen Schlüssen geredt / die sie täglich hören: allein / da es zum Treffen kommen / hat sich die Unvermögenheit /in höhern Dingen / selbst willig bekennet / daß sie selbsten gestehen müssen / sie können nicht mehr begreiffen / als was die Kräffte des Gedächtnus erleiden / weil sie der Kräffte des Verstandes sich / in solchen Sachen / nicht zu rühmen hätten.[381]

Eben das / erinnerte Polyphilus hinwider / können wir von allen sagen / die in einer Sache nicht recht unterrichtet seyn / oder auch / wegen Mangel des Verstandes / nicht völlig können unterrichtet werden. Es ist ein Unterscheid unter den Gemühtern / deren eins /so wohl bey männlichen als weiblichen Geschlecht /immer fähiger ist / als das andere / und so beschaffen / daß wir nicht mit den Medicis aus Feuchtigkeit und Kälte / sondern der Ordnung Gottes schliessen sollen / der diesem mehr / jenem weniger; diesem hohen / jenem nidrigen Verstand gegeben.

Aber doch / versetzte die Königin hinwieder / ists sehr gefährlich mit der Weiber-Kunst / weil sie gemeiniglich mehr schadet / als nutzet / und gewiß ist /daß gelährteste Weiber / auch die klügeste Verderberinnen ihrer Zucht und Keuschheit seyn: Wann anderst in solchen Wercken / die Klugheit sich nicht mehr einer verderbten Thorheit gleichet. Das ist etwas / sagte Polyphilus / und hat das Laster schon vorlängst die Gemüther der jenigen beherrschet / die ihre erlernte Kunst / ohne Kunst gebrauchet / und den erworbenen Verstand unverständig geschändet /indem sie ihren Sinn mehr auf nichtige Schand-als erbare Nutzbarkeiten gerichtet. Daher erzehlet Epictetus / daß / zu seinen Zeiten / die Römischen Frauen /ihre meiste Zeit / mit des Platonis Schrifften / von der Gemeinschafft / zugebracht / weil in selben der gemeine Gebrauch; wie aller andern Sachen / also auch der Weiber / gelehret wird. Allein wann dieser Schluß gelten soll / kan ich gleiches / mit leichter Müh / auch von dem männlichen Geschlecht erweisen / und wird der leicht-verliebte Oyidus /[382] das Heer führen. Ich rühme den berühmten Gebrauch der Wissenschafft /und mein Lob zieret die Tugend; schändet hingegen allen verderblichen Mißbrauch / dessen sich nicht weniger alle Dinge / als die Frauen / so mit Kunst und Tugend begabet / theilhafftig machen.

Darauf fieng Atychintida an: Was antwortet ihr aber darauf? daß zu beföchten / wann die weibliche Schwachheit durch Kunst verstärcket wird / werde auch ingleichen ihre List / damit sie das Männer-Volck betrügen / nichtweniger vergrössert / so gar /daß sie nach dem nicht beherrschet / nicht gezwungen / nicht begütiget / werden / und die klägliche Verwandelung angehet / daß Mann und Weib mit Rock und Hosen tauschen.

Polyphilus muste eben lachen / so wohl gefiel ihm der Einwurff: aber dennoch hielt er dem entgegen /daß dieses / gleich dem vorigen / nur ein Mißbrauch /und der bösen Weiber Art sey; auch dieser Schluß vielmehr behaubte / daß dieselbe in guten und nützlichen Dingen sollen unterwiesen werden / damit sie ihre ungezähmte Erfindungen nicht eher nach dem Bösen / als Guten lencken / oder auch in ihrer gefassten Thorheit verharren: zumalen aller Orten wahr ist und bleibet / daß die Kunst unsern Verstand läutert /und die Tugend das Hertz reiniget von aller bösen Lust und Begierde / daß / wo Verstand ist / alle weibliche Boßheit weichet / und wo Tugend wohnet / alle Untugenden vertrieben / und die weibliche Schwachheit selber männliche Kräffte gebiehret. Ja! wann ich sagen darff / was ich dencke / und was die Warheit zu bekennen erfordert / glaub ich vor gewiß / daß eben der Unverstand[383] / und die verwehrte Kunst eine Ursacherin sey / an dem verderbten Lob des weiblichen Geschlechts / welches / traun! dafern es / gleich dem männlichen / mit Fleiß unterrichtet / und in der Weißheit / durch Kunst und Tugend / fortgeführet würde /nicht selten dieses so weit übersteigen solte / als es sich jetzund / durch jenes / muß unterdrücken lassen. Dann allein die Kunst gibt Weißheit / und Tugend erwecket belobte Sitren / sie übe sich bey männlichem oder weiblichem Geschlecht.

In dem Polyphilus so redete / fiel ihm die Weltberühmte unvergleichliche Schurmännin bey / die er /als ein Wunder der Natur / in seinen Sinnen ehrete /darum er auch diesen seinen Ausspruch / mit selbiger / zu behaubten / in folgende Wort heraus brach: Was zeugen diese unsere Zeiten von der Belgischen Minerven / Jungfrau Anna Maria Schurmännin? die wir billich den gelährtesten und verständigsten Männern / wo nicht vorziehen / doch so gleich schätzen /daß wir zweiffeln müssen / ob solte die Gleichheit nicht mehr den Vorzug verdienen. Selbsten der Name erweiset / daß in ihr die weibliche Unvermögenheit mit männlichen Kräfften sey verwechselt worden /drum nennet sie sich recht Schur-männin: allen denen / die das gebährende Frauen-Lob nicht nach Würden krönen wollen / mit sich selbsten zu erweisen / wie sie ihren männlichen Verstand / in Unterdrückung des weiblichen Ruhms / selbsten / nicht ohne grossen Nachtheil ihrer Ehre / verderben: Klüglich hat sie / in Warheit / das Frauen-Lob behaubtet /in dem sie sich denen / die solches angefeindet / mit dem bekannten Sprichwort widersetzet[384] / und gleichsam schamroth gemacht: υολλοὶ μαθηαί κρείτουες διδασκἀλων: auch jenes alten Poeten / welcher spricht:


Vos etenim juvenes animos geniris muliebres: illa virago viri.


Welches sie angeführet / daß diese / deren Ursachen halber / entweder eine boßhaffte Mißgunst / oder vielmehr eine schändliche Furcht beschwere / in dem sie hören / und hören müssen / es übersteige die Wissenschafft der Weiber / die Männer-Kunst / und übertreffe der Jünger an Kunst und Geschicklichkeit den Meister.

Atychintida muste vor dißmal dem Polyphilo Beyfall geben / dann sie dem nicht widersprechen dorffte /was an der hellen Sonnen war. Da nun Polyphilus merckte / daß er gewonnen hätte / machte ihn die Begierde des Siegs / sein fast selbst vergessen / in dem er noch höher Lob zu verdienen / die Ehre / so ihn billicher allen Weibern vorsetzen solte / mit folgenden Worten / freywillig nachsetzte: Wann nicht selbsten das gantze menschliche Geschlecht / ja! vielmehr die Ordnung der unsterblichen Götter / einmütig bekennte / daß das Weibliche dem Männlichen / an den Gütern des Verstandes / nicht nur gleich geschätzt / sondern auch weit überlegen sey / würden die Gesetze nicht beglauben / daß jenes / in dem Zwölfften; dieses aber allererst in dem vierzehenden Jahre das Vogtbare Alter treffe. Sey demnach das der letzte Schluß / daß die Weiber denen Männern / an allem / bey weiten vorzuziehen / weil sie züchtiger / schamhaffter / mitleidiger / getreuer / liebreicher / gottseliger / demütiger und gedultiger sind; ja auch /[385] was die Güter des Leibes anbetrifft / schöner / zärtlicher / sittlicher und freundlicher / die mit allem Recht jrrdische Göttinnen / und eingefleischte Engel zu nennen: wie wir das selbsten stillschweigend gestehen / in dem wir ihnen mit so sorgfältiger Bemühung aufwarten / tieffer Demut gehorsamen / wachsamer Behendigkeit nachgehen / und brünstigem Verlangen um ihre Huld und Gnade werben / welches alles ein Zeichen ihrer hohen Würde / und ein offenbarer Beweiß unsrer Unwürdigkeit ist / die von jener bereichert / erhalten und vermehret werden muß.

Wann dem allen so / sprach Atychintida / warum ehret man dann unsern Ruhm nicht auch in Schrifften? Das ist des Neides Schuld / versetzte Polyphilus / der sie zu der Knechtischen Hauß-Arbeit verstofsen darinnen sie gleichsam mit ihren Sinnen gefangen bleiben müssen / daß sie sich nicht höher schwingen / noch die himmlische Wissenschafften ersteigen können. Auch bauen sie ihnen das Gefängnus selber / wann sie sich so verstossen lassen: welchem sie zu wider / mit allem Recht sagen könten / was dorten der Löw / dem ein Löwen-Mörder vorgezeiget wurde / (so anderst ein Gedicht den Warheits-Glauben verdienet) soll geantwortet haben: Wann wir Löwen mahlen könten / solten mehr Männer von den Löwen getödtet / auf den Tafeln zu sehen seyn. Mit diesem hatte ihr Gespräch ein Ende; damm Polyphilus Urlaub nahm / und sich in sein Zimmer verfügte /allda er nidergesetzt / folgendes Gedicht / den weiblichen Würden zu Ehren verfertigte:


Es wundert mich fast sehr / warumb man nicht will achten /

der Weiber schönes Thun / gleich ob / was sie auch machten /[386]

verdiene keinen Ruhm: da doch die Weiber-List

offt einen Mann bethört / der noch so witzig ist.

Sind sie nicht / wie wir sind / mit allem gleich bereichet?

wer ist dann / der auch sie / in allem / uns nicht gleichet?

Sind nit der Sinnen fünff: Verstand und Witz / und Will?

der Mann und Weib erhebt / und beyde heisset still /

still und zufrieden seyn / mit dem / was Gott bescheret /

der einig ihren Witz / Verstand und Sinn ernehret /

ernehret und vermehrt? was will man wieder Recht /

zum Herren setzen den / der selber besser Knecht /

auch offt wohl minder ist? weil man bey diesen findet /

was ihn erdrucket nur / und was ihn überwindet /

an Kunst- und Tugend-Ruhm / das herrschet in dem Sinn

der weiblichen Vernunfft / die träget den Gewinn.

Drum ob Papyrius auch tausend der Gesetze

setzt wider dieses Volck / und ob Huartus schätze

sie noch so ungeschickt: so weiß ich doch gewiß /

daß recht geschlossen sey / was ich / mit Warheit / schließ.

Ihr seyt es / schönes Volck! daß einig nur zu loben;

Ihr seyt es / liebes Volck! das einig steht erhoben /

an jenem Himmel-Dach / da einig und allein

eur hochgeführter Glantz verdeckt der Sternen-Schein.


Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 362-387.
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