20.
Wie die liebe, so Reinhart zů Rosamunda trůg, durch einen neidigen ritter geöffnet ward.

[240] Die liebe dieser liebhabenden menschen so krefftiglichen zünam, das sye zů beiden seiten kein rechte freüd nit gehaben mochten, wo eins des ander nit sehen mocht; kein ander begeren hatten, dann sich einmal allein bei einander zů finden. Nun was an des künigs hoff nyemandts, dem semliche lieb kundt war oder so sein ye wargenummen hett, dann ein ritter, welcher der junckfrawen Rosamunda lang zeit heymlich lieb[240] getragen hat, aber nye kein gnad bei ihr hekummen mocht. Der ritter war genant Orwin, eins freüdigen und dürstigen gemüts, sein hertz im allein stund auff unfriden, zanck und hader anzůrichten; es was auch sein grosse freüd, so er sich mit eim zancken und hadren mocht. Deshalb er zům dickern mal ein lerrmann an dem küniglichen hoff anbracht, darumb ihm dann Rosamunda ir huld nit geben wolt. Als sich nun der ritter Orwin umbsunst fechten meynet, gedacht er ihm, womit er doch der junckfrawen möcht ein leyd beweisen.

Eines tags sich begab, das Rosamunda in einem garten gantz einig spacieren gieng; von ungeschicht Reinhardt auff einem gang an dem palast spacieren gieng, darab mocht er in den schönen garten sehen. Rosamunda in zůstund erblickt hat, im freündtlich zůsprach. Des Reinhart zůhand wargenummen hat, zů Rosamunda in den garten kam. Die ihn freündtlich empfieng, sye ihre schneeweisse händlin zůsamen verschliessen thetten, ein freündtlich gespräch mit einander hatten, ein yegliches dem andren sein anligen zů wissen thet, wiewol nichts anders dann alle zucht von ihnen begünnet ward. Nun begab sich, das Orwin, der ritter, auch auff dem summergang yetzund spacieren gieng, die zwey liebenden menschen in dem garten ersehen thet. Des im sein hertz von zorn erbrann, sich hinder sich an die wandt lenet, gern gesehen het, das die zwey etwas unerlichs mit einander fürgenummen hetten. Das aber nit geschah, sunder ein züchtig urlaub von einander namen. Als nun Orwin ersah, das sein meynung umbsunst was, er sich mit eim gebrecht herfürmachet unnd schrey hinab zů der junckfrawen: ›Junckfraw Rosamunda, mich beduncket, so ich mit meinem nammen Reinhart hieß unnd nit Orwin, ir würdend euch genädiger gegen mir beweisen. Aber damit ich mich gegen euch verschuldt hab, das ir mir also ungenädig seind, kan ich wol gedencken, das macht allein, das ich mich nit also in weibische händel als Reinhart schicken kan. Dann mein ding nit ist mit den ballen umbzůgon.‹

Da die junckfraw den unsinnigen ritter mit solchen fräffeln worten vernam, sye von gantzem irem hertzen seer erschrecken thet, stillschweigen von dannen schied. Reinhart ein klein vor der junckfrawen hinweggangen was, darumb er[241] die wort von dem ritter nit gehört hat. Des dann junckfraw Rosamunda wol zů můt was: dann sye in sorgen stůnd, wo er solche wort verstanden hett, nichts gůts davon bekummen wer. Darumb sye ir fürsetzt, dem jüngling semlichs zů verschweigen.

Orwin, der ritter, welcher yetz ein gantz unrewigs hertz überkummen hat, in steten gedancken was, womit er doch der junckfrawen ein unrhů zůrichten möcht. Nun was an des künigs hoff ein edler und wolgelerter bappagay, der die englisch sprach seer wol kundt reden. Der vogel hangt in mitten des küniglichen palasts, also das alles hoffgesind den vogel üben mocht und kurtzweil mit im treiben. In dem erdacht der ritter Orwin einen fundt und listigen weg zů finden; er lůgt täglich, wo er zů dem vogel allein kummen möcht, das er mit zucker und ander leckeriger kost, so dem vogel angnem was, gerist war, des nun der pappagay an ihm gantz gewont. Und so er dann dem vogel der ding gab, sprach er allweg darzů: ›Orwin, Rosamunda hat dich nit, sunder Reinharten lieb.‹ Das treib er so vil mit dem pappagey, das er die red gäntzlich von im gewonet.

Als nun der ritter vernam, das der pappagey, der vogel, an disen worten nit manglet, entzoch er im den schleck und kam nit mer allein auff den palast, sunder so er wußt allermeyst volck darauff sein, lůgt er, das er sich nit weit von dem vogel stellet. Sobald in dann der vogel erblicket, fieng er mit lauter stimm an zů schreyen und sagt: ›Orwin, Rosamunda hat dich nit, sunder Reinharten lieb‹. Das sprach er einmal [oder] sechs auff einander. So dann der falsch ritter den gewenten vogel erhort, nam er sich an, als ob er sich der red des vogels ser beschamet, und gieng allweg damit von dem palast. So dann der pappagey den ritter sah hinweg gon, hůb er noch fester an zů schreyen unnd meynt, sein entzogenen schleck damit zů bekummen.

Das geschrey des vogels bald vor dem künig erschall, der zůhandt schůff, das man den ritter zů ihm kummen hieß, des er zůhandt willig was.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 240-242.
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