66.
Was grosser klag der künig von seiner schwester todt empfangen hat, auch wie sich Reinhart in disem handel gehalten hat.

[362] Demnach Philomena die junckfraw verscheyden was und nun solche mär für den künig, iren brůder, kam, von großem schrecken nit wissen mocht, wes er sich halten solt, schnell und bald zů seiner schwester gemach lauffen thet.

Als er aber sie gantz verscheyden sah, anhůb kläglich zů weynen und sprach: ›O Philomena, du mein allerliebste schwester,[362] wee mir, das ich ye an deinem todt schulding ward! Ach gott, ich bin dises ellenden todts allein ein ursach. Nun hab ich mit meinem neidigen ratschlagen drei junger edler menschen ubbracht. Wie mag mir doch semlich immer vergeben werden! O des jämerlichen ellenden anblicks, so ich an dir, mein liebste schwester Philomena, sehen můß! Ach, warumb hab ich nit den edlen Gabriotten an meinem hoff bleiben lassen! Was ühels hab ich doch je von im gehört! Gott wolt, das ir beyde noch in leben weren. Mich solt kein müh noch arbeyt rewen, so lang ich den edlen Gabriotten ankummen möcht und in für einen schwager haben. O gott, wer würt mich gegen dir immer und ewiglich entschuldigen, dieweil ich durch mein bösen anschlag mein allerliebste schwester sampt zweyen edlen jünglingen umbbracht hab! O du unstätes glück, wie kanstu die menschlich hoffnung in so schnelles klagen und trawren verkeren! Nun was ich heüt morgen einer semlichen hoffnung, mein schwester solt ires ritters gantz vergessen, so sie vernem, das er nit mer in leben were. O Philomena, das ist nit die zůsagung, wie du mir versprochen hast, als du sagtest, ich solte dir gwisse bottschafft von deinem ritter verkünden, du woltest von deinem trawren abston. Ja, dein trawren hat sich geendt, aber mir zů einem grossen nachteil. Ich aber hah nit mögen verston, wie du ein solchs gemeynt hast, jetzundt aber sih ich augenscheinlich. Gott von himmel müß sein erbarmen.‹

Solche und dergleichen klag der künig lang füren thet. Die leydig geschicht yetzundt uff dem palast erschallen was. Als nun die rät des künigs die sach vernummen, hand sie sich schnell zů dem künig in seiner schwester gemach gefüget. Da sie den künig in grossem klagen und jämerlichen geberden ob der todten leich ston fanden, so best sie mochten, in trösten theten. Aber alles umbsunst was; dann sein klag sich keinswegs mindret, sunder krefftiglich zůnam und meret. Als nun die fürsten und herren semlichs spürten, einer under in den künig mit sanfften worten straffen thet und in von seinem fürnemmen eines teils abwandt und dannen fürt. Rosamunda aber und Laureta ir klagen und weynen erst anfiengen.

In dem die mär auch für Reinharten kam, wie Philomena[363] verscheyden wer. Er aber mocht die ursach irs schmellen todts nit wißen; durumb er sich dann offt zů Laureta gemach füget, aber nit fand; dann sie noch bei der abgestorbnen leich ir weynen und klagen vollbringen thet. Die nacht also anfiel. Der künig zů Laureta und Rosamunda schicket, sie bitten ließ, das sie die nacht bei der leich bleiben wolten; das sie dann mit geneygtem willen vollbrachten. Darumb Reinhart dest minder zů Laureta kummen mocht, damit er die ursach hett mögen vernemmen, warumb doch Philomena so schnell von diser weit gescheyden wer.

Sich also in grossem unmůt zů bet niderlegt. Mancher frembder gedancken im seines gesellen halben fürkam, aber nye gedacht, das er todt sein solt. Er lag also die gantz nacht ungeschlaffen, nichts anders thet dann an seinen allerliebsten Gabriotten zů gedencken. ›O mein allerliebster gsell und brůder‹, sprach er, ›nun was wilt du sagen, wann du vernimmpst, das die, so du ob aller weit lieb hast, also schnell mit todt abgangen ist! Fürwar dir würt nichts anders daruß folgen, dann das du den übrigen teyl deins lebens mit grossem schmertzen und klagen beschließen und enden würst. O mein allerliebster Gabriotto, wie wiltu sagen, wann ich dir ein semliche trawrige botschafft zůschick, dieweil du nichts dann frölicher mär von mir warten bist!‹

Mit semlichen gedancken Reinhart die gantz nacht ungeschaffen vertreiben thet, im solchen unmůt fasset, das in ein groser frost anstieß, nit anders meynt, dann das in ein feber ankummen wer. In dem der liecht morgenstern an dem blawen himmel erscheinen thet, die vogel in allen feldern ir stimmen erklingen ließen. Des im Reinhart ein wenig wider můt schöpffet, uffstund, sich anthet, hin und her an dem küniglichen hoff spacieren gieng, biß der tag mit vollem gewalt das gantz erdtrich erleüchtet.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 362-364.
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