Wahlverwandtschaft

[310] Wahlverwandtschaft, s. Chemische Verwandtschaft. Auf menschliche Beziehungen übertragen, was unter ausdrücklicher Beziehung auf das chemische Affinitätsgesetz zuerst Goethe (in dem Roman »Die Wahlverwandtschaften«, Buch 1, Kap. 4) getan hat, bezeichnet W. diejenige Form wechselseitiger Zusammengehörigkeit zwischen Personen (desselben oder verschiedenen Geschlechts), die weder, wie die (angeborne) Blutsverwandtschaft, auf gemeinsamer Abkunft (Einheit des Blutes) noch, wie die (gesetzlich, z. B. durch Eheschließung erworbene) bürgerliche Verwandtschaft, auf der Sanktion des (kirchlichen oder staatlichen) Gesetzes (Einheit vor dem Gesetz), sondern auf der (unwillkürlich und bewußtlos wirksamen) Anziehungskraft des gegenseitig sympathisierenden (physischen und psychischen) Gesamtnaturells der so Verwandten beruht und zwischen ihnen bei zufällig stattfindender Annäherung mit ungestümer Gewalt sich geltend macht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 310.
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