39.
Wie es Lasaro und Reicharten auff dem meer ergangen ist, auch wie sie gehn Antdorff ankumen sind.

[226] Jetzund wöllend wir ein zeitlang Cassandra und Lucia lassen ir zeit bey einander vertreiben unnd wöllend sagen, wie es Reicharten und Lasaro dem jungen gangen. Der gůt jung Lasarus was in grossem unmůt; so was ihm auch ungewon auff dem wütenden meer zů faren, das war auch sein erste ausfart. Ihm ward auch die müterlich kuchen nit nachvolgen. Dise und andere mehr zůfallende ursachen machten den gůten jungen dermassen so kranck und schwach, das Reichart seinethalben in grossen sorgen stůnd.

Es war von ungeschicht ein hochgelerter alter man, ein doctor, uff dem schiff. Zů dem thet sich Reichart und thet in uffs fründtlichst bitten, wo im müglich wer, das er den knaben zů krefften unnd gesundtheit bringen möchte, solt er kein müh an im sparen; im solt seiner müh und arbeit ehrlich[226] und wol gelonet werden. Der doctor was ein geborner Engellender, wonet aber zů Antdorff und was allein darumb zů Lisabona gewesen, das er materialia einkaufft het; dann er ein eygne apoteck zů Antdorff hielte. Er was von natur ein früntlicher und gütiger man, den leuten geneigt zů dienen. Bald füget er sich zů dem jüngling, begriff im seinen puls und besahe im seinen harn; da befand er, das im gar nichts von sorglicher kranckheit gebrechen thet, dann das er sein hertz mit zů vil melancoley und unmůt beschwären thet. Diss zeigt der gemelt doctor Reicharten an, sagt im dabey, wo der jüngling nit von solchem unmůt abliess, were zů besorgen, das ein schwerers daraus volgen würd und dörfft semlichs zůfals umb sein leben kumen.

Als Reichart diser ding bericht empfieng, fügt er sich zů Lasaro, strafft in mit gůten früntlichen worten, bath in sein unmůt hinzůlegen, dann im wer fürnemlich zů bedencken, was kummers und unrhů er seinen älteren zůfügen und stifften würd, wo er also an der fremde und sunderlich uff dem meer sterben solt, dieweil er ein einiger sůn seiner ältern were. Er solt im solchen unmůt nemen; wann er über ein [jar] in Brabant nit bleiben möcht, wolt er in wider mit im in Portugal füren. Durch dise früntliche wort und zůsprechen ist Lasarus gleich als vom todt erquickt worden, hat wider angefangen essen und mit andren jungen, so auff dem schiff waren, leichtsinnig zů sein.

In kurtzen tagen aber sind sie zů Antdorff ankumen. Da hat man zůvor und ehe alle stück büchsen, so auff dem schiff gewesen sind, abgeschossen und vil zeichen der frölichen ankunfft sehen lassen. Nit minder sind sie auch von den Brabendern empfangen worden mit grossem jubilieren und frolocken. Als sie aber nůn ab dem schiff gangen sind und in die statt Antdorff kumen, Lasarus yetz die grossen und zierlichen schönen gebew ansichtig worden ist, deren er in Portugal keinen gesehen, hat er im die statt über die mas wol gefallen lassen. Des dann Richardus sunderlich wahrgenumen hat, gedacht in im selb, jetzund würt der sachen wol rhat zů finden sein.

Richart hat gůte kuntschafft zů Antdorff gewißt, ist in[227] die best herberg gangen, den wirt umb die herberg angesprochen. Der aber hat in vor langem erkant und derhalben früntlich empfangen. Als es nůn umb den nachtimbis worden, sind sehr vil kaufleut von der bursch kumen, so dann alsampt herberg bey gemeltem wirt gehabt. Under disen was ein junger Portugaleser, dem Lasaro sehr wol bekant. Sobald er den Lasarum ersehen, hat es in größlich erfrewet; dann sie zů Lisabona schůlgesellen mit einander gewesen waren. Sie sprachen einander früntlich an; der jung hies mit namen Ferdinandus und was eines sehr waidlichen geschlechts zů Lisabona. Es hett in sein vatter gehn Antdorff gethon, das er im factorieren solt, welchs dann Ferdinandus gar dapffer und wol ausrichtet. Also sassen sie zůsamen über tisch, wurden herlichen und wol tractiert. Lasarus yetz wider erquickt war; dieweil er einen gesellen gefunden het, lies er im die sach nit mehr so schwer anligen als vormals.

Als nůn der nachtimbis mit grossen freuden geendet was, begert yederman an sein rhů, insunderheit diejenigen, so ab dem schiff kumen waren; die ward nach gůtem gemach belangen, dieweil sie nit vil rhů auff dem schiff gehabt hetten. Sie vertriben die nacht mit süssem schlaff. Das macht, das sie lang auff dem meer gefaren und wenig rhů gehabt hetten.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 226-228.
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