63.
Wie der junckfrawen Philomena ihr allerliebster ritter einer nacht fürkam und mit einem schweren seüfftzen on alles reden wider von ir schied.

[351] Als nun des abgestorbnen ritters knecht mit dem hertzen wider in Engelandt kummen was, und aber nit weg finden mocht, das er zů Philomena der junckfrawen kummen und ir das hertz überantworten kündt. Dann sich die junckfraw, von dem an der ritter auß dem landt gefaren was, sich gantz nit sehen ließ, dann so sie es eren halben nit underlassen kundt. Sie hat auch in solcher zeit kein fröliche kleydung nye angelegt sunder als eine, so ire liebste freund verloren hett, in gantz schwartzer kleydung sich sehen lassen. Es ist auch nit ein klein von ir schöne abgewichen, ja als wann sie mit einer schweren kranckheyt beladen wer gewesen, welches irem brůder, dem künig, nit kleinen schmertzen bracht hat. Dann er sie zům dickern mal understund davon abzůwenden; die junckfraw aber gantz keinen trost annemmen wolt.

Eines tags begab es sich, das der künig aber zů seiner schwester in ir gemach kummen was, sie aber von irem fürnemmen vermeynt abzůwenden, auff semliche meynung mit ir anhůb zů reden: ›Mein allerliebste schwester Philomena, was ist doch das, so dich also in schwere gedancken gesetzt hatt? Ich bitt, mir das anzeygen wöllest. Fürwar kein ding auff erden nit sein soll, so es mir anderst müglich ist zů bekummen, es soll dir werden. Du solt mir aber keineswegs dein anligen verhalten.‹

Die junckfraw Philomena, wiewol sie noch nie ir hertz gegen irem brůder auffgethon hat, noch bewegt er sie mit seinen gůten worten, das sie ims nit lenger verbergen wolt; dann sie meynet, so der künig ye hören würd, was irs fürnemmens wer, er würd sie irs begerens geweren. Darumb hůb sie an und sprach: ›Allerliebster brůder und herr, ir sond wissen, das ich nye willens gewesen bin euch mein anligen zů entdecken. Dann mir ist zůvor wol wissen, das euch die ding unverborgen seind. Damit ich euch aber ein gantzen[352] entscheyd geben mög, so ist das mein entlich fürnemmen und meynung, nymmer kein küniglich kleinot anzůlegen, so lang ir mir nit meinen allerliebsten ritter zů kummen verschaffen, welchen ir von meinetwegen befohlen hand mit tödtlichem gifft hinzůrichten. Das aber gott gewendt hat; dann der, so im das netz gespannen hat, selb darin gefallen ist. Wo aber mein außerwölter ritter hinkummen sei, mir gantz verborgen ist, allein das ich sorg, ir habendt im so lang nachgestellt, das er umbkummen sei. Gott wolt, ich das wissen möcht! Ich wolt im ein trewe nachfolgerin sein.‹

Als nun der künig das steiff fürnemmen seiner schwester vernam, auß falschem hertzen also zů ir sprach: ›Schwester Philomena, biß getröst! Glaub mir, solt ich gewißt haben, das du also ein grosse liebe zů dem ritter getragen hettest, er solt von meinem hoff nit kummen sein. Ich hab aber sorg getragen, dir sei die liebe des ritters zůwider und, wiewol du sein nit achtung gehabt, noch möcht er dich mit seinem wesen in ein verdacht bracht haben; das mir dann deinethalb seer leyd gewesen wer. Doch so biß getröst und stand auff! Dann ich mit allem fleiß nach dem ritter will fragen lassen. Ist er noch bei leben, er soll in kurtzer zeit wider an meinen hoff kummen.‹

Die junckfraw sprach: ›Das wöll gott! Aber ich besorg, die wort und hertz, so ir mir versprechen, nit gleich seiendt, oder aber stat es nit wol umb den edlen unnd theüren ritter Gabriotten. Dem aber sei, wie im wöll, so würt mich kein mensch nymmer frölich sehen, ich hab dann ein gewissen bůchstaben von meinem lieben Gabriotten.‹ Der künig seiner schwester von newem versprach, nach dem ritter zů fragen; also urlaub von ir nam, von dannen gieng.

Die junckfraw wider anhůb nach Gabriotten zů gedencken. In dem die zeit kam, das man zů rhů gon solt. Philomena sich zů bett niderlegt, nach langem weynen und klagen entschlieff. In dem schlaff bedaucht sie, wie sie iren allerliebsten Gabriotten in einem weissen kleyd vor ir ston seh, welcher sie mit einem dieffen seüfftzen und trawrigen angesicht ansehen thet, also ungeredt von ir schied. Die junckfraw im mit gantzer begierd nachsah; als sie aber marckt,[353] das er von ir gohn wolt, hůb sie an mit lauter stimm zů schreien: ›O mein ritter Gabriott ker wider zů mir, deiner allerliebsten junckfrawen!‹

Die junckfraw also mit voller stimm geschrawen hat, das sie selbs auß dem schlaff erwachet, deßgleichen ire kammerjunckfrawen erweckt hat. Deren eine schnell auffstund, zů der junckfrawen kam, sie fraget, was ir gebrech. Die junckfraw züchtiglich antwort: ›Nichts‹, sprach sie, ›dann das mich ein schwerer traum angefochten hat. Gond hin und seind rüwig!‹ Als nun die junckfraw von ir gieng, Philomena die übrig nacht nirgendt mit anderst dann mit weynen, seüfftzen und klagen zů vollem zů end bracht, so lang der morgenstern die duncklen wolcken mit seinem liechten schein verjagen thet.

Die junckfraw auffstund, on alles rumor auß der kammer gieng zů Rosamunda gemach, an dem sittlichen anklopffen thett. Die junckfraw Rosamunda, welche yetzundt auch ihren schlaff geendt hat, das züchtig klopffen wol erkannt. Derhalben bald uffstund, sich, so schnellest sie mocht, anthet, die kammer auffschloß, ir allerliebste junckfraw empfahen thet; ires frügen auffstons wunder nam.

Philomena nit lang verzog, zů Rosamunda sprach: ›Ach mein allerliebste junckfraw, ich bitt, on alles saumen mit mir in mein gemach gon wöllest. Dann ich fürwar sunst von allen meinen sinnen kummen můß; dann gewißlich würd ich in kurtzen tagen ein schwere und trawrige bottschafft von meinem allerliebsten ritter vernemmen.‹ Die junckfraw Rosamunda sich nit lang saumet, mit Philomena zů ihrem gemach gieng, allda sie die thür noch offen fanden. Hinein giengen, zůsamen sassen, ir leyd einander klagten, den tag also in grossem trawren vertriben.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 351-354.
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