*297.

[293] Dresden 16ten Aprill 1789.

Nachts um 1/2 12 Uhr


Liebstes bestes Weibchen!


Wie? – noch in Dresden? – Ja, meine liebe; – ich will Dir alles haarklein erzählen; – Montags den 13ten, nachdem wir bey Neumanns frühstück genommen hatten gingen wir alle nach Hof in die Kapelle, die Messe war vom Naumann (welcher sie selbst dirigirte) – sehr Mittelmäßig; – wir waren in einem oratoire der Musik gegenüber; – auf einmal stupfte mich Neumann und führte [293] mich dem herrn von König auf, welcher Directeur des plaisirs (der traurigen Churfürst:Plaisirs) ist; – er war außerordentlich artig, und auf die frage ob ich mich nicht wollte bey Seiner Durchl: hören lassen, antwortete ich, daß es mir zwar eine Gnade seye, ich mich aber, da ich nicht von mir allein abhänge, nicht aufhalten kann – so blieb es; – Mein fürstlicher Reisegefährte1 lud die Naumannschen sammt Duschek zu Mittage: – unter dem Essen kam die Nachricht, daß ich den folgenden Tag als Dienstag den 14ten Abends um halb 6 Uhr bey hofe spielen sollte. – Das ist ganz was außerordentliches für hier; denn hier kommt man sonst sehr schwer zu gehör; und du weißt daß ich gar keinen Gedanken auf hier hatte. – wir hatten bei uns à l'hotel de Boulogne einquartett arrangirt. – wir machten es in der Kapelle mit Antoine Tayber2 (welcher wie du weist, hier Organist ist) und mit H: Kraft3 (Violoncellist vom fürst Esterhazy) welcher mit seinem Sohne hier ist, aus; ich gab bei dieser kleinen Musik das Trio welches ich H: v. Puchberg schrieb, – es wurde so ganz hörbar executirt – Duschek sang eine menge von figaro undDon Juan; – des andern Tages spielte ich bei Hofe das Neue Concert in D; folgenden Tags Mittwochs den 15 vor-Mittag erhielt ich eine recht schone Dose; – wir speisten dann beim Russischen Gesandten alwo ich viel spielte. – Nach tisch wurde ausgemacht auf eine Orgel zu gehen. – um 4 uhr fuhren wir hin – Naumann war auch da; – Nun mußt du wissen daß hier ein gewisser Häßler4) (Organist von Erfurt) ist; dieser war auch da; – er ist ein schüller von einem Schüller5 von Bach. – seine force ist die Orgel, und das Clavier (Clavichord) – Nun glauben die Leute hier, weil ich von Wieñ komme, daß ich diesen Geschmack und diese Art zu spielen gar nicht kenne. – ich setzte mich also zur Orgel und spielte. – Der fürst Lichnowsky (weil er Häßler gut kennt) beredet ihn mit vieler Mühe auch zu spielen; – die force von diesem Häßler besteht auf der Orgel in füssen, welches, weil hier die [294] Pedale stuffenweise gehen, aber keine so große Kunst ist; übrigens hat er nur Harmonie und Modulationen vom alten Sebastian Bach auswendig gelernt, und ist nicht im Stande eine fuge ordentlich auszuführen – und hat kein solides Spiel – ist folglich noch lange kein Albrechtsberger6. – Nach diesem wurde beschlossen noch einmal zum russischen Gesandten zu gehen, damit mich Häßler auf dem fortepiano hört; – Häßler spielte auch. – auf dem forte piano finde ich nun die Auerhammer eben so stark; du kannst dir nun vorstellen daß seine schaale ziemlich sank. – Nach diesem gingen wir in die Oper, welche wahrhaft Elend ist; – weist du wer auch unter den Sängerinnen ist? – die Rosa Manservisi7 – ihre freude kannst du dir vorstellen. – übrigens ist aber die erste Sängerin die Allegrandi8 viel besser als die Ferarese9; – das will zwar nicht viel gesagt haben. – Nach der Oper gingen wir nach Hause; Nun kömmt der glücklichste Augenblick für mich; ich finde einen so lange mit heißer Sehnsucht gewunschenen Brief von Dirliebste! beste! – Duscheck und Neumanns waren wie gewöhnlich da, ich gieng gleich im Triumphe in mein Zimmer küßte den Brief unzählige Male, ehe ich ihn erbrach, dann – verschlang ich ihn mehr als ich ihn las. – Ich blieb lange in meinem Zimmer; denn ich konnte ihn nicht oft genug lesen, nicht oft genug küssen. als ich wieder zur Gesellschaft kamm, fragten mich Neumanns ob ich einen Brief er halten hätte, und auf meine Bejahung, gratulirten sie mir alle herzlich dazu, weil ich täglich darüber klagte, daß ich noch keine Nachricht hätte; – die Neumannschen sind herzliche Leute; – Nun über deinen lieben Brief; denn die fortsetzung meines hiesigen Aufenthaltes bis zur abreise wird nächstens folgen.

Liebes Weibchen, ich habe eine menge bitten an dich; –

1mo bitte ich dich, daß du nicht traurig bist;

2do daß du auf deine Gesundheit achtest und der frühlingslust nicht trauest.

[295] 3tia daß du nicht alleine zu fuße – am liebsten aber – gar nicht zu fuße ausgehest

4ta daß du meiner Liebe ganz versichert seyn sollst; – keinen Brief habe ich dir noch geschrieben, wo ich nicht dein liebes Portrait vor meiner gestellt hätte.

6to et ultimo bitte ich Dich in deinen Briefen ausführlicher zu seyn. – ich möchte gerne wissen ob schwager Hofer den Tag nach meiner Abreise gekommen ist? ob er öfters kommt, so wie er mir versprochen hat; – ob die Langischen bisweilen kommen? – ob an den Portrait fortgearbeitet wird? – wie deine Lebensart ist? – lauter Dinge die mich natürlicher Weise sehr interessiren. –

5to bitte ich Dich nicht allein auf Deine und Meine Ehre in deinen Betragen Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf den Schein10; – seye nicht böse auf diese Bitte. – Du mußt mich eben dießfalls noch mehr lieben, weil ich auf Ehre halte.

Nun lebe wohl, liebste, beste! – Denke daß ich alle Nacht ehe ich ins Bett gehe eine gute halbe Stunde mit deinem Portrait spreche, und so auch beym erwachen. – Übermorgen den 18ten gehen wir ab; – du schreibst nun immer nach Berlin poste restante.

O stru! stri! – ich küsse und drücke dich 1095060437082 mal (hier kannst du dich im aus-sprechen üben) und bin ewig

Dein treuester Gatte und freund

W.A. Mozart.


Der Beschluß des Dresdner aufenthalts wird nächstens folgen. gute Nacht! –

Fußnoten

1 Fürst Karl Lichnowsky.


2 Anton Tayber (1756–1822), der spätere Wiener Hofkomponist.


3 Anton Kraft (1752–1820).


4 Joh. Wilh. Häßler (1747–1822).


5 Joh. Chr. Kittel.


6 Joh. Georg Albrechtsberger (1736–1809), damals Wiener Hoforganist.


7 Die Sängerin Rosa Manservisi, für die Mozart die Partie der Sandrina in der »finta giardiniera« geschrieben hatte.


8 M. Allegrante.


9 A. Ferrarese del Bene.


10 Vgl. hierzu den Brief vom 29. April 1782.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 293-296.
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