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[64] 1.
Was gedenckst du liebes Hertze?
Darffst du nicht zum Mädgen gehn?
Muß sie deinem freyen Schertze
Halbgezwungen widerstehn?
Gib dich nur gedultig drein,[64]
Du kanst doch wohl lustig seyn.
2.
Laß den blinden Eyver schelten
Und verbleibe wohl gefast,
Alles doppelt zu entgelten,
Was du nicht verdienet hast:
Uberwinde den Verdacht,
Welcher dich gehässig macht.
3.
Schütze nur dein gut Gewissen
Und der Seelen Unschuld für,
Wirstu was verlieren müssen,
So gedencke daß du hier
Noch auff eine kurtze Frist
Fuß zu halten willens bist.
4.
Wirff die Augen auch zurücke
Auff das allererste Jahr,
Als dein eingebildtes Glücke
Noch in weitem Felde war,
Hast du da von keiner Lust
Eben als wie itzt gewust.
5.
Drum so gib dich bald zufrieden,
Denn der ungebundne Geist
Wird von dir nicht abgeschieden,
Biß der Lebens-Faden reist,
Dessen Freyheit stellet dir
Zeugs genug zum lachen für.
6.
Doch es schmäckt gewaltig süsse,
Wann die edle Freundlichkeit
Durch die Grüß und Gegengrüsse
Sich von Tag zu Tag erneut,
Wann der Arm den Leib umschlingt,
Und der Mund die Seele zwingt.
7.
Ist auch irgend eine Freude,
Die uns also sanffte thut:
Ach wie wallt das Eingeweide
Wie erzittert Marck und Blut,
Wann die liebste sich geneigt,
Nur in blossen Minen zeigt.
8.
Schweig mein Hertz, was wilst du machen,
Dencke nur nicht mehr daran:[65]
Haben dir die süssen Sachen
Ja vor diesem wohl gethan;
Ey so stelle Schertz und Pein
Nach des Glückes Willen ein.
9.
Wilst du dich an eine binden?
Nein du wirst die gantze Welt,
Voll verliebter Seelen finden,
Wo dir ja solch Thun gefällt:
Eine schad fürwahr nicht viel,
Immerhin was lauffen wil.
10.
Suche deine guten Brüder
Nimm die Karten und ein Glas
Singe neue Possen-Lieder,
Seele, wie gefällt dir das?
Gelt es geht so lieblich ein,
Als wann wir beym Mädgen seyn?
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