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Eine klůge antwurt eines radtsherrn.

[117] In einer namhafftigen statt, deren namen ich dißmal von des besten wegen zu nennen underlassen will, sas ein reicher[117] meyer, welcher auch ein radtsfreund was und darbey ein weltweiser geschickter ley. Es was aber ein burgermeyster in derselbigen statt gar eines stettigen kopffs, grimm unnd tyrannischer art; derhalben im niemants nichts einreden dorfft, unnd entsatzt sich eine gantze burgerschafft vor im. Was er auch in seinem sinn fürnam, understund er hindurchzutrucken, es wer gleich billich oder nit.

Nun trug es sich auff ein zeit zu, das gedachter burgermeister auff einen tag von wegen der statt geschickt ward, sein ampt und burgemieisterat einem andren bis zu seiner zukunfft übergab, damit man dannocht in seinem abwesen radt und gericht halten möcht. Es trůge sich in deren zeit zu, das im radt etwas ernstliches gehandlet ward, so der statt zwing unnd bann belanget. Also geschache ein gemeine umbfrag, und sagt ein yeder sein gutbeduncken hierzu. Die frag kam auch zuletst an den obgemelten radtsfreund; der nam sich an, als wann er hart entschlaffen were. Als man in aber zum andren mal fraget, teth er dergleichen, als wann er erst aus dem schlaff erwacht wer, unnd sagt: ›Ich volgs dem obristen meyster,‹ und nant damit den, so auf dem landtag was, bey seinem namen. Es ward ye einer den andren ansehen; auch deryenig, so umbfraget, sagt: ›Wie könnend ir es dem obermeister volgen, dieweil er nit zugegen ist?‹ Bald antwurt diser: ›Darumb,‹ sagt er, ›volg ichs im. Machend irs, wie ir wellend, unnd wendend nur allen fleis an! Wann er heimkumpt und es im nit gefellig sein, wirt er das nach seinem gefallen machen. Darumb volge ichs im.‹

Dise wort bedachten unnd erwagen die andren herren gar hoch, das ein gantze statt nur auff einen man solten sehen, er hets gleich recht oder letz. Und ward diser meyer in nechstvolgender enderung eins radts deren hohen heupter eines, der dann dem burgermeyster in unbillichen sachen dapffer einredt und die sach zum theil in ein andre ordnung bracht.

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Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 117-118.
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