Klag über die lieb

[50] Mein junges herz durch und durch wund,

ohn hofnung aller hilf und gnaden,

gewartet des tods alle stund

mit pein, nicht jahren, überladen.


Jedoch die, deren ich mit not

ein opfer gleichsam muß verbrennen,

ob sie schon sihet meinen tod,

will sie doch mein leid nicht erkennen.


Sondern, gleichwie ein fels dem meer,

ist sie zuwider meinen treuen

und sperret, gnadlos, ihr gehör

aus forcht, sich ihres zorns zu reuen.


O harte ungerechtigkeit,

damit die himmel mich beschweren!

muß ich die, deren greulichkeit

mich tötet, umsunst sterbend ehren?


Wolan dan, armes herz, halt still!

»wer kan den göttern widerstehen?

sie ziehen, den, der nicht gern will,

und leiten den, der gern will gehen.«


Wan dieses tods ursach mein lob,

kan ich kaum größern ruhm erwerben;

»und das end ist des meisters prob«,

darum vil ich mit freuden sterben.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 50-51.
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