7. Er giebet sich über dem Verlust seiner geliebten Marilis zufrieden

[64] 1.

Was gedenckst du liebes Hertze?

Darffst du nicht zum Mädgen gehn?

Muß sie deinem freyen Schertze

Halbgezwungen widerstehn?

Gib dich nur gedultig drein,[64]

Du kanst doch wohl lustig seyn.


2.

Laß den blinden Eyver schelten

Und verbleibe wohl gefast,

Alles doppelt zu entgelten,

Was du nicht verdienet hast:

Uberwinde den Verdacht,

Welcher dich gehässig macht.


3.

Schütze nur dein gut Gewissen

Und der Seelen Unschuld für,

Wirstu was verlieren müssen,

So gedencke daß du hier

Noch auff eine kurtze Frist

Fuß zu halten willens bist.


4.

Wirff die Augen auch zurücke

Auff das allererste Jahr,

Als dein eingebildtes Glücke

Noch in weitem Felde war,

Hast du da von keiner Lust

Eben als wie itzt gewust.


5.

Drum so gib dich bald zufrieden,

Denn der ungebundne Geist

Wird von dir nicht abgeschieden,

Biß der Lebens-Faden reist,

Dessen Freyheit stellet dir

Zeugs genug zum lachen für.


6.

Doch es schmäckt gewaltig süsse,

Wann die edle Freundlichkeit

Durch die Grüß und Gegengrüsse

Sich von Tag zu Tag erneut,

Wann der Arm den Leib umschlingt,

Und der Mund die Seele zwingt.


7.

Ist auch irgend eine Freude,

Die uns also sanffte thut:

Ach wie wallt das Eingeweide

Wie erzittert Marck und Blut,

Wann die liebste sich geneigt,

Nur in blossen Minen zeigt.


8.

Schweig mein Hertz, was wilst du machen,

Dencke nur nicht mehr daran:[65]

Haben dir die süssen Sachen

Ja vor diesem wohl gethan;

Ey so stelle Schertz und Pein

Nach des Glückes Willen ein.


9.

Wilst du dich an eine binden?

Nein du wirst die gantze Welt,

Voll verliebter Seelen finden,

Wo dir ja solch Thun gefällt:

Eine schad fürwahr nicht viel,

Immerhin was lauffen wil.


10.

Suche deine guten Brüder

Nimm die Karten und ein Glas

Singe neue Possen-Lieder,

Seele, wie gefällt dir das?

Gelt es geht so lieblich ein,

Als wann wir beym Mädgen seyn?

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 64-66.
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