4.

Von eim radtsherren, der mit einem kind gieng.

[11] In einer statt mit nammen Freyburg saß ein reicher radtsherr, welcher mit seiner frawen noch nie in fünfftzehen jar kein kind gehebt hat; deßhalben offt etwas spans bey inen sich erhůb, daß ye eins dem anderen die schuld gab. Auff ein zeit dinget die fraw ein haußmagt, welche fast züchtiger berden was, kundt auch dem hauß wol vorstan. Ir mann gedacht in seinem sinn: ›Mein weib zeicht mich, ich sey kein nütz. Wie wer im, so ichs mit meiner magt versůchte, ob die schuld mein sey oder nit, nur daß wir auß dem zweiffel kommen!‹ Und kart sein müglichen fleiß an, ob er sy könte bereden. Die magt durch vil glatter wort und verheissen ires herren verwilget und empfacht von im ein kind.

Nun vermag aber die stattordnung alda, so ein radtsherr die ee bricht, wirt [er] von allen eeren gesetzt. Und [er] gedacht: ›Wie ist dem ze thůn? Wirdt mans von mir innen, wird ich übel bestan.‹ Und gadt hin zů seinem doctor, welcher ein gescheider man was, entdeckt im sein anligen und die grosse gfar, so im drauff stünde. Der doctor tröstet in und spricht: ›Dem ist wohl ze thůn; sind unverzagt! Gond[11] heim und legen euch ans bett und gehaben euch seer übel im bauch, und über ein tag schicken mir den harn bey euwerer frawen unnd laßt mich handlen!‹

Der radtsherr thet, wie im der doctor befolhen hat, und schickt am anderen tag die fraw zum doctor mit dem wasser. Der doctor besichtiget das wasser, und im besehen lachet er. Die angsthafftige fraw, so sy den doctor sicht lachen, betrübet sy sich fast; dann sy wußt wol, daß ir mann fast kranck lag. Der doctor spricht: ›Euwer herr ist seer kranck, und geschwilt im der bauch; dann er gadt mit einem kind.‹ Die fraw antwortet: ›Herr, wie kan das gesein? Treiben kein speywerck! Mein mann ist seer kranck.‹ Antwortet der doctor: ›Ich sagen euch die warheit; er gadt mit einem kind.‹ – ›Herr‹, sagt die fraw, ›wie gadt das zů? Es ist unmüglich.‹ Antwortet der doctor: ›Ir weiber haben seltzam glüsten, versůchens in all weg; in dem ist euwer mann schwanger worden.‹ Und sy errötet, gedacht in ir selbs einfaltigklich: ›Es mag sein.‹ Unnd fasset widerumb das hertz zů beiden henden, fragt den doctor, wie irem mann zů helffen were. Gab iren die leer: ›Bestellen ein junckfraw, die noch keins manns schuldig ist, unnd verfügens zů euwerem mann; alsdenn wirdt die jungfraw das kind empfahen.‹ Die frauw antwortet: ›Es wirts keine wöllen thůn.‹ Spricht der doctor: ›Keeren fleiß an bey zeit! Sunst verdirbt euwer mann. Dann das muß sein.‹ Noch eins spricht der doctor: ›Was haben ir für ein magt?‹ Antwort die fraw: ›Sy ist so züchtich, mag von denen dingen nichts hören, ich geschwigen erst thůn.‹ Spricht der doctor: ›Versůchends mit ir, keeren euweren müglichen fleiß an und sagen, sy mög den mann beym leben erhalten, mit verheissung einer reychlichen heimsteür; und so sy das kind gewinnt, daß irs für euwer eigen fleisch und blůt wöllen auferziehen!‹

Also schied die fraw vom doctor heimwertz zů ir magt, hielt iren den handel für mit grossem bitten und flehen. Die magt antwortet: ›Liebe fraw, halten ir mich für ein sömliche? Ich wil noch hinnacht auß dem hauß.‹ Die fraw herwider mit grosser bitt und verheissen geradt an sy hin, sy sölle doch irs manns leben ansehen; deßgleichen wölle sy daß kind für ir eigen kind erziehen und sy reichlich außsteüren zů einem[12] gůten gesellen. Nach langer hefftiger bitt verwilget die magt und legt sich zum herrn, welcher gleich in kurtzen tagen wider genaß, und die magt empfieng das kind. Also ward der sache radt, und die fraw hielt der magt alles, was sy iren verheissen hat, und bliben all bey eeren.

Wie aber die magt so bald gebar und nur die halbe zeit, 20 wochen, das kind getragen hat, gewan die fraw ein argwon und gieng wider hin zum doctor und sprach: ›Herr doctor, wie gadts doch zů, daß die magt deß kinds so bald genißt?‹ Antwortet der doctor: ›Mein liebe fraw, wundert euch das? Gredencken ir nit, daß der mann das kind 20 wochen getragen hat unnd die magt auch 20?‹ Spricht die fraw: ›Ja warlich, das ist war,‹ dancket dem doctor unnd schied von im.

Etwan ein jar darnach gieng der doctor ungeferd für die fraw, grůßt sy und lechlet; das treib er zum dickeren mal. Bey dem die fraw abnamm, daß es mit kreüteren zůgangen was, wie man spricht.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 11-13.
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