109.

Von dem narren im taubhauß.

[136] Es hat der hogeborn fürst, marggraff Ernst von Baden einen narren an seinem hof, der hieß Cůntz; der was hüpsch, jung und starck und gerad von person. Der gefiel einer reychen wittfrauwen, so auch in derselben statt wonet, da der marggraff dozmalen hof hielt, gar wol; derhalben sy im nachstalt. Eins tags begab es sich, daß sy in heimlich in ir hauß bracht, daß es niemandts gewar ward. Also trůg sy im gesottens unnd gebratens, deßgleychen wein und brot auff und füllet im sein haut gar voll, und hielt in also ein zeytlang bey ir im hauß heimlich verborgen; dann sy sunst gar einig on ein magt oder köchin hauß hielte.

Als nun der fürst des narren manglet und in in etlich[136] tag nitt am hof gesehen, ließ er allenthalben in der statt nach dem narren fragen, ob in yemants gesehen hette; aber man kond nit erfarenn, wo der narr hinkommen was. Das stůnd also an biß an unsers herrn fronleychnamstag, welches ein groß fest ist; alßdenn tregt man inn der procession den himmel und sacrament darunder umb. Als nun der tag kam, rust sich die gůte wittfrauw, so den narren eyngethon, auch und wolt auch zur kirchen gehn und einmal geistlich seyn; aber sy wußt nit, wo sy mit dem narren hin solt. Also besinnt sy sich und versperrt den narren in ein groß taubenhauß, so sy oben im hauß hatt, und geht sy in die kirchen.

Wie man nun mit der procession anhebt zů gehen, fieng man mit allenn glocken an zů leuten; als sy aber für der wittfrauwen hauß, darinn dann der narr im taubenhauß steckt, kamen, hielt man da still, und sang man ein evangelium. Als nun der narr das erhort, brach er das getter auf und stieß den kopff hinauß und wolt sehen, was es für ein wesen wer. Als er nun hinaußlůgt und das groß volck in der procession sieht, so ersicht er on alles geferd den marggrafen mit seinem hofgesind. Also hebt er mit lauter stimm an zů schreyen und rüfft: ›Marggraf Ernst, marggraf Ernst!‹ Der marggraf lůget umb sich, hort den narren wol rüffen, aber wußt nit, wo er was. Zůletst aber erblickt er den narren. So das der narr ersicht, spricht er: ›Marggraf Ernst, oho, ich mein, ich hab ein gůte kleine sach. Man gibt mir guten weyn und gůt brot und gůt fleisch, gsottens und gebratens, und das mir am basten schmöckt; man bacht mir gůte küchlen unnd gibt mir alles, was ich nur wil haben. Unnd wenn ich bey dir bin, so můß ich holtz und wasser tragen, unnd schlecht man mich übel darzů; und was ich sunst darzů ze schaffen hab, das wolt ich dir sunst nit sagen. Ich wil dir aber das zusagen, das ich kurtzumb nimmer zů dir wil. Darnach wüß dich zu richten!‹ Der marggraf unnd sein hofgesind sampt allem volck sahen das hauß an und fiengen an zu lachen.

Des anderen tags schickt der marggraf ein diener nach dem narren und ließ in holen. Und ward die gůt wittfrauw ires entlehneten dieners beraubt und darzů verspott.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 136-137.
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