Der Siebente November 1812

1812.


An meinen Bruder.


Ode.


Spartacum si qua potuit vagantem.

Fallere testa.

Horat. L. III. Od. 14.


Hervor aus innerm Schatze, Bewährtester,

Du ächter Achtundvierziger! unentweiht

Wie Tiburs Nektar, unumleuchtet

Du, von des Spartacus Mordbrandsfackel.


Längst glomm ihr Zunder, mählig emporgefacht

Flammt Gluthenlohe, tanzet auf Trümmerschutt,

Im Saturnalgelage, trotzend

Heiligen Maalen, die freche Rotte!


Hervor! was säumst du? Auf! du Gebanneter,

Nun fünfundsechszig Herbste, du Lebenshauch,

In schwachen Scherben, doch selbst dieser

Saugt aus dem Gaste sich Kraft und Wärme.
[263]

Wißt, heut' ist Feier! Kränzet das Heiligthum

Der frommen Freude, zündet ihr Flämmchen, schließt

Der Halle Thore, nur das Pförtchen

Oeffne sich leise den Auserkohrnen.


Heil, Bruder, Heil Dir! Fülle des Segens – o,

Du ruhst an seiner Quelle! – beströme Dich!

Empor aus hochgehob'nem Kelchglas'

Athmet das Opfer der Herzenswünsche.


Klinget an, ihr Söhn' und Töchter und Eidame,

Mit Jedem leer' ich's! Enkel und Enkelinn,

Und's Hännschen dort im Keller! – Ha! zur

Schaar ist erwachsen der Hochgefeirte!


Auch meine Baucis bringet ihr Schärflein dar,

Im Fingerhütchen, klinget ertönend an,

Ein Tröpfchen, traun Gutedel, köstlich

Mehr als Kleopatra's stolzer Perltrunk.


Hör', Jahrgenosse! brüstest dich, feuriger

Und reger stets erglühe dein Traubenblut,

Erst Enkels-Enkel schlürf' aus deiner

Flasche den duftenden Götterbalsam.
[264]

So ich! es wallt mir immer und immerdar

Für meinen Pollur höher noch, flammender

Die Kastorbrust! Der Jahre Neige

Ebbet, doch freier und freier schwingt sich


Der Liebe Fittig, höhnet die schmählige,

Des Raumes Fessel! – Doch, o was netzet mir

Die Wange, hemmt des Sanges Flug? ist's,

Was mir die Saiten umschleicht, ist's Wehmuth?


In deinen Schleier hüll' ich, Sophia, mich,

Verzeih den Zähren, die ich an deinem Fest

Verbannte – Ach, sie schaut das Sonnen-

Auge, sie rinnen der Sterne Reigen!


Erstumme heut', o Klage! Des Wiedersehns,

Des oft erneuten Bilder, umschwebet mich,

Wenn nun der Wonne Stunde hertanzt,

Wir in die offenen Arm' uns stürzen.


Die Leyer schwieg. Da säuselt' es, gaukelt' es

Auf zarten Zehen, nahte mir, flüsterte:

»Grüß' Seine« – neigt' ein Köpfchen – »hohe

Muse, von deinem Camönen-Mädchen.«

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 261-265.
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