2.
Wie dem Robertus sein weib inn ein grosse kranckheit falt, aber bald wider uffkummet; seine kinder aber sterbend im alle biß an sein jüngste tochter.

[127] Man sagt gewonlich und ist auch selten fäl: ›Wann einen unglück reiten will, so kumpts hauffenweis‹. Also giengs auch dem gůten Roberto. Er was bekümmert mit seim bösen nachbauren, dieweil er im allen widerdries, so er erdencken mocht,[127] zůfüget und er im dargegen gern alle freundtschafft bewisen hett, im und den seinen, aber gar umbsunst war. Es was auch die gůt Sophia nit wenig bekümmert ires haußwürts halben, umb das er ihm die sach so schwer auffnam. So sie bests mocht, understůnd sie im das außzůreden: ›Lieber haußwirt‹, sagt sie, ›was gedenckest du doch, das du dich die ding so hart last bekümmern? Nůn bedürffend wir doch, got hab lob, unsers nachbauren gar nichts. Es hatt uns gott der almechtig mit narung versehen, das wir im nit bald zů gnaden kumen dörffend. Das du dich also bekümmerst, ist ihm ein grosse ergetzligkeit und hertzliche freud; ich wolt ihm fürwar nit sovil zů gefallen thůn. Nůn haben wir doch sunst andre vil gůter nachbaurn, so uns alles gůts günnen; mit denselbigen sůch dir freud und kurtzweil! Es haben doch gemeinlich all unser nachbaurn schöne und lustige gärten, darinn sie vilmalen spatzieren gohn. Mit in wolt ich geselschafft haben und sie zů gast heim zů haus laden. Damit würstu unserm ungünstigen nachbaurn nit ein solliche freud machen, als wann du also trostmütig daheimen beleibst uff dir selb sitzen.‹

Dise und dergleichen trostung gab Sophia irem haußwirt; des er ir auch gäntzlich volget und nam im sehr vil freud mit inen. Es mocht aber das wanckelmůtig und unsteht glück dem gůten frumen Roberto die freud nit vergunnen, sunder vermischt im die mit bitterem trawren und schmertzen Dann erstlichen ward im Sophia, sein liebste gemahel, mit tödtlicher kranckheit beschwert, also das ir niemants irs lebens tröstung zůsaget. Wiewol sie in kurtzen tagen wider zů gesuntheit und krefften kumen ist, so hatt sich doch ein ander leid dem gůten Roberto zůtragen. Dann er hett vier schöner ausserlesener knaben, die im gantz gehorsam und underdienstbar waren, auch von im zů der ehr gottes in aller forcht aufferzogen; zů denselbigen hett er sechs wol erzogner schöner töchteren, die im und seinem weib fast lieb waren. Die sturben im alle nach einander näher dann in einem monat, das[128] ihm nůr die jüngst tochter under allen kindern belib. Davon im dann sein hertz möcht zersprungen sein; es mocht ihm sein leid niemandt außgereden. So gehůb sich Sophia sein weib nicht weniger übel dann er, also das keines dem anderen einen trost hett geben künden.

Es hett aber Robertus einen andren gůten nachbauren, derselbig und sein weib in aller angst und nodt nie von im gewichen waren; der redt im die sach auß, sovil im yemer müglich was. Als er aber mercket, das sein trost und außreden gar nichts verfahen wolt, gedacht er im andre mittel für die handt zů nemen. Er hett ein gůten freundt, so vil bey im auß unnd yhngieng; der was ein Holender, ein über die maß gelerter mann. Mit demselbigen überlegt er die sach der maß und sagt zů ihm: ›Mein hertzallerliebster und getrewister frünt, ich hab ein sehr grosse bit an euch zů gelangen. Wo ir mir in dem zů willen würden, möchtend ir mir grösser lieb und früntschafft nit beweisen.‹ Der gelert man hatt sich auff solche wort nit lang genumen zů bedencken, sonder gesagt: ›Gůten freunden, so anderst die freundtlicheit nit ein angenumne und falsche freundtschafft ist, will sich in keinen weg gezimmen noch gebüren etwas freuntlicher bitt abzůschlagen, ja wann die schon biß in den tod hinein reichen solt, yedoch das dieselbig nit ehrberürig sey. Darumb, mein freunt, wöllest mir deine anmůtung eröffnen; will ich dir fast gern, so mir anderst müglich, inn disem und anderem willfaren.‹

Darauff sprach der gůt nachbaur Roberti: ›Mein lieber und gůter freundt, dir ist on allen zweyfel wol küntlich mein freuntlicher lieber nachbaur Robertus der kauffman, ein mann erbars wandels, der seinem hauß wol vorstath, seine kinder, denen got genad, wol und christenlich erzogen hat, alles sein haußgesind zů der ehr gottes auffbawet, gotslesterung und andere laster geduldet er an keinem, so under seinem můß und brot sein wöllend. In summa er ist ein solcher, so yederman[129] inn seiner widerwertigkeit trösten kan; ihm selb aber ist er in seinem eygnen trübsal gantz trostlos. Es hatt sich in kurtzer zeit zůtragen, das im neune seiner lieben kinder einander nach auß diser welt verscheiden sind und im von zehen schöner kindern nit mer dann ein einige als die jüngst tochter über beliben ist. Des sich dann der mann, und nit unbillich, so gar übel geheben thůt, sein klag zů tag mert, also das im niemant die sach außreden kan. Nun aber waiß ich dich dermassen in der heiligen und göttlichen schrifft erfaren, so du dein fleis mit im understast, würst du in bald von seinem fürnemen abwenden und auff ein christliche ban bringen. Sodann hab ich die sach also angeschantzet, damit er nit mercken solt, das ich mich mit dir seinethalben bespracht hette. In meinem hauß will ich ein gůt herrlich mal zůrichten lassen, den Robertum sampt seinem weib zů gast darzů berüffen. Dann ich weis, wiewol er yetzund leidig nit gern ausgath, das er dannocht mein bitt nit abschlagen würt.‹

Diss ward also von dem gelerten man angenumen unnd das mal auff den nächst künfftigen tag harnach angeschlagen.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 127-130.
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