Erstarren

[504] Erstarren bedeutet den Uebergang der Körper aus dem flüssigen in den starren oder festen Aggregatzustand; er kann infolge verschiedener Ursachen erfolgen.

So gehen manche in Flüssigkeiten gelöste Körper infolge der Verdunstung des Lösungsmittels in den festen Zustand über, entweder unter Kristallisation oder unter allmählicher Austrocknung, wenn sie amorpher oder kolloidaler Beschaffenheit sind. In andern Fällen, wie beim Erhärten des Gipses, des Zements u.s.w., erfolgt das Erstarren infolge chemischer Bindung des Wassers, mit dem die gepulverten Körper zu Brei gemischt wurden. Hauptsächlich aber bildet die Temperaturerniedrigung eine häufige Ursache des Erstarrens. – Soweit das Erstarren sich als reine Umkehrung des Schmelzprozesses darstellt, der bei der sogenannten Schmelz- oder Erstarrungstemperatur erfolgt unter Bindung derselben Wärmemenge beim einen Vorgang, die beim andern frei wird, und unter entgegengesetzter Aenderung des Volumens bei beiden Vorgängen, sei auf den Art. Schmelzen (Schmelzpunkt, Schmelzwärme) verwiesen. In einer Beziehung bildet das Erstarren beim Abkühlen nicht das genaue Gegenstück des Schmelzens bei Temperaturerhöhung: Mehr oder weniger alle schmelzbaren Körper sind der Unterkühlung oder Ueberschmelzung fähig, wenn sie im geschmolzenen Zustande abgekühlt werden. Wasser, das vor Erschütterung bewahrt wird, läßt sich bis – 12° abkühlen, ohne zu gefrieren; sobald aber das Erstarren infolge Bewegung oder sicherer infolge Hineinwerfens eines Eiskristalls beginnt, gefriert plötzlich ein großer Teil der Flüssigkeit unter Erhöhung der Temperatur bis zum Gefrierpunkt. Besonders wird das Unterkühlen erleichtert durch Bedecken des Wassers mit einer Oelschicht oder durch Abkühlen in einer Thermometerkugel, wobei das Erstarren sogar bis – 20° verzögert werden kann. In ähnlicher Weise gestattet geschmolzener Schwefel eine Abkühlung um gegen 90° unter seinen Schmelzpunkt und Phosphor eine solche um etwa 20°; auch unterschwefligsaures und essigsaures Natron sind bedeutender Unterkühlung fähig. Hierher gehören auch die Erscheinungen der Uebersättigung von Salzlösungen.


Literatur: Müller-Pfaundler, Lehrbuch der Physik und Meteorologie, 8. Aufl., Braunschweig 1879, Bd. 2, S. 132 ff.; Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik, 5. Aufl., Leipzig 1896, Bd. 2, S. 643.

Aug. Schmidt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 504.
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