8.
Robertus, der alt kauffman, unnd Richart mit einander in einen schönen garten spatzieren gond; Richardus mitt gantz weiten umbschweiffenden worten kumpt an den alten, zůletst bit er umb Cassandra zům weib.

[140] Die lustigest zeit, so im jar sein mag, was yetzund vorhanden; dann die fruchtbaren beum mit irer edlen und wolschmackenden blůst fiengend an harauszůprossen, das erdtrich erzeigt sich auch mit wunsamen und schönen blümlin von allen farben und mancherley art gestaltet; so hort man die vögel allenthalben uff den zweigen mit lieblichem gesang zůsamenstimmen, gleich als wann sie umb ein kleinat kempfften und einer über den anderen vermeint zů steigen und mit gesang obzůligen. Davon es dann sehr lustig in dem feld zů spatzieren was.

Diss bewegt Robertum, den alten herren, das er zů Richarden, dem jungen kauffherren, gieng und in bat, er wolt mit im hinaus in den garten spatzieren gohn, des dann Richardus gantz willig was. Also zugent sie miteinander hinaus sunder alle diener und geselschafft, retten von manigerhand kauffmanschafft und gewerbshändlen.[140]

Zůletst fieng Richardus an und sagt: ›Mein hertzallerliebster herr Roberte, ich soll und můs euch billich einen vatter und meinen allerbesten freunt bekennen. Dann ich nit wissen mag, das mir von meinen fründen allen die wenigst freundtschafft widerfaren sey, so ihr mir bewisen hand. Dann ich zůvorderst gott die ehr geben will, dieweil ich waiß, sunder sein hilff und ewere vilfaltigen und bewisenen gůtthaten wer mir nit wol müglich gewesen lebendig von dem schiff zů kummen. Darzů habend ir mich erst, als mir zů land kummen sind, in ewerem haus mit den allerbesten wartungen zů meinen krefften bracht. Das alles mir nit müglichen zů vergleichen ist. Ob ich euch schon als mein gůt, und was ich vermag, darfür geben solt und mich darzů für einen leibeigenen knecht willig in ewer dienst ergeb, möchte es dannocht nimmermer vergolten sein. Darumb, mein allerliebster herr und vatter, bitt ich euch, ir wöllen mir zů verston geben, wardurch ich doch solche überschwenckliche gůtthat vergelten mag, damit ich nit als ein undanckbarer gast geachtet werden möcht. Dann es sagen die alten, das kein grösser laster weder undanckbarkeit möge funden werden.‹

Darauff antwurt Robertus: ›Holtseliger lieber Richarde, es ist noch nit an dem, das wir von einander schaiden noch unsre fründtschafft zertrennen wöllend. Dieweil du wider zů deiner gesuntheit und krefften kummen bist, wend wir erst ein fröliche zeit mit einander haben, will uns anderst der allmechtig ein semlichs günnen. So dirs gefalt, magstu dein handel gleich so wol bey mir füren, als wann du in Hispanien werest. Ich will dir ein eygen contor und gewelb ihngeben, darinn soll dich niemant nit hinderen; und bleib so lang bey mir, als dir mein haußhaltung und kost gefallen thůt! Mir hat got der herr zů wasser und land vil glücks verliehen, auch seer gros gůt bescheret; das will ich mit lieben und gůten fründen brauchen, so lang ich leb. Dann es soll das gůt nit mein, sunder ich will sein herr sein, niemant hatt mir darein zů reden. Ich hab doch nit mer dann ein einige tochter, bin auch sunst keiner kinder mer warten; sie würt dannocht nach meinem absterben gůts genůg finden.‹

Daruff sagt herr Richart: ›Herr, ir habt fürwar ein schöne[141] tochter. Der ewig got geb euch genad, das ir sie nach ewerem wolgefallen verheuraten! O wie ein säliger jüngling ist der, welchem ein semliche schöne braut an seine arm kumen sol! Ich sag bei meiner selen, wann mir ein solche junckfraw in Portugal zů einer ehegemaheln zůston möcht, wolt ich all mein hab und gůt in Hispanien zů barem gelt machen und in Portugal ziehen mit allem sam.‹

Robertus, der alt kauffherr, het mit gantzem fleiß auff des jungen wort acht genumen. Er ward gantz kurtz mit im zů rath und sagt: ›O mein liebster Richarde, wann ich gedencken möcht, das dir in diser sachen ernst were oder das du ein ehrliche liebe zů meiner tochter trügest, du soltest in kurtzer zeit ein freuntliche antwort von mir empfahen.‹

›Ach herr und vatter,‹ sagt Reichart, ›wie wolt ich doch ewiglichen ein solchen bedrug gegen gott verantworten, wann ich dem, der mir so vil gůtthat erzeigt, solt ein bedrug unnd die unwarheit anzeigen! Ich sag also, wann ich so gůt binn, das ihr mich für ein tochterman haben wöllend, so stand ich hie und bit euch durch gottes willen umb ewer dochter. Alles das, so einem ehrenmann zůston mag, will ich mich allzeit befleissen und darneben ewer dochter schon und ehrlich halten, wie dann einem ehrlichen mann gebürt. Darzů steth mein hertz und gemüt gäntzlich, bey euch zů bleiben und zů wonen; dann mir vätterliche trew von euch bewisen.‹

Darauff antwort Robertus: ›Dieweil es dann, mein allerliebster Richarde, die meinung hat, so sey dir auff meinem theil mein dochter zůgesagt. Mir aber wil dannocht gebüren, die můter und die dochter darunder anzůsůchen, damit harnach kein verwiss daraus ervolgen thüe. So wolt ich auch sie, die dochter, nit gern zwingen, das sie wider iren willen einem jüngling oder witwer solt vermehelt werden, zů welchem sie keinen willen het; wiewol etliche und vil vätter und mütern der neigung sind, ihre kinder etwan von grosses gůts wegen an ein ort wider unnd über iren willen zů stossen, da sie weder gunst, liebe noch willen hin haben. Was aber zů zeiten aus solcher vermählung gůts erwachset, sicht man leider zů vil wol, ja das offt die alten ir händ ob den köpffen zůsamenschlagen müssen. Dann es nit sehr lang und noch[142] in frischer gedechtnus ist, das ein gůter edelman seiner töchteren eine versorgen und einem alten edelman, der ir gar zůwider was, geben wolt; sie aber erfůr die sach, wolt der hochzeit nit warten, nam ires vatters karchknecht zůr ee, und sovil sie mocht raum und blatz haben, packt sie irer kleider zůsamen und fůr mit im darvon; habend beid lang mit einander gehauset, vil schöner und lieber kinder sidhar gezeuget. Darumb, lieber Richhart, sag ich das, damit mein tochter nit über nacht ursach hett mit mir zů zürnen, wann ir etwan ein wentzig mit einander stössig würden und sie sagen möcht, ich het sie gezwungen, einen man zů nemen, so mir und nit ihr gefallen het.‹

Daruff sagt Richart: ›Von gantzem grund meins hertzen solt mirs leid sein, es wer gleich ewer tochter oder ein andere, solt ich deren wider iren willen vermähelt werden. Was lieber stund würden wir doch bey einander haben!‹

Als sie nůn mit disen und deren gleichen reden ir zeit vertriben, bis das es umb den ymbis war, da zugen sie mit einander zů haus gantz frölich. Dann sie wol vermůten kunden, das die sach einen fürgang haben würd.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 140-143.
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