XVIII
51. Kindermund.

[165] Vgl. BEHRNAUER, 40 Vz. p. 288 f. und PRSOC, ṬAbd. St. XX am Ende.


Ein König, wurde krank. Da sagten die Ärzte: »[Durch] das Blut eines von seinen Eltern geschlachteten kleinen Kindes kannst du geheilt werden.«1 Da begann ein Herold auszurufen: »Wer sein Kind herbringt und es freiwillig vor mir zu einem Medikamente schlachtet, dem gebe ich soviel er nur verlangt.« Ein armer Mann hatte nun ein Kind, das brachte er mit seiner Frau zum Chalîfen. Darauf legten sie sein Haupt auf das Knie der Mutter, sein Vater fasste es am Kopf, um es zu[165] schlachten, und der König sah zu. Da lachte das Kind. »Warum lach(te)st du?« fragte es der König. Da erwiderte es: »Wenn jemand vergewaltigt wird, wendet er sich um Schutz an seine Eltern oder an den König. Ich sehe nun hier, wie meine Eltern und der König sich vereinigt haben, um mich zu ermorden; bei wem anders soll ich mich nun beklagen als bei Gott?« Da liess es der König frei und zahlte seinen Eltern seinen Preis.


52. Eine Frau begiebt sich zu einem Heilgehilfen undsagt, sie habe einen schwachsinnigen Knaben, dem der Arzt ein Klystier verordnet habe. Er sträube sich aber dagegen und rufe immer »Geld! Geld!« Sie werde ihn herbringen. Darauf begiebt sie sich zu einem reichen Kaufmanne, nimmt Pretiosen für eine hohe Summe und sagt, man möchte einen Knaben mit ihr schicken, damit er das Geld in Empfang nehme. Der Kaufmann giebt ihr seinen kleinen Sohn mit, worauf sie ihn zum Heilgehilfen führt und sagt: »Dieser ist es!« Der Heilgehilfe packt den Knaben, führt die ärztliche Verordnung aus, und unterdessen entfernt sich die Frau.

1

Der Glaube, dass durch Kinderblut Krankheiten, besonders Aussatz, geheilt werden können, ist ungemein verbreitet; vgl. CASSEL, Symb. d. Blutes, p. 158 ff., STRACK, Blutaberglaube, p. 20 ff. und KELLER, Sept Sages, p. CCXXXV.

Quelle:
Lidzbarski, Mark (Hg.): Geschichten und Lieder aus den neuaramäischen Handschriften. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1896, S. 165-166.
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