Gebläse [1]

[327] Gebläse, Maschinen und Apparate zur Bewegung, Verdichtung und Verdünnung der Luft. Man bezeichnet sie wohl auch als Maschinen zur Ortsveränderung der Luft.

Ihrem Zwecke nach kann man vier Hauptklassen von Gebläsen unterscheiden: 1. Gebläse zu Lüftungszwecken, d.h. zur Entfernung verbrauchter, verdorbener Luft und Zuführung frischer Luft in Wohn- und Arbeitsräumen. 2. Gebläse zur Zugerzeugung bezw. Zugvermehrung bei Verbrennungsprozessen, d.h. Zuführung frischer Luft und Abführung der Verbrennungsprodukte. 3. Gebläse zum Absaugen von Luft aus geschlossenen Räumen, d.h. zur Luftverdünnung oder Erzeugung eines Vakuums. 4. Gebläse zur Verdichtung der Luft und Fortleitung nach dem Verwendungsort. Die Gebläse der dritten Klasse finden namentlich Anwendung in der chemischen Industrie zum Absaugen von Gasen, diejenigen der vierten Klasse bei hüttenmännischen Prozessen speziell zum Betriebe der Hochöfen und Bessemereianlagen.

Nach ihrer Arbeitsweise zerfallen die Gebläse in die folgenden Hauptklassen: 1. die Kolbengebläse, bei denen die Luft durch einen massiven Kolben bewegt wird; 2. die Zentrifugalgebläse, bei denen die Luft durch die mittels rasch umlaufender Flügel oder Schaufeln ihr erteilte Zentrifugalkraft bewegt wird; 3. die Schraubengebläse, bei denen ein Fortschrauben der Luft durch schraubenförmig gestaltete Flügel bewirkt wird; 4. die Strahlgebläse, bei denen die Luft durch einen mit großer Geschwindigkeit aus einer Mündung oder Düse ausfließenden Dampf-, Wasser- oder Druckluftstrahl angesaugt und fortbewegt wird. Aeltere Gebläse, die jedoch fast ganz durch das eine oder andre der vorerwähnten Systeme verdrängt wurden, sind die Glockengebläse, Kastengebläse, Kettengebläse, Paternostergebläse, Tonnengebläse, Wassertrommelgebläse und Zellenradgebläse. Sie finden sich ausführlich beschrieben in [1], worauf hiermit verwiesen sei.

Bezüglich des Antriebs der Gebläse ist Handantrieb, Dampfantrieb, Gasmotorenantrieb, elektrischer Antrieb und Antrieb durch Wasserkraft (Wasserradgebläse) gebräuchlich; letzterer ist jedoch in neuerer Zeit fast ganz durch den Dampfantrieb verdrängt. Die Handgebläse sind meist unter dem Namen Blasebälge (s. Bd. 2, S. 39) oder Balggebläse bekannt. Die Kolbengebläse zerfallen, je nachdem der Kolben eine geradlinig hin und her gehende oder drehende Bewegung ausführt, in die Zylindergebläse und Kapsel- oder Flügelgebläse. Zur ersteren Klasse gehören alle Maschinen der Hüttenbetriebe, die sogenannten Gebläsemaschinen (s.d.). Die Zentrifugalgebläse, neuerdings auch Schleudergebläse (s.d.) genannt, werden mit den Schraubengebläsen zusammen auch noch vielfach als Ventilatoren bezeichnet. Sie finden namentlich zur Grubenventilation als sogenannte Wettermaschinen die ausgedehnteste Anwendung, ferner bei Ventilationsanlagen in Gebäuden, zum Betriebe von Schmiedefeuern und von Kupolöfen in Gießereien, für Trockenanlagen, ferner zum Absaugen von Staub, Säge- und Hobelspänen bei Holzbearbeitungsmaschinen und in vielen andern Fällen mehr.

Die Schraubengebläse haben mit der vorhergehenden Klasse das Gebiet der Lüftungsanlagen in Wohn- und Arbeitsräumen gemein, während die Strahlgebläse, auch Strahlapparate, Exhaustoren genannt, außer in einigen Anwendungen zur Grubenventilation, namentlich zur Vermehrung des Luftzugs bei Feuerungsanlagen, so bei allen Lokomotiven, wo sie mit dem[327] Namen Blasrohre belegt sind, aber auch bei stationären Dampfkesseln, und endlich zum Absaugen von Gasen in chemischen Fabriken, Laboratorien u.s.w. Anwendung finden.

Vermöge der Elastizität der Luft ist jede Ortsveränderung oder Fortbewegung derselben nur möglich durch eine Druckveränderung der Luft, die ihrerseits wieder eine Volumenveränderung derselben zur Folge hat. Bei allen Gebläsen ist daher eine Anfangs- und Endspannung der Luft zu unterscheiden, und man nennt das Verhältnis beider bei einer Luftverdichtung den Kompressionsgrad, den Unterschied beider bei Luftverdünnung gewöhnlich Depression., Bezüglich der Leistung der Gebläse spricht man von volumetrischem, manometrischem und mechanischem oder maschinellem Wirkungsgrad und versteht unter ersterem das Verhältnis der tatsächlich von einem Gebläse (in bestimmter Zeit) gelieferten zur theoretischen, aus den Abmessungen und Geschwindigkeiten der Maschine sich berechnenden Luftmenge. Unter manometrischem Wirkungsgrad versteht man bei Zentrifugal- oder Schleudergebläsen das Verhältnis der vom Gebläse erzeugten Depression zu der theoretischen, der Umfangsgeschwindigkeit entsprechenden Depression, während endlich der mechanische oder maschinelle Wirkungsgrad des Gebläses das Verhältnis der aus der Luftmenge und erzeugten Depression sich berechnenden sogenannten reinen Ventilatorleistung zur wirklich auf den Ventilator übertragenen Arbeit bezw. bei Zylindergebläsemaschinen das Verhältnis der zur Kompression und Verdrängung erforderlichen Arbeit (Leistung des Luftzylinders) zur indizierten Dampfarbeit (Leistung des Dampfzylinders) bezeichnet. Die Berechnung der Gebläse geschieht unter Zugrundelegung der Gesetze der Physik und Mechanik für die Kompression der Gase bezw. bei den Zentrifugal- und Strahlgebläsen nach den Lehren der Aerodynamik (s. Bd. 1, S. 89). S.a. Baadersches Gebläse, Bakersches Gebläse, Balanciergebläsemaschinen, Bessemer-Gebläsemaschinen, Blackman-Ventilator, Grubenventilator, Kapselgebläse, Luftkompressoren, Schleudergebläse, Schraubengebläse, Strahlapparate.


Literatur: [1] Weisbach-Herrmann, Lehrbuch der Ingenieur- und Maschinenmechanik, Bd. 3, Abt. 2, Braunschweig 1880. Ferner: Hauer, Hüttenwesenmaschinen, Leipzig 1876; Ders., Die Wettermaschinen, Leipzig 1889; v. Ihering, Die Gebläse, 2. Aufl., Berlin 1903; Pernolet, A., L'air comprimé et ses applications, Paris 1876; Deny, Traité théorique des machines soufflantes, Paris 1887; Murgue, Ueber Grubenventilatoren, deutsche Uebersetzung von J. v. Hauer, Leipzig 1884; Rühlmann, Allgemeine Maschinenlehre, Braunschweig 1875, Bd. 3–4; Ser, Traité de physique industrielle, Paris 1888, Kap. 7.

v. Ihering.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 327-328.
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