Funktionen

[209] Funktionen. Eine veränderliche Größe w heißt eine Funktion einer andern veränderlichen Größe z, wenn zu jedem Werte von z ein oder mehrere Werte von w gehören; z heißt das Argument der Funktion w.[209]

Dabei braucht die zwischen w und z bestehende Abhängigkeit nicht durch einen mathematischen Ausdruck gegeben zu sein. Ist diese Abhängigkeit überhaupt nicht näher bestimmt, so ist w eine willkürliche (arbiträre) Funktion von z. Die Funktion w heißt explizit, wenn eine nach w aufgelöste Gleichung w = f (z) gegeben ist; andernfalls ist w eine implizite Funktion. Uebrigens kann w auch von mehreren Größen z1 z2 ... abhängen (Funktionen mehrerer Veränderlichen). Eine Funktion einer reellen Veränderlichen wird durch eine Kurve abgebildet, die in einer Ebene auf ein Koordinatensystem mit z- und w-Achse bezogen ist.

Bei komplexen Funktionen kommt hauptsächlich der Fall in Betracht, daß w = u + i v nicht Funktion von x und y, sondern von der komplexen Veränderlichen z = x + i y ist (sogenannte monogene Funktionen). Dann bestehen die Cauchyschen Gleichungen:


Funktionen

Eine solche Funktion hat einen Differentialquotienten d w/d z, der vom Verhältnis d y/d x in d z = d x + i d y unabhängig ist. Man bildet dieselbe ab auf der Gaußschen Ebene, indem man jedem Punkt (x, y) derselben den Funktionswert zuordnet, der dem Wert z = x + i y entspricht. Oder man bezieht zwei solcher Ebenen derart aufeinander, daß dem Punkt (x, y) der einen der Punkt (u, v) der andern entspricht. Hierdurch wird die eine Ebene konform auf die andre abgebildet.

Eine Funktion heißt stetig in einem Punkte z = a, wenn nach Annahme einer noch so kleinen Größe s die Größe δ so bestimmt werden kann, daß für eine Aenderung der Veränderlichen um eine Größe h < δ die Aenderung der Funktion f (a + h) – f (a) kleiner als ε bleibt. Der Zuwachs der Funktion kann also immer unter eine gewisse Grenze herabgebracht werden, wenn der Zuwachs des Arguments hinreichend klein angenommen wird. Unstetigkeitspunkte sind solche, in denen die Funktion einen Sprung macht, insbesondere solche, in denen sie unendlich groß wird. Ein Unstetigkeitspunkt a von w = f (z) heißt polar oder nichtpolar, je nachdem lieh eine endliche Zahl m finden läßt oder nicht, für die w1 = (z – a)m f (z) in a stetig ist. In den nichtpolaren Unstetigkeitspunkten nimmt die Funktion jeden beliebigen Wert an, z.B. ez für z = ∞. Die polaren Unstetigkeitspunkte heißen algebraisch oder logarithmisch, je nachdem sich eine positive Zahl m finden läßt derart, daß (z – a)m f (z) für z = a endlich ist oder nicht. Die nichtpolaren und die logarithmischen Unstetigkeitspunkte heißen wesentlich, die algebraischen außerwesentlich. Eine Funktion heißt unstetig, wenn sie in einem endlichen Intervall unendlich viele Unstetigkeitspunkte besitzt.

Eine Funktion heißt ganz, wenn sie für keinen endlichen Wert der Veränderlichen unendlich groß wird. Die Funktion f (z) heißt rational ganz, wenn sie für z = ∞ einen außerwesentlichen Unstetigkeitspunkt hat, z.B. z2 1; sie heißt transzendent (oder vom Charakter einer ganzen Funktion), wenn sie für z = ∞ einen wesentlichen Unstetigkeitspunkt hat, z.B. ez.

Eine Funktion ist algebraisch, wenn zwischen w und z eine algebraische Gleichung besteht, andernfalls ist sie transzendent. Bei den algebraischen Funktionen gehört zu jedem Wert des Arguments nur eine endliche Anzahl von Funktionswerten; auch können bei ihnen nur außerwesentliche Unstetigkeitspunkte vorkommen.

Eine Funktion heißt eindeutig, wenn zu einem Wert von z im allgemeinen nur ein Wert von w gehört; eine eindeutige Funktion heißt einwertig, wenn sie nur algebraische Unstetigkeitspunkte besitzt. Einwertig sind die rationalen Funktionen, und zwar die rational ganzen von der Form: w = Ao zn + A1 zn–1 + ... An und die rational gebrochenen von der Form:


Funktionen

Eine Funktion ist mehrdeutig, wenn zu jedem Wert von z mehrere solche von w gehören. Eine n-deutige Funktion wird auf n aufeinander liegenden Gaußschen Ebenen abgebildet, indem zu jedem der n Funktionswerte ein Blatt gehört. In den Verzweigungspunkten fallen zwei oder mehrere Funktionswerte zusammen; dieselben sind durch Verzweigungsschnitte verbunden, längs welcher die Blätter nicht so, wie sie aufeinander liegen, ineinander übergehen. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, daß man beim Umlauf um einen Verzweigungspunkt oft nicht zu demselben Funktionswert zurückkehrt und man daher in ein andres Blatt gelangt sein muß. Die in dieser Weise verbundenen Gaußschen Ebenen werden zusammen als Riemannsche Fläche bezeichnet.

Eine Funktion heißt monodrom, wenn man, von einem Punkt ausgehend, auf jedem Weg zu demselben Funktionswert gelangt. Eine monodrome, stetige Funktion heißt synektisch, eine mehrdeutige, algebraische irrational.

Wird ein bestimmtes Integral einer Funktion komplexer Veränderlichen zwischen gewissen Grenzen genommen, so ist der Wert desselben unter Umständen vom Integrationsweg abhängig. Ein Integral längs einer geschlossenen Kurve ist nur dann Null, wenn die Funktion unter dem Integralzeichen innerhalb der Kurve synektisch ist; ein Integral um einen Unstetigkeitspunkt a kann dagegen einen von Null verschiedenen Wert haben, nämlich den Wert 2 π i lim (z – a) f (z)| z = a, wenn diese Zahl endlich ist. Man erhält den Integralwert auch, indem man die Funktion unter dem Integralzeichen nach Potenzen von z – a entwickelt und den (Residuum genannten) Koeffizienten A – 1 des Gliedes (A – 1) : (z – a) mit 2 i π multipliziert. Punkte a, für die A – 1 nicht Null ist, heißen kritische. Hierdurch kann ein bestimmtes Integral je nach dem Integrationsweg verschiedene Werte erlangen, indem durch Umkreisen eines Unstetigkeitspunktes der Integralwert um eine Konstante (Periodizitätsmodul) vermehrt wird. Hierdurch werden Integralfunktionen wie der Logarithmus, die cyklometrischen und elliptischen Integrale unendlich vieldeutig; dieselben werden in eindeutige verwandelt durch Zerschneidung der Riemannschen Fläche vermittelst gewisser Linien[210] (Querschnitte). Diese Querschnitte werden, nachdem alle kritischen Punkte durch unendlich kleine Kreise ausgeschnitten worden sind, von einer Randlinie der Riemannschen Fläche zu einer andern derart gezogen, daß durch sie alle geschlossenen Linien auf der Fläche, die für sich allein nicht die vollständige Begrenzung eines Flächenteils bilden, zur Unmöglichkeit werden.

Man kann eine Funktion auch durch eine Potenzreihe definieren, welche nach steigenden und fallenden Potenzen von z – a fortschreitet. Dieselbe konvergiert in einem ringförmigen Gebiet, das den Punkt a zum Mittelpunkt hat. Ist a ein Punkt innerhalb dieses Gebiets, so kann man aus der ursprünglichen Reihe, indem man z – a = (z – a1) – (a – a1) setzt, eine neue, nach Potenzen von z – a1 fortschreitende Reihe herstellen. Wenn diese in Punkten außerhalb des ursprünglichen ringförmigen Gebietes konvergiert, so ist damit der Definitionsbereich der Funktion erweitert und kann durch Wiederholung dieser »Reihenfortsetzung« über die ganze Ebene ausgedehnt werden.

Jede Funktion w = f (z) kann umgekehrt werden, indem man z = φ (w) als Funktion von w betrachtet. Eine algebraische Funktion liefert bei der Umkehrung wieder eine solche, eine unendlich vieldeutige Integralfunktion hingegen eine periodische Funktion, d.h. eine solche, die sich nicht ändert, wenn die Veränderliche um eine gewisse Konstante (Periode) vergrößert wird: aus w = f (z) = w + r w folgt z = φ (w + r w). Die einfach-periodischen Funktionen (z.B. die Exponentialfunktion, die goniometrischen Funktionen) nehmen alle ihre Werte innerhalb eines Periodenstreifens (Teil der Ebene zwischen zwei Parallelen), die doppelt-periodischen (z.B. die elliptischen Funktionen) in einem Periodenparallelogramm an. – Symmetrische Funktionen s. Symmetrisch.

Wölffing.

Alternierende Funktion heißt jede Funktion mehrerer veränderlichen Größen, welche ihren absoluten Wert behält, aber ihre Vorzeichen ändert, wenn man irgend zwei der Veränderlichen miteinander vertauscht. Beispiele:


Funktionen

Literatur: S. Funktionentheorie.

Mehmke.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 209-211.
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