74.

Von einem kind, das kindtlicher weis ein ander kind umbbringt.

[97] In einer statt, Franiker genannt, gelegen in Westfriesland, da ist es geschehen, das junge kinder, fünff-, sechsjerige meitle und knaben, haben mit einander gespilt und haben ein büble geordnet, das sol der metzger sein, ein anders büble, das sol koch sein, ein anders sol ein saw sein. Ein meitle habents geordnet, sol köchin sein, wider ein anders underköchin, das sölle in eim gschirrle das blut von der saw empfahen, das man würst könne machen. Nun, der metzger ist an das büble hingeradten, das die saw solte sein, hats nidergerissen und mit einem messerle die gurgel auffgerissen; die ander all huben die saw, unnd die tmderköchin empfieng das blut in irem gschirrle.

In dem gadt ungeferd hinfür ein radtsherr unnd sicht dis ellendt, nimpt von stundan den metzger mit im und fůrt in in des obersten haus, welcher von stundan den gantzen radt versamlen lies. Sie sassen all über disen handel, wussten nit, wie sie im thun solten. Sie sahen wol, das es kindtlicher weis geschehen war. Einer under inen, ein alter weyser mann, gab den radt, der oberst richter solt ein schönen roten[97] öpffel in die eine hand nemmen, in der ander ein reinschen gulden, solt das kind zu im rüffen und beide hend gleich gegen im strecken. Nem es den öpfel, solt es ledig erkennt werden; nem es aber den gulden, so solt mans auch tödten. Dem wirt gefolgt, und das kind ergreifft den öpffel lachende, wirt also ledig erkennt.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 97-98.
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