II. Claviersachen mit Begleitung anderer Instrumente.

[57] 1) Sechs Sonaten fürs Clavier mit Begleitung einer obligaten Violine. Sie sind zu Cöthen verfertigt, und können in dieser Art unter Bachs erste Meisterstücke gerechnet werden. Sie sind durchgehends fugirt; auch einige Canones zwischen dem Clavier und der Violine kommen darin vor, die äußerst sangbar und Charaktervoll sind. Die Violinstimme erfordert einen Meister. Bach kannte die Möglichkeiten dieses Instruments und schonte es eben so wenig, als er sein Clavier schonte. Dis Tonarten dieser 6 Sonaten sind: H moll, A dur, E dur, C moll, F moll und G dur.

2) Viele einzelne Sonaten für den Flügel mit Begleitung der Violine, der Flöte, der Viola da Gamba etc. alle vortrefflich gearbeitet, und so, daß sie meistens noch in unsern Tagen von Kennern mit Vergnügen gehört werden könnten.

3) Concerte für den Flügel, mit Begleitung vieler Instrumente. Sie sind ohngeachtet des darin liegenden Kunstreichthums in Rücksicht auf Form und übrige Einrichtung veraltet.[57]

4) Zwey Concerte für zwey Claviere, mit Begleitung zweyer Violinen, der Bratsche und des Violoncells. (Fig. 11. und 12.) Das erste ist sehr alt, das zweite aber so neu, als wenn es erst gestern componirt worden wäre. Es kann ganz ohne Begleitung der Bogeninstrumente bestehen, und nimmt sich sodann ganz vortrefflich aus. Das letzte Allegro ist eine streng und Prachtvoll gearbeitete Fuge. Auch diese Gattung hat Bach zuerst vervollkommnet, vielleicht gar zuerst versucht. Mir ist wenigstens nur ein einziger Versuch dieser Art von einem andern Componisten bekannt geworden, der vielleicht älter seyn könnte. Wilh. Hieronymus Pachelbel zu Nürnberg hat ihn in einer so genannten Toccata gemacht. Allein theils war Pachelbel ein Zeitgenosse Bachs, könnte also leicht durch ihn zu seinem Versuch veranlaßt worden seyn; theils ist auch sein Versuch so beschaffen, daß er kaum in Betracht kommen kann. Ein Instrument spielt die vorgespielten Sätze des andern bloß nach, ohne im mindesten dagegen zu certiren. Ueberhaupt scheint es, als wenn Bach um diese Zeit alles habe versuchen wollen, was sich mit vielen und wenigen Stimmen ausrichten lasse. So wie er bis zu einer einstimmigen Musik herunterstieg, worin alles zur Vollständigkeit erforderliche zusammen gedrängt war, so stieg er nun hinauf, um so viele an sich schon reiche Instrumente mit einander zu verbinden, als nur möglich seyn könnte. Von seinen Concerten für zwey Claviere ging er nun zur Vereinigung dreyer Claviere über, von welcher Art man ebenfalls

5) Zwey Concerte mit Begleitung von 4 Bogeninstrumenten hat. (Fig. 13. und 14.) Bey diesen Concerten ist merkwürdig, daß außer der harmonischen Verwebung und beständigen Concertation der 3 Hauptinstrumente, auch die Bogeninstrumente ihr eigenes Wesen unter einander treiben. Man begreift die Kunst kaum, die bey dieser Arbeit angewendet worden ist. Wenn man nun noch hinzu denkt, daß diese so kunstreichen Werke zugleich so sein, Charakter-und Ausdrucksvoll sind, als wenn der Componist nur eine einfache Melodie zu handhaben gehabt hätte, wie dieß besonders der Fall im Concert aus D moll ist, so weiß man kaum, was man vor Verwunderung sagen soll. Und doch war dieß für Bach noch nicht genug. Er machte auch einen Versuch mit einem

6) Concert für 4 Claviere, mit 4 Bogeninstrumenten begleitet. (Fig. 15.) Von der Wirkung dieses Concerts kann ich nicht urtheilen, da es mir nie gelungen ist,[58] 4 Instrumente und 4 Spieler dazu zusammen zu bringen. Daß es aber vortrefflich gearbeitet sey, läßt sich aus der Vergleichung der einzelnen Stimmen sehen.

Quelle:
Forkel, Johann Nikolaus: Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig 1802 (Nachdruck Frankfurt am Main 1950), S. 57-59.
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