Zahnplastik

[843] Zahnplastik, die namentlich bei vielen Naturvölkern übliche Bearbeitung der Zähne, um dem Gebiß ein teils fürchterliches, teils für schön gehaltenes Ansehen zu geben. Viele Völker, namentlich Afrikas und Australiens, lassen sich die obern oder untern Vorderzähne mehr oder weniger vollständig ausziehen oder ausschlagen. In Polynesien kommt das Ausziehen einzelner Zähne als Trauerverstümmelung (s. d.) vor, die Frauen von Lapong lassen sie bis zum Zahnfleisch wegschleifen. Bei den Negern und Malaien ist Zahnfeilung, d. h. Zuspitzung der vordern Zähne, die entweder ganz spitz wie Reptilzähne oder als abgestumpfte Pyramiden behandelt werden, üblich. Auf den Sundainseln färbt man dann die abgeschliffenen Seitenflächen der Zähne schwarz (Iherings Relieffeilung); die Bantuvölker schleifen sich Einkerbungen wie die Zähne einer Säge aus. Auf Borneo und Celebes, früher auch auf den Philippinen, bohrte man in die Vorderzähne je ein Loch und verzierte es mit einem blinkenden Goldknopf, in Amerika auch mit eingesetzten Edelsteinen. Die Z. wird häufig in Verbindung mit den Pubertätszeremonien (s. Pubertät), manchmal erst bei oder nach der Verheiratung vorgenommen, zuweilen auch an Totenschädeln. Blumenbach beobachtete auch ägyptische Mumien mit spitzgefeilten Zähnen. In Amerika ist die Z. größtenteils verschwunden. Vgl. Zahnfärbung und Trauerverstümmelung; ferner H. v. Ihering. Die künstliche Deformierung der Zähne (in der »Zeitschrift für Ethnologie«, Bd. 14, Berl. 1882); Zintgrass, Künstliche Deformierung der Zähne im untern Kongogebiet (ebenda, Bd. 18, 1886); Schröder, Die künstliche Deformation des Gebisses (Greifsw. 1906); Schurtz, Urgeschichte der Kultur (Leipz. 1900) und Uhle, Die ethnologische Bedeutung der malaiischen Zahnfeilung (Berl. 1887).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 843.
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