48.
Wie der falsch wirt gleich in derselbigen nacht understůnde Lasarum umbzůbringen und aber seinen eygnen sůn erstach und in das meer warff.

[251] Es begab sich gleich an demselbigen tag, das Lasarus von einem kauffman zů gast geladen ward, das er das morgenmal bey im essen solt, deßgleich den nachtimbis; dann er het sunst gar vil ehrlicher kaufleut zů gast geladen, so aus fremden landen zů Venedig waren.

Diss hett der wirt eben wargenumen. Und als er yetzund vermeint, er und sein weib werend allein bey einander in der kamern, hatt er mit ir angefangen zů reden und gesagt: ›O hausfraw, was grossen schmertzen und betrübnus mir[251] bringt, das ich dem ungetrewen und stoltzen Portugaleser unser tochter zům weib angebotten hab, kan ich dir nit gnůgsam erzalen; dann so offt und ich in anblick, sich mein hertz in meinem leib umbwendet‹. Daruff sagt die fraw: ›Hast du doch macht, das dů ihm dein herberg abstricken magst!‹

›Ach,‹ sagt er, ›alsdann würd ich uns alle gar erst in ein gros geschrei bringen. Dann alsbald er aus dem haus kem, würd er allenthalben ausschreyen, im wer die herberg darumb verbotten, das er unser tochter nit zům weib hett haben wöllen, wie dann auch war ist. Dann ich wais sunder allen zweifel, das er noch in langer zeit hie nit hienwegfaren wirt.‹ Daruff sagt die fraw: ›So müßt man ein andren weg für die hand nemen, damit wir sein abkumen möchten‹. Da sagt der wirdt: ›Hausfraw, merck, was ich mich kurtz besunnen hab! Es wirt noch hinacht der Portugaleser zů gast außgon zů morgen und zů nacht. So wais ich, wann er haimkumpt, wirt er wolbedruncken und bezecht sein. Wann er dann in dem ersten schlaff ist, will ich in mit seinem eygnen wehr umbbringen und demnach in das wasser werffen; alsdann mag uns alles sein gůt, so er bey im hat, beleiben.‹ Diser rhat wolt der frawen gar nit gefallen, und widerriet dem mann semlichen mordt. Er aber gedacht in im selb: ›Meinem fürnemen můs ein gnnügen geschehen, es geraht gleich wie es wölle‹. Schwig damit und gieng aus der kamern.

Es hett der wirdt ein magt, die was ein geborne Teutschin, die was in der andren kamern gestanden und alle wort von dem wirdt und seinem weib vernumen. Es erbarmet sie der jüngling gar sehr. Sie verzog, biss der jüngling von dem morgenmal zů haus kam; da fügt sie sich allein zů im, warnet in gantz trewlich, er solt gedencken und die künfftig nacht nit in dem haus ligen, dann im wer ein grausam bad zůgericht. Der jüngling dancket der magt irer gůten warnung gar fleissig, jedoch meint er nit, das im der wirt also mörderisch nach seinem leben stellen solt.

Als er nůn des abents wider zů dem kauffman kam, so in geladen het, zeigt er ihm insgehaim alle sachen an, so sich der tochter halben und auch mit der magt zůtragen hett. Sobald das der kauffman vernam, der dann auch nit ein geborner[252] Venediger was, sagt er: ›Mein lieber Lasare, ich sag dir warlich, die Venediger haben seltzame dück hinder in. Wiewol ich ein ynwoner zů Venedig bin, so setz ich doch nit gross vertrawen auff sie. Zůvor wann sie über ein ergrimbt sind, achten und trachten sie mit allem ernst, wie er hingericht werd. Mag einer das in eigner person nit zůwegen bringen, findt er bald ein riffiener, so etlich ducaten zů einer belonung nimpt, wartet uff den zů gelegner zeit, sticht ihm den hals ab. Sie sind auch gar geschwind mit iren süplin, wie dann im Teutschland nit ein vergebenlich sprichwort entstanden ist; wann einer aus Italien kumpt unnd kranck ist, bald spricht man: Er hat ein Venediger süplin gegessen. Derselbigen dir auch auff dise nacht eine möcht übergehenckt und bereit sein. Darumb du dann die gůt und getrew warnung der magd nit verachten solt. Beleib hinacht bey mir in meinem haus! Biss morgen wöllend wir zů deinem wirt gon und im sagen, das deiner gelegenheit bey im zů bleiben nicht mehr sein wölle; derhalb begerest du mit im abzůrechnen und in zů bezalen, was du bey im verzert habest. Ich hab dich aus gottes gnaden, so lang und du zů Venedig bleibest, wol zů erhalten. So ich dann gehn Lisabona kum, kan diss dein vatter und schweher wol umb mich vergleichen‹. Dise meinung gefiel dem jüngling sehr wol.

Der wirt aber het noch alle zeit ein nachgedenckens, wie er doch die sach auffs haimlichst möcht an ein ort bringen. Es was aber Lasarus und sein sůn all nacht in einer kameren gelegen, ein yeder an einem besunderen beth; so waren sie auch eines fast gleichen alters. Der wirt, damit sein sůn die nacht nit im haus were, auch von dem mordtgeschrey nit einen schrecken nem und er auch an seinem bösen fürnemen desto minder verhindert würd, nam er seinen sůn uff ein ort, sagt zů im: ›Mein sůn, ich möcht leiden, wo du auff dise nacht etwan ein gůte geselschafft wißtest, du hettest dich zů inen verfügt. Dann ich uff dise nacht ein gastung haben würd, so dir gar zůwider sein, und kan sie doch mit keinen fůgen ausschlagen.‹

Dem jungen gefiel die red gar wol; dann er sunst mehr lust zů fremder geselschafft het dann zů den, so täglich in[253] seines vatters haus zechten. Er fůr sein strass, fand im bald ein gelegne bursch, bey denselbigen sass er biss schier umb mitternacht. Und als sie yetzund wol gezecht hetten, ist er uffgestanden, haimwertz zůgangen mit etlichen gůten gesellen, so im das geleyt biss für seins vatters thür geben haben. Demnach ye einer dem andren genadet und seins wegs gangen. Der sůn hat das haus nach im verschlossen und ist zů beth nidergangen.

Diss alles hat der wirt gehört, nit anderst vermeint, dann Lasarus kam yetz von dem kauffman, der hab in haimbelaiten lassen. Und als er nůn vermeint, der jüngling wer entschlaffen, ist er auffgestanden, die kamer seines sůns heimlich geöffnet und stillerweiß hineingeschlichen. Als er aber niemands an Lasarus beth gewar worden, ist im zů sinn kummen, der jüngling hab sich voller wein getruncken und seines beths verfält, hab sich an seines sůns beth gelegt. Der ist yetzund inn seinem besten schlaaff gewesen. Da diss der wirt wargenumen, hat er von stund an sein schwert durch in gestossen, im sein hertz dermassen gerürt, das er kaum einmal ein trenser gelassen, verschaiden ist. Der wirt hat eylends den doten körpel also nackend gefaßt und hinden zů seinem haus hinausgetragen, da er das meer allernächst hatt haben mügen, hineingeworffen, nit anderst gemeint, dann es sey Lasarus der jüngling gewesen. Hatt aber des morgens der rechten mähr innen worden.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 251-254.
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