Zehender Absatz

[595] Beschreibet den Widerwillen der erzurnten Macarien / welchen sie / nach erkundigter fremder Lieb / bey Polyphilo / so mächtig / in ihr / herschen ließ / daß sie alle Liebe aus ihrem Hertzen verbannete: wiewohl sie / durch Zwang und Flehen /wieder versöhnet ward: Lehret die Straffen / so dem Verbrechen folgen / damit ein unbestrafftes Ubel nicht Gelegenheit zu fernerer Mißhandlung gebe.


So bald die Gedichte verfertiget / und dem Buch einverleibet waren / sandte es Polyphilus / den schönen Händen Macarien zu.[595] Die selbiges / mit grosser Begierde / eröffneten / und nicht ohne besondern Wolgefallen durchblätterten: aber auch nicht gar ohne Mißfallen / dann / so bald die scharffsichtige Augen / die nichts vorbey liessen / auf das Gedicht / welches ihr die Liebe Polyphili gegen Apatilevcheris entdeckte fielen / ward die freudige Liebe mit solcher Traurigkeit ertödtet / daß die / bald darauf folgende / Zorn-und Verachtungs-Wort / das Hertz der Macarien / mit gleichmässigem Eyser / gantz von der Liebe Polyphili abwendeten; ja! weil sie die Beschimpffung der alten Weiber gelesen / und sich dabey erinnert / daß die Jahre ihrer Zeit / die Jugend Polyphili / nicht wenig überstiegen / erweckete die Furcht / es möchte das leichtgewandte Hertz Polyphili / ihr / nach dem / auch so zahlen / einen solchen Widersinn bey ihr / der mehr einer Feindschafft / als Liebe / gleich war. Daher sie ihr gäntzlich vornahm / alle Liebe / gegen Polyphilo / zu dämpffen / und seiner allerdings zu vergessen / auch ihre Freundschafft hinfüro abzuschlagen / und seine Werbungen / so viel müglich / zu verhindern: wie sie dann alsbald / ehe Polyphilus wieder zu ihr kam / folgende Wort / in so gebundener Rede / an ihn abfertigte:


Ich hab / in dem schönen Buch / die Gedichte durchgelesen /

dir ihr werther Freund! gesetzt / weil ihr seyd von mir gewesen /

gebe dem Poeten auch / wegen seiner Müh und Fleiß /

die er hat an mich gewandt / sonderbahren Danck und Preiß /

Wann ich aber schreiben solt / alles hätte mir gefallen /

würd ich schreiben ohne Grund: Warheit geht mir doch vor allen:

Zwar was ihr gefürchtet habt / das mich sehr verdrüssen wird /

auch darum viel schöner Wort / euch zu schützen / habt geführt;[596]

acht ich unerheblich seyn / daß es mir solt Haß erregen /

was solt ich / so unbedacht / zornig seyn / der Warheit wegen?

Glaubet mir / geehrter Freund! daß ich solche Verse setz /

an die allerhöchste Stell / und weit mehr / als andre / schätz

weil sie ohne Falschheit sind. Daß ich aber müssen lesen /

wie ihr / noch vor kurtzer Zeit / anderswo verliebt gewesen /

und auch wol jetzunder seyd: das sind Felsen-harte Wort /

wancket ihr so zeitlich schon / und erwählet solchen Ort /

den die Tugend fliehen heisst; weil er diesen nur steht offen /

der durch Pflicht darzu erwählt: was wird künfftig seyn zu hoffen?

Niemals hat kein Donnerschlag einen Baum so klein zerstückt /

als mein Hertz zersplittert ist / wie ich solche Wort erblikt.

Werdet ihr nicht überall solche schöne Frauen finden /

die / durch ihrer Augen-Liecht / euch vermögen zu entzünden?

und das ists / das ich gefürcht / diese Sorge hat gemacht /

daß ich lieber einsam leb / als im Ehstand bin veracht.

Wie ihr alte Weiber ehrt / hab ich satsam auch vernommen /

und wer weiß / ob ich auch jung werde noch zu Grabe kommen /

freylich ist die Zusag leicht / und die That hingegen schwer /

voller Lieb ist offt der Mund / und das Hertze dennoch leer.

Oder / da von Anfang gleich pflegt die Liebe heiß zu brennen /

ist doch offt das Mittel lau / und das Ende kalt zu nennen /

dieses Dencken machet mich so voll Kummer und Verdruß /

daß ich / ach verzeihet mir! diß gezwungen bitten muß:

Liebt Apatilevcher in / ihre schwartz-gefärbte Augen /

und den Purpur-rothen Mund / meine Schwachheit kan nicht taugen /

neben solchem Adel-Stand / es beglücke eure Zeit /

tausend-fache Himmel-Gunst / gönnt mir nur die Einsamkeit /

welche Furcht und Hoffnung trutzt / und mich aller Sorg entbindet /

daß mein Liebster / ausser mir / sey von fremder Lieb entzündet /

die nur Haß und Schmach gebiehrt / besser sterben ohne Mann /

als so leben / mit Gefahr / daß die Liebe fehlen kan.


Polyphilus hatte indessen / dem Agapisto / sonderlich aber der Melopharmis alles erzehlet / was sich mit ihm / und Macarien begeben: die alle sehr erfreuet[597] waren. Da sie aber diese Zuschrifft gelesen / wolte alle Freude so gar verschwinden / daß sie keinen Trost noch Rath übrig behielten. Solte Polyphilus alsbald zur Macarien selber gehen / war zu beförchten /daß sie ihn gar nicht zu ihr gelassen / oder ja / mit erzürntem Hertzen empfangen. Alles war nun aus /selbst die Freundschafft war rund abgeschlagen. Melopharmis sagte wohl / ey so lasst sie gehen: aber das Hertz Polyphili konte seiner Macarien nicht mehr vergessen. Deßwegen er Melopharmis zur Seiten führete / und durch aller Götter Vergeltung bat / dafern sie / mit ihrer viel-vermögenden Kunst / noch etmas ausrichten könne / so solle sie dieselben anjetzo gebrauchen / und das Hertz der Macarien wieder zu ihm wenden: Er wolle / was ihm gebühre / die Schrifft beantworten / und nach Müglichkeit ihre Gunst hinwieder erwerben. Melopharmis / weil sie sein kläglich Behägen zu Hertzen nahm / kont ihm diese Bitte nicht versagen / darum sie eins wurden / Polyphilus solle sie hinführen biß zu dem Ort / da sie die Wohnung der Macarien sehen könne / aber die Antwort voran schicken / alsdann sie ihm / nach Vermögen / behülfflich seyn wolle. Alles wurde alsobald zu Werck gerichtet / die Antwort verfertiget / und Macarien zugeschicket / Polyphilus mit Melopharmis folgeten nach: So lautete aber die Antwort Polyphili.


Nun erfahr ichs freylich schon / was sie jüngsthin hat gesprochen /

daß der Liebe Glückes-stand öffters werde durchgebrochen

von der Widerwertigkeit / dem ich damals widersprach /

aber nun / ach! aber nun! selbst erfahre / selbst beklag.

Doch wann sie / Erwählte mein! wird die Sache recht bedencken /

wird sie / weiß ich / sich und mich nicht mit solchen Unrecht kräncken /[598]

nit beschulden mich mit dem / das mir gantz zuwider ist /

nun ich / Liebste! dich erwählt / nun du mir die Liebste bist.

Du beklagest dich um mich / da ich mehr um dich solt klagen /

hab ich dir / so viel du mir täglich machest Angst und Plagen;

hab ich dir / bekenn es nur / einmal das zu Leid gethan /

was ich klagen kan von dir / wann ich nichts erbitten kan.

Wie du sagst / so hab ich dich / Hertzgeliebtes Kind! verlasse!

Ach! wie kan ich? da ich dich noch nicht einmal können fassen

und gewinnen / liebes Kind! ist die Klage richtig recht /

so bekenne sie zuvor / daß ich der verbundne Knecht

ihres Willen-Wunsches sey; daß ich der Erwählte heisse /

und daß unser beyder Hertz keine fremde Liebe reisse

mit gelassner Treu-Gebühr: dann will ich auch froh und frey

selbst bekennen / daß mein Dienst an ihr untreu worden sey.

Gleichwol / sprichst du / solt ich dir schuldig meine Lieb erhalten /

in dem Wissen / ohn Genüß; treuer meine Pflicht verwalten /

ob ich deine nicht erkannt: aber glaube / daß ich dich

gleich-soviel und mehr geliebt / als du heimlich liebest mich.

Und bedencke das annoch / daß ein Unterscheid der Liebe;

Ja! daß viel ein anders sey / was ich / Liebste! dort verübe /

da ich liebend liebe nicht; liebend aus erheischter Pflicht /

die mich so noch nie verpflicht / dz ich dein gedencke nicht.

Und besiehe die Person / du wirst / wie du klug bist / sehen /

daß aus blosser Höflichkeit / was ich dort gethan / geschehen /

keine / die gebunden ist / meine Freyheit binden kan /

eine / die entfesselt steht / leget mir die Fessel an.

Ach du meine Kränckerin! ist es nicht so / wie ich zeuge /

so vergeß der Himmel mein; keine Gnade zu mir neige

das erzürnte Gott-geschick! sieh! ich schwere dir ein Eyd /

daß ich dir getreu will seyn / bey des Himmels Gütigkeit.

Ist denn dieses nicht genug? Was doch kanst du mehr begehren?

Sag / befihl nur / was du wilt / alles will ich dir gewähren /

wie ich alles schuldig bin. Ja! ich sage noch einmal /

sind nicht meine Wort / mein Hertz / stürtze mich ein grosser Fall![599]

Dencke / Schatz! denck ewig doch / wie mich deine Strafe drücke /

und wie mein zersplittert Hertz dein Wort-Donnerschlag zerstücke /

wann du jene mir benennst / die ich selbst verrathen dir /

daß / ob sie auch schöner sey / seyst du doch die Liebste mir.

Wie vil stellest du mir Strik? müst ich doch gefangen liegen.

wann nicht meine Liebes-Treu könte deine Netz besiegen /

bald verführt mich fremde Gunst: bald ist nur mein Mund verliebt /

allerdings das Hertze leer / das sich doch so hoch betrübt.

Bald ist meiner Liebe Brunst ohne Feur-Hitz angezündet /

oder ob der Anfang heiß / und auf Hertzens-Glut gegründet /

sey doch dessen Mittel lau / und das End-Ziel aller kalt /

da ich diß vor jenem doch warhafft weit erhitzter halt.

Wie die alte Frauen-Ehr sey durch meine Wort geschändet /

ist zu deuten durch den Sinn / der mich von mir selbst gewen det /

da sie meiner Jugend-Blüh durch den Zweiffel brechen wolt /

als wär diese jung verführt auch den alten Runzeln hold.

Aber daß sie schliessen will / wann auch ihre schöne Jugend

solt veraltet heßlich seyn / möcht ich Widersinns die Tugend /

Schönheit suchend / achten nicht: ist ein unbewährter Schluß /


der mich / eh ich solches denk / mein Vergessen heissen muß.

Lieb ich Tugend / Kunst / Verstand? kan dieselbe nicht veralten /

lieb ich Schönheit / Pracht und Geld? Wer wird alles das erhalten?

Pracht und Geld ist Eitelkeit / Schönheit ist ein blosser Tand /

rechte Liebe / wahre Freud / gründet sich auf Kunst-Verstand.

Und was streit ich ohne Noth? Ist sie / Schönste! nicht die Schöne /

der sich keine gleichen kan? Ob sie schon das Jahr bekröne /

so das Frühlings-Alter ziert / ihre Herbst-halb schöne Zeit

nimmt vor aller Jugend Flor lieb- und lob-beschönte Bent.

Drum / mein auserwähltes Hertz! laß / verlaß die Leid-Gedancken /

zweifle nicht an meiner Treu / die in den geschlossnen Schrancken[600]

deines Willens bleiben soll; öffne meines Hertzens-Thür /

und besiehe dessen Schluß / wirst du mehr vertrauen mir.


Nach dem Gedicht setzte er / in ungebundener Rede /wie er nicht ruhen / noch leben könne / biß er ihrer Gegenwart geniesse / und mündlich / die Versicherung ihrer unverruckten Liebe / vernehme; bitte also /ihre Gewogenheit solle ihm / wegen des nichtigen Verdrusses / den Zutritt / durch den verborgenen Gang / nicht verschliessen / sondern / mit ihrem erwünschtem Anblick / wiederum erfreuen / wie sie ihn / durch den Widerwillen / betrübet.

Nun gehet Polyphilus / mit Melopharmis / auf Macarien zu / und da sie zu den Eichbaum gelangeten /und Melopharmis vernahm / daß er unter diesem /seine schmertzliche Klage geführet / sprach sie: So sollet ihr auch / unter diesem / eure hertzliche Freud annemen und überkommen. Ferner / fuhr sie fort /weichet ein wenig von diesem Ort / und sehet von ferne / was da geschehen wird. Polyphilus folgete dem Befehl / und legte sich unter die Sträuche nieder / zu sehen / wie ihm Melopharmis helffen würde / die unter dem Eichbaum verharrete. Da er sich nun kaum geleget hatte / buckte sich Melopharmis zur Erden /als wann sie denen Geistern / aus der Höle / ruffen wolte: bald erhub sie ihr Gesicht wieder gen Himmel /aber mit einem grimmigen Anblick: Nach dem stund sie still / als in tieffen Ersinnungen / und bald darauf wandt sie sich gegen dem Ort / da Macarie wohnte /und fieng / mit klingender Stimm / also an zu ruffen:


Ist dann kein Mittel nicht zu zwingen deinen Willen /

du Felsen hartes Hertz! wilt du noch nicht erfüllen /[601]

was mein Befehl erheischt? Du solt erfahren bald /

wie ich den / der dich liebt / in Lieb und Gnaden halt.

Was zwingt dich / das ihn zwingt: du wilt vielleicht mich zwingen?

O Nein! ein scharffer Pfeil soll durch dein Hertze dringen /

besiegen deinen Trutz: du widerstehest mir /

nicht dem / den du nicht liebst / ob er sich trauet dir.

Drum her! sieh was ich kan / die gantze Macht der Höllen

muß deinen Wider-Sinn / und deinen Hochmuth fällen /

und führen in das Joch: du weist nicht / wer ich bin /

solsts aber wissen bald: wann ich dein Hertz gewinn.

Ich bin / was mir gefällt: es muß mir alles dienen /

sey Fürst / Herr / Knecht und Baur: auf mein Wort ist erschienen /

wein ich geruffen noch: der schwartzen Geister Zahl /

was Höll und Welt beschleusst / das folgt mir überall.

So groß ist meine Macht: der Himmel muß mir schwitzen

im Mittag kalten Thau: die Sonne dunckel sitzen /

wann ich die Wolcken führ: der Monde stille stehn /

die Sternen gehen fort / wann ich sie heisse gehn.

Die Lufft bewegt mein Wort: die Winde müssen brausen /

Blitz / Donner / Hagel-schlag / durch Welt und Wasser sausen;

und wann ich wieder will ihn heissen stille seyn /

muß er auf mein Befehl sein Sausen stellen ein.

Ich kan vor Hitze Frost / vor Kälte Wärme geben:

verwechseln selbst die Zeit / daß / die im Sommer leben /

gleichwol den Winter sehn: der Hundstag schneyet mir /

der Hornung ist verblumt / gleicht sich der Frülings Zier.

Ich kan die Element / Feur / Wasser / Lufft und Erden

verwandeln / wie ich will: aus dem / muß jenes werden /

die starcken Eichen gehn / auf mein Geheisse / fort /

die Wasser bleiben stehn: so viel vermag mein Wort.

Ich schmettre Felsen-Stein: so will ich auch was finden /

das dich erweichen könn; ich will dein Hertz entzünden /

mit brennender Begierd / daß du nicht ruhen könnst /

biß du dem / der dich liebt / hinwieder Liebe gönnst.

Kommt her / ihr Furien! komm / Pluto! hilff mir binden /

komm / Drey-Kopff! Hecate! hilff ineinander winden

diß ungewundne Haar: kommt / Geister! kommt heran /

weil keine Bitte hilfft / so helffe / was da kan.
[602]

Die funcklende Himmels-Kertze / die vorher gantz hell leuchtete / schiene für Schrecken zu erbleichen: Die verfinsterte Wolcken lieffen / als fielen sie vom Himmel. Finsternuß erfüllete die gantze Gegend. Der Vögel Gesang / so kurtz zuvor aufs lieblichste zwitzerte / wurde gantz still. Man hörete nichts / als das Flattern des Eichen-Laubs / und Polyphilus selber zweiffelte / welches sicherer wäre / zu lauffen oder zu bleiben. Er sahe ferner zu / da zog Melopharmis den lincken Schuh aus / nahm ein Tuch über den Kopff /kehrete sich zweymal gegen Morgen / und zweymal gegen Niedergang / grub mit einer Sichel / ein Loch in die Erde / und machte darauf einen Circkel um sich her / murmelte auch eine gute Weile / eins und anders / das Polyphilus nicht verstehen kunte. Hiernach brachte sie / aus ihrem Korb / allerhand Kräuter / vermengte dieselbe mit etzlichen Steinlein und Gebeinen von den Todten: hernach goß sie Kinder-Blut / welches ihr in der Lufft gereichet wurde / in eine Schalen / die sie auf Wacholder-Holtz und Eisen-Kraut satzte / und mit ungebrauchtem Schwefel und Weyhrauch anzündete. Da aber die aufsteigende Lohe / in die Höhe schlug / hielt sie auf der Sichel ein kleines Kinder-Hertz in das Feuer / und sprach solche Wort:


So müsse gleichfalls auch dein kaltes Hertze brennen:

weil du die heisse Brunst des Liebsten nicht wilt kennen.


Ferner knüpffte sie 3. Haarlocken / so sie von dem Haupt der Macarien / durch ihre Kunst / listiglich geraubet / um 3. bund aber ungleich-gefärbte Vogel-Federn / mit diesen Worten:


Die Federn flohen frey: das Haar war unbewunden:

nun aber hat / die Lieb / sie / an das Hertz / gebunden.
[603]

Auf diß sprützete sie dreymal in ihren Schoß / nahm ein Bild / von Jungfrauen-Wachs / in die Hand / beräucherte dasselbe / band ihm 3. wüllene Faden / von dreyerley Farben / um den Halß / und sagte:


Mächtig ist die dritte Zahl: dreymal sey sie drum gebunden /

dreyer Farben Baude sind / um das harte Hertz / gewunden.


Unter solcher Rede / stach sie mit einer gespitzten Nadel / dreymal in das Bild / und sprach:


So muß es gleicher Weiß auch ihrem Hertzen gehen /

das unverwundet wolt der Liebe widerstehen.


Warff es darüber in das Feuer / mit diesen Worten:


Wie dieses weiche Wachs / im Feuer / muß verräuchen /

so auch dein Felsen-Hertz / in Liebe / muß erweichen.


Nach dem nun dieses alles nidergebrennet war / griff sie auf die Erde / hebte die Aschen auf / warff sie dreymal über den Kopff hinter sich / und hub / wie vorher / an mit verbrochenen Worten zu murmeln: sie aber sahe nicht zu ruck. Alsbald erhub sich ein erschröcklich Gewitter / das aber bald aufhörete / und die helle Sonne / wie vor / leuchten ließ.

Polyphilus kam / voller Schrecken / zu Melopharmis / und kunte kein Wort herfür bringen / weil er dermassen zitterte / daß er den Blättern der Aespen /so nicht weit von dannen stunden / nichts bevor gab. Darum Melopharmis anhebte: Jetzt gehet hin zu Macarien / und versichert euch / daß sie liebet. Aber Thorheit! Hätte Polyphilus seine Antwort nicht so scharff gesetzet / und mit betheurten Worten geführet / hätte sich das Tugend-liebende Hertz / der allerzüchtigsten Macarien / lang zu keiner Liebe verzaubern lassen. Doch glaubte Polyphilus den Worten Melopharmis / und gieng hin. Eben aber / da[604] er auf halben Weg war / begegnete ihm die Dienerin Macarie / die sie / mit dem Befehl / Polyphilum zu holen /ausgesandt hatte. Er fragte alsobald / weil er von ihr verständiget wurde / daß sie um die Freundschafft ihrer Liebe Wissenschafft trüge / wie sich doch Macarie so bald erzürnen können? welche antwortete: Die Ursach ihres Eyfers ist mehr eure Verwegenheit / als die Liebe / damit ihr Apatilevcheris liebet. Was habt ihrs dörffen ihren Augen vorlegen / welches sie deutet / als liege eine heimliche Beschimpffung drunter verborgen. Viel mehr / sagte Polyphilus / solte sie die Aufrichtigkeit meines Hertzens daraus erkennen / daß ich ihr nichts verhäle. Darauf die Dienerin erinnerte: Nein / Polyphile! viel eher eine Einfalt / als Aufrichtigkeit. Mit diesem Gespräch / giengen sie fort / biß zu dem Hof.

Polyphilus suchte den verborgenen Gang / welcher allbereit eröffnet stund / und seiner Zukunfft wartete. Er gieng durch die Thüren hinein / die er aber alle hinter sich verschloß / biß er zu der letzten kam / die ihm seine allerliebste Macarien zu sehen gab. Alsbald fieng er an / sich hoch zu entschuldigen / und das leicht-erbitterte Hertz / bey ihrer Güte und Gedult / zu verklagen. Aber Macarie fieng an zu lachen / und deutete das alles / was sie gethan / zum Schertz / wiewol es scheinbarer ist / sie habe die Beständigkeit Polyphili damit versuchen wollen. Das freundliche Hertz /der gar zu schönen Macarien / ließ nicht zu / daß Polyphilus mehr klagte / weil sie immer fort mit ihm schertzete / und sagte: Ihr liebet doch Apatilevcherin ein wenig! wem solten die schwartzgefärbten Augen nicht gefallen? Wer solte nicht gern den Purpur-rothen Mund küssen? Der[605] stoltze Adels-Schein will auch etwas vorgezogen werden: Und dergleichen mehr. Aber Polyphilus widerlegte das / mehr im Werck / als mit Worten / indem er ihm der Macarien bräunlichte Augen gefallen ließ / und ihren Purpur-Mund küssete.

Viel angenehme und erfreuliche Gespräch verführeten sie miteinander / sonderlich fieng Macarie an /warum er den Frauen / und nicht vielmehr den lieb-verdienenden Jungfrauen / gewogen / da diese nicht so gefährlich / auch nicht so sündlich zu lieben / als jene? Dagegen Polyphilus einwandte / daß er / die Zeit seines Lebens / keine Jungfer geliebet / auch nicht lieben könne / weil er gleichsam von Natur / ein feindliches Hertz / gegen denselben führe / nicht wissend / aus was Ursachen. Er schliesse aber dahin / es müsse ein sonderbarer Sinn / in ihm / herrschen / der sich mehr gegen dem Weiblichen / als Jungfräulichen Stand / neige / und jene / vor diesen / lieben heisse. In dem er auch nicht fehlte. Unter währenden Gespräch /klagte Polyphilus / die all zu grosse Hitze / welche ich nicht weiß / ob sie die erhitzte Sonnen-Strahlen / oder die feurige Gluth seines verliebten Hertzens verursachete: Da hingegen Macarie die Kälte besprach /so offt der Wind / durch das Zimmer wehete: dessen sich Polyphilus sehr wunderte. Macarie aber / die ihn / in so grosser Hitze / am besten kühlen konte /reichete einen Zettel dar / darauf die Beschreibung der Liebe / in folgenden Reim-Schlüssen / verfasset:


Du Honig-süsses Gifft; du selbst-erwähltes Leiden:

Du Mutter später Reu / und Pest der besten Zeiten:

Du Demant-vestes Joch: du Felsen-schwere Last:

Du ungezäumtes Thier / und Undanck-voller Gast.[606]

O Liebe! du Tyrann / du wütendes Beginnen:

der Freyheit Widerstand; Zerstörer kluger Sinnen:

Du Untergang des Glücks: Gebährerin des Neids:

Du Tod der Frölichkeit / und Quellbrunn alles Leids.

Die Macht ist ohne Macht / die Waffen fallen nieder /

wann du geschminckte Lust beherrschest die Gemüther;

die Thorheit folget dir / der Eyfer ist dein Kind /

Verzweiflung / Furcht und Mord / man letzlich in dir find.

Du ungerechtes Recht: die Laster müssen siegen /

wann dein Vermessenheit die Tugend will bekriegen;

es gilt dir alles gleich / Welt / Cron und Hirtenstab /

du sagest jetzt der Höll / und jetzt dem Himmel ab.

Du lachest der Gefahr / und achtest kein Verderben;

das bittre wird dir süß / wann Wollust zu erwerben:

die doch ein blosser Traum / ein übersüßte Gall /

ein Schatten / der verschwind / und gleich dem Gegenschall;

so augenblicklich stirbt / als er recht wird gebohren /

und ist in einem nu gefunden und verlohren:

Diß ist der grosse Sieg / diß ist der reiche Lohn /

den man von deinem Dienst / O Liebe! trägt davon.

Du Acker voll Gefahr / Ernehrerin der Sorgen /

von gestern Angst biß heut; von heut biß wieder morgen:

du unergründlichs Meer / voll Klag und Ungedult /

an aller Müh und Noth allein du trägest Schuld:

Du Hoffnung voll Betrug / die deine List erkennen /

und fliehen nicht vor dir / sind blind und taub zu nennen:

sie hören / hören nicht: und sehn nicht / was sie sehn:

dann sonsten könten sie auch deinen Grimm verstehn.


Polyphilus solte die Gluth / seiner Liebe / damit kühlen: aber sie wurde mehr erhitzet / deßwegen er / in ihrer Umfahung / die Zeit vollends zubrachte / und der Zucht-gebührenden Tugend-Liebe freyen Paß ließ. Diese leschete die Gluth Polyphili / mit dem Zucker-Safft der dersüsseten Lippen Macarien / und kühlete das befeurete Verlangen / an den erkalteten Wangen /mit solcher Freudigkeit / daß ihn die Zufriedenheit selber / in den Schoß / seiner Allerschönsten und Liebsten / niederlegte / und so vergnügt seyn[607] hieß. Diß war das letzte mal / daß er / an diesem Ort / zu ihr kam / darum wir billich die treffliche Reden / so sie / mit viel grösserer Liebe / unter sich vollführeten / dann vorhin geschehen / aufzeichnen / und weitläufftiger beschreiben solten: allein die geliebte Kürtze heisset uns abreissen und / mit dem Abschied Polyphili / auch das Gespräch abbrechen. Sehr betrübt scheideten sie voneinander / weil sie nicht gewiß seyn könten / wann sie sich wieder sehen würden. Darum sprach Polyphilus: Ach liebstes Kind! wann wird mich nun das Glück / mit ihrer Gegenwart / wiederum beseligen? Kan ich sie dann nicht so bald wieder sehen / wird sie mir ja vergönnen / daß ich / mit meinen ungezierten Briefen / sie bißweilen besuchen /und an die Liebe Polyphili erinnern darff. Ja / sprach Macarie / aber daß es verborgen gehalten werde / und ich nicht in bösen Beruf komme. Darüber sie sich noch einmal hertzeten / und scheideten / Polyphilus auf Sophoxenien: Macarie auf Soletten.

Nun müssen wir sehen / was die beyde / in ihrer betrübten Einsamkeit / gethan. Anlangend Polyphilum / kürtzete er die Zeit / mit dem Gedächtnus seiner Macarien / welches er nehrete / mit allerhand lustigen Gedichten / deren wir etzliche / dem beliebenden Leser zu Gefallen / hieher setzen wollen. Vor allen andern beschrieb er / so bald er heim kam / die Reden Macarien / und was sich unter ihnen beyden begeben. Auch ihre Beschreibung / der Liebe / versetzte er / mit einem solchen Gegen-Satz:


Du Honig-süsse Kost / und Preiß der Lieblichkeiten /

du Mutter früher Luft / und Schatz der besten Zeiten.

Du angenehmes Joch / du leicht geführte Last /

du ungezäumtes Wohl / und Hertz-verlangter Gast.[608]

O Liebe! Königin! vernünfftiges Beginnen /

der Freyheit Schutz und Trutz / Geburt der klugen Sinnen.

Du Herrscherin des Glücks / Zerstörerin des Neids /

Ernehrerin der Freud / Ertödtung alles Leids.

Du siegest überall / die Waffen fallen nieder /

wann du / mit deiner Macht / dich setzen magst zuwider

der falsch geschminckten Lust: du bist die wahre Freud /

vollkommen noch darzu. Kein Creutz / kein Hertzenleid /

kein Eyfer / kein Betrug / ist in dir leicht zu finden /

Verzweiflung / Furcht im Mord kanst du bald überwinden /

die Thorheit muß vergehn / wo deine Weißheit steht:

die Falschheit kan nicht stehn / wo deine Treue geht.

Du selbsten bist das Recht: drum muß die Tugend siegen /

wann dein gerechter Grimm die Laster will bekriegen;

Du achtest keinen nicht / sey Cron / sey Hirtenstab /

sey endlich wer er will; du sagest allen ab:

und lachest der Gefahr / verachtest das Verderben /

wann dein getreuer Dienst kan Tugend-Lust erwerben /

die einig nur vergnügt / und alle Laster-Gall

durch Redlichkeit versüsst: und gleich dem Gegen-schall

läst sterben / wann er kaum / und eh er wird gebohren:

so wird bey dir das Recht gefunden: und verlohren /

was Unrecht heissen will: du giebest reichen Lohn /

die Tugend ist der Sieg / den träget man davon.

Zwar achtest du Gefahr: ernehrst doch nicht die Sorgen /

was heute feindlich scheint / muß freundlich sehen morgen /

drum sparst du keine Müh / und kommst bey zeiten vor /

wann die Gefährlichkeit eröffnet hat ihr Thor /

entgegen deiner Macht / mit Unglücks-Macht / zufallen:

Dann höret man bald hier / bald dort mit Schrecken knallen

die seufftzende Geschoß; der Thränen-volles Heer

kommt mit gestürmter Hand / und ächtzendem Gewehr

entgegen seinem Feind. Das Hertz / der kluge Führer /

sicht vornen an der Spitz / und schicket die Curirer

an tausend Orten aus: der Anschlag wird gemacht /

Sinn / Weißheit und Verstand / der kluge-Naht-Bedacht /

befrenet seine Lust / und schlägt die Waffen nieder /

ertödtet seinen Feind: die Liebe freut sich wieder /

brsieget alle Klag / beherrschet alle Noth /

lebt nicht in Ungedult / ist sicher vor dem Tod.[609]

Drum Liebe / theures Pfand! die deine Lust erkennen /

und folgen dir nicht bald / sind blind und taub zu nennen /

sie hören / hören nicht / und sehn nicht / was sie sehn /

dann sonsten könten sie auch deinen Schatz verstehn.


Nach diesem gedachte er an die Frage / so sie ihm zu beantworten geben / warum er keine Jungfern lieben könne / die er mit folgenden Worten belegte:


Es wundert dich / mein Schatz! warum ich nicht könn lieben

das liebe Jungfern-Volck? Verlange mehr zu üben

des Amors süsse Lust / mit der / die du im Schertz

die Alte hast genennt? Dich meyn ich / schönstes Hertz!

Was aber wunderst du? weil du mir hast gefallen /

und immer mehr gefällst: so hab ich dich vor allen

zu lieben auch erwählt; und weil du schöner bist /

als alle Jungfern sind: diß diß / die Ursach ist.

Da / sprichst du / brauchts Beweiß! wie kan ich dirs beweisen /

wann du nicht glauben wilt / wann meine Zunge preisen

will / was das Hertze denckt? Glaubs zu Gefallen mir:

so will ichs mit der That noch wohl erweisen dir.


Diesem folgte die Erinnerung seiner Wärme und ihrer Kälte / die er / mit diesen Worten / erklärte:


Wie kommt es / liebes Kind! daß in den heissen Tagen /

du dennoch klagest Frost / wann sich die Winde jagen

ein wenig durch dein Zelt? Ists nicht so / liebes Kind!

weil man ein kaltes Hertz vor allen in dir find?

Kalt / sag ich: freylich ja! Ach! würd es bald erhitzet /

durch eine solche Gluth / dadurch mein Hertze schwitzet;

in heisser Liebes-Brunst! ich weiß / du sagtest dann:

nur Hitze / keine Kält ich jetzo klagen kan.

So folge meinem Rath! laß dich von mir entzünden

mit brennender Begierd; laß in und bey dir finden

ein lieb-erhitztes Hertz / denck offt an meine Wort:

so wird / eh du vermeynst / die Kälte gehen fort.


Den Garten redete er solcher Gestalt an / da er scheiden muste:
[610]

Es müssen stetig dich die treue Favorinnen /

du schönes Blumen-Feld! in ihrem sichern Schutz /

aufnehmen / hüten dein! es mehre sich dein Nutz

durch jenen Phaeton! Neptunus lasse rinnen

aus seinem fenchten Schoß! Auch meine Castallinnen /

die sollen krönen dich / und dein gebüschtes Haupt /

so lang kein wilder West dein blumicht Antlitz raubt.

Selbst Jupiter dich schütz! und meine Pierinnen /

mit zweyen von Parnaß; nächst dieser Princessinnen /

die dich und mich beherrscht; die sollen sämtlich gehn

um dein Geheg herum / und durch ein Lied erhöhn

heut deine Trefflichkeit. Die leisen Etesinnen

durchwehen lüfftig dich. Kein Satyr / kein Sylvan:

nur du / hertzliebes Kind! darffst kommen auf den Plan.


Das war Polyphili Arbeit: Macarie war bemühet / in seinem Buch / das sie noch immer fort bey sich behalten / die Gedichte aufs fleissigste durchzugehen / auch etzliche darinnen zu widersprechen / etzlichen nachzusingen / auch sonst vor sich weiter zu dichten / die wir aber noch nicht hören wollen: sondern was sich diesem vorzukommen bemühet / auch zu erst daher setzen.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 595-611.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Flucht in die Finsternis

Flucht in die Finsternis

Robert ist krank und hält seinen gesunden Bruder für wahnsinnig. Die tragische Geschichte um Geisteskrankheit und Tod entstand 1917 unter dem Titel »Wahn« und trägt autobiografische Züge, die das schwierige Verhältnis Schnitzlers zu seinem Bruder Julius reflektieren. »Einer von uns beiden mußte ins Dunkel.«

74 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon