Göttersagen

[388] 15. Die Menschwerdung der fünf Alten. Quelle: mündliche Überlieferung.

Die Einzelheiten finden sich auch in der Literatur zerstreut. Die fünf Elementargeister von Erde, Feuer, Wasser, Holz, Metall sind mit einer Schöpfungssage in Zusammenhang gebracht. Diese fünf Götter finden sich auch sonst erwähnt.

Der gelbe Alte, Huang Lau, wird außer den im Text gegebenen Beziehungen auch zusammengebracht mit dem Gelben Stein, Huang Schï, vgl. Nr. 86. Daß die Lehren des Taoismus auch als die Lehren von Huang Lau bezeichnet werden, geht ursprünglich nicht auf diesen gelben Alten, sondern Huang Lau ist eine Zusammenziehung von Huang Di (der Gelbe Kaiser) und Laudsï (Laotse). Die vier übrigen Götter, die wohl zur Zeit der Handynastie aufkamen, obwohl sich Spuren von einzelnen, wie der Königinmutter des Westens, Si Wang Mu, auch in frühere Zeit verfolgen lassen, kommen im folgenden noch häufig vor.

Der Fürst des Jaspisschlosses, auch Nephritherrscher, Yü Huang Di, ist der populäre Ausdruck für den »lieben Gott«. Jaspis bzw. Nephrit hat hier nur die Bedeutung, seiner Würde Ausdruck zu geben. Es gibt im ganzen außer ihm noch 32 Yü Huangs, unter denen er der höchste ist. Er entspricht dem Indra, der im Traiyastrimsashimmel weilt, der ja ebenfalls aus 33 Hallen besteht. Die astronomische Beziehung ist hier besonders deutlich. Daß die Indramythologie sich auch sonst fruchtbar erwiesen hat, zeigt sich aus manchen der folgenden Märchen.

[388] 16. Der Kuhhirt und die Spinnerin. Quelle: mündliche Überlieferung.

Der Kuhhirt ist eine Konstellation im Adler, die Spinnerin in der Leier. Der Himmelsfluß, durch den sie getrennt sind, ist die Milchstraße. Am 7. des 7. Monats ist das Fest der Vereinigung der beiden. Der Himmelsherr hat im ganzen neun Töchter, die in den neun Himmeln wohnen. Die älteste heiratete den Li Dsing (vgl. Notscha, Nr. 18), die zweite ist die Mutter des Yang Oerlang (vgl. Nr. 17), die dritte gebar den Jahresstern (Jupiter [vgl. Morgenhimmel, Nr. 37]), die vierte lebte mit einem frommen und fleißigen Gelehrten, namens Dung Yung, zusammen, dem sie zu Reichtum und Ehren verhalf. Die siebente ist die Spinnerin, die neunte mußte zur Strafe für ein Vergehen als Sklavin auf Erden weilen. Von der fünften, sechsten und achten ist nichts Näheres bekannt.

17. Yang Oerlang. Quelle: vgl. das Fong Schen Yän Yi und das Si Yu Gi (vgl. Nr. 100).

Yang Oerlang ist ein Jäger, vgl. den Falken und den Hund, die er bei sich hat. Der Himmelhund, wörtlich der götterbeißende Hund, erinnert an Indras Hund. Der Gott kommt auch in Betracht als Bändiger der Tiergeister des »Pflaumenbergs«, vgl. Fong Schen Yän Yi, wo die Geschichte ausführlich erzählt wird. Die Vorstellung, daß ursprünglich 10 Sonnen am Himmel gestanden, von denen 9 durch einen Schützen heruntergeschossen seien, wird auch in die Zeit des Herrschers Yau verlegt. Der Schütze heißt dort Hou I oder I, vgl. Nr. 19. Hier ist statt des Schießens das Titanenmotiv mit den Bergen genannt.

»Regenwurm«. Das Surren der Maulwurfsgrille gilt in China für die Stimme des Regenwurms.

18. Notscha. Quellen: Fong Schen Yän Yi, Si Yu Gi (vgl. Nr. 100).

Die älteste Tochter des Himmelsherrn: vgl. Anm. zu Nr. 16. Im Fong Schen Yän Yi wird als Geschlechtsname der Mutter des Notscha Yin angegeben.

Li Dsing, der pagodentragende Himmelskönig, dürfte wohl auf den Donner- und Blitzgott Indra zurückgehen. Die Pagode wäre danach ein Mißverständnis für den Donnerkeil Vadjra. Dann wäre Notscha eine Personifikation des Donners, vgl. die indische Mythe, nach der Indra-Vadjrapani von seinem jüngsten Bruder verfolgt wird. Der goldene Reif ist das Tschakrarad.

Der Große Eine, Tai I, ist der Zustand der Dinge vor der Trennung in männliches und weibliches Prinzip. Der Uranfang ist eine noch weiter zurückliegende Daseinsstufe in ihrer Personifikation. Im Fong Schen Yän Yi ist eine ganze Genealogie der mythischen Heiligen des Taoismus gegeben, die sich an den Kämpfen zwischen dem König Mu von Dschou und dem Tyrannen Dschou Sin beteiligt haben. Diese Heiligen sind zum großen Teil aus buddhistisch-brahmanischen Gestalten umgebildet. Der Große Eine ist im Fong Schen Yän Yi zugleich mit der Person des alten Kaisers Tschong Tang identisch.

[389] Der Drachenkönig (vgl. Nagaradja) des Ostmeers kommt auch in der Geschichte von Sun Wu Kung, Nr. 100, vor. Über Drachen und Schlangen vgl. auch manche der folgenden Märchen.

Triton, chinesisch Yätscha, was dem indischen Yakscha entspricht. »Drachensehne«, hier das Rückenmark gemeint; Nerven und Sehnen werden nicht streng geschieden.

»Die Mutter schickte Notscha nach hinten«. Dort stellt er noch anderes Unheil an, indem er durch einen ins Blaue abgeschossenen Zauberpfeil die Dienerin der Steingöttin auf dem Schädelberg tötet. Die Episode ist hier weggelassen.

»3 Geister und 7 Seelen«: der Mensch hat drei Geister, gewöhnlich über dem Kopf, und 7 animalische Seelen.

»Notscha war an jenem Tag im Geist auswärts gewesen«: Das Götterbild ist nur der Sitz der Gottheit, den sie nach Belieben einnimmt oder verläßt. Darum muß sie beim Gebet gerufen werden durch Glocke und Weihrauch. Ist der Gott nicht da, so ist das Bild einfach ein Stück Holz oder Ton. Daher erklärt sich das scheinbar unehrerbietige Benehmen der Chinesen, wenn sie den Fremden ihre Tempel zeigen. Pu Hiän, der Boddhisatva auf dem Löwen (nach Fong Schen Yän Yi auf dem Elefanten). Indisch Samantabhadra, einer der 4 großen Boddhisatvas der Tantraschule.

Wen Dschu, der Boddhisatva auf dem goldhaarigen Berglöwen (Hou) ist der indische Mañdjusri.

Der alte Buddha des Lichtglanzes, Jan Dong Gu Fu, ist der indische Dîpa kara.

Schwarze Magie: Im Fong Schen Yän Yi werden 3 Zweige der Schule des Hung Gün genannt: Die Tsai Giau, die der schwarzen Magie ergeben ist und auf seiten des Tyrannen Dschou Sin steht. Ihr Haupt ist Tung Tiän Giau Dschou, auf den alle geheimen Sekten zurückgehen. Ferner die Tschan Giau, deren einer Vertreter Laotse, sich abseits hält, während Yüan Schï Tiän Dsun (der Uranfang) sich durch seine Schüler an den Kämpfen beteiligt. »Feuerdatteln«: Datteln- bzw. Jujuben-Lebenselexier.

19. Die Mondfee. Quelle: mündliche Überlieferung.

Die einzelnen Motive sind bei Dschuang Dsï, Huai Nan Dsï und andern erwähnt.

Der Schütze Hou I (oder Graf I, der Schützenfürst, vgl. Dschuang Dsï) wird von der Sage in verschiedene Zeiten verlegt. Er muß mit den Mondmythen zusammenhängen, denn es wird von ihm auch erzählt, daß er mit seinen. Pfeilen den Mond bei einer Finsternis gerettet habe.

Die Königinmutter ist Si Wang Mu. Vgl. Nr. 15.

Tangdynastie von 618–906 n. Chr.

»Die weiten Hallen der klaren Kälte«. Im Mond ist auch die Göttin des Eises lokalisiert.

Der Hase im Mond ist eine sehr populäre Gestalt. Er stößt die Reifkörner oder aber das Lebenselexier. Auch die Regenkröte Tschan, die drei Beine hat, wird in den Mond versetzt. Nach einer Version hat sich Tschang O in die Gestalt dieser Kröte verwandelt.

[390] 20. Der Morgen- und der Abendstern. Quelle: mündliche Überlieferung (vgl. auch Dso Dschuan).

Die chinesischen Namen für Luzifer und Hesperus sind: Tschen (oder Schang) und Schen. Sehen ist für gewöhnlich eine Konstellation in der Gegend des Orion. Auch der Stern Tschen wird im Orion gesucht.

21. Das Mädchen mit dem Pferdehoff. Quelle: vgl. Sou Schen Gi.

Die Geschichte wird in die Zeit des Herrschers Hau verlegt. Es handelt sich um eine Sage, deren Heimat Setschuan zu sein scheint. Das Pferd ist das Himmelszeichen, das über die Frühlingszeit, wenn die Seidenraupen gepflegt werden, herrscht. Daher das Mädchen mit dem Pferdekopf. Die Sage selbst gibt ja eine andere Erklärung. Außer dieser Göttin wird auch die Gattin des »Göttlichen Landmanns« (Schen Nung) als Göttin der Seidenzucht verehrt. Der Unterschied ist, daß das Mädchen mit dem Pferdekopf mehr eine totemistische Repräsentation der Seidenraupe als solcher ist, während die Gattin Sehen Nungs mehr als Schutzgottheit der Seidenzucht in Betracht kommt. Sie hat die Frauen zuerst die Seidenzucht gelehrt. Auch die Gemahlin des Gelben Herrn wird genannt. Der Volksglaube unterscheidet drei Göttinnen, die abwechslungsweise die Seidenzucht schützen. Die zweite gilt als die beste. Wenn sie das Jahr hat, gerät die Seide.

22. Die Himmelskönigin. (vgl. Sü Tsi Hiä.)

Die Himmelskönigin Tiän Hou oder genauer Tiän Fe Niang Niang ist eine von den Taoisten gepflegte Gottheit der Seefahrt, an Küstenplätzen ziemlich allgemein verehrt. Es begegnen sich in ihrer Geschichte Lokalsagen, die auf die Provinz Fukiän weisen, und eine Übertragung der indischen Maritschi (die jedoch als achtarmige Dschunti noch eine besondere Verehrung hat).

Die Tiän Hou gehört seit der Mandschudynastie zu den amtlich anerkannten Gottheiten.

Dschun Ti Pusa (zu Nr. 22 Anm.)
Dschun Ti Pusa (zu Nr. 22 Anm.)

23. Nü Wa. Quellen: Liä Dsï, Fong Sehen Yän Yi u.a.

Fu Hi ist der »brütende Atem«. Von Fu Hi und Nu Wa zusammen befindet sich eine Abbildung in Liä Dsï, das Buch vom quellenden Urgrund, übersetzt von R. Wilhelm (E. Diederichs, Jena). Nü Wa ist ursprünglich männlich. Der Name, der mit einem Frauenzeichen geschrieben wird (wie viele alte Geschlechternamen), führte allmählich dazu, ein weibliches Wesen aus der Gestalt zu machen.

Gung Gung, der Wasserdämon, erinnert an die babylonische Tihamat. Natürlich ist nicht an direkte Übernahme zu denken. Ein Parallelbericht sagt, daß Nü Wa den Feuergott (Dschu Yung) zur Bekämpfung des Gung Gung ausgesandt habe.

»Berg Unvollkommen«, chinesisch Bu Dschou Schan.

Die Geschichte von der Rache der Göttin an dem Tyrannen Dschou Sin kommt im Fong Schen Yän Yi vor. Dschou Sin war der letzte Herrscher der Yindynastie, der durch den König Wu aus dem Hause Dschou gestürzt wurde.

Da Gi auch Dan Gi oder Ta Gi gelesen. Die Verwandlung des neunschwänzigen Fuchses in die Da Gi stammt aus Fong Schen Yän Yi.

[391] Über die Art der Füchse, die sich in schöne Mädchen verwandeln und die Menschen betören, vergleiche die Fuchsgeschichten.

Bi Gan, der Gott des Reichtums, siehe Abbildung.

Huang Fe Hu siehe die Abbildung: »Gott des Großen Berges« und die Erzählungen Nr. 62 und 63.

24. Der Feuergott (vgl. San Guo Yän Yi u.a.).

Über den roten Herrn vgl. Nr. 15.

Der südliche heilige Berg ist der Sung-schan in Huan.

Der Feuerstern ist Mars.

Die Konstellationen des südlichen Himmelsviertels werden unter dem Gesamtnamen »der rote Vogel« zusammengefaßt.

Vierstromland = Sïtschuan, im Westen des heutigen China.

25. Die drei waltenden Götter. Quelle: mündliche Überlieferung.

Es handelt sich hier wohl um eine Übertragung der indischen Trimurti. Die furchtbare Erscheinung des dritten, die offenbar im Volk nicht mehr verstanden wurde und daher zu dem vorliegenden Märchen Anlaß gab, deutet auf Siva.

Über den »Mönch vom Yangtsekiang« vgl. Nr. 92.

26. Konfuzius (vgl. Sou Schen Gi u.a.).

Man merkt es den hier zusammengestellten Sagen an, daß Konfuzius' Persönlichkeit sich gegen Mythenbildung spröde verhielt. Es ist im wesentlichen nur sein übernatürliches Wissen, dessen sich die Sage bemächtigte.

Kilin, ein eingehörntes, okapiähnliches Sagentier von vollendeter Güte, der Fürst der vierbeinigen Tiere. Der Bergkristall oder Wasserkristall, als dessen Sohn hier Konfuzius bezeichnet ist, gibt die Veranlassung zu seiner Angliederung an den dunklen Herrn des Nordens, dessen Element das Wasser (und die Weisheit) ist. Über den Lieblingsjünger des Konfuzius, Yän Hui, vgl. Gespräche des Kungfutse. Der Große Berg oder Tai schan ist der heilige Berg Schantungs, dessen Gottheit Huang Fe Hu wurde.

Wu ist ein Staat im Süden des alten Chinas am Yangtsekiang. Tschu war ein halbbarbarischer Staat, noch weiter südlich als Wu.

Der große Yü ist der mythische Fürst, der die Flußläufe zuerst regelte. Vgl. Gespräche des Kungfutse.

Lu war der Heimatstaat des Konfuzius, in Westschantung.

»Blüte und Untergang der Staaten«: »Tschun Tsiu«, eines der fünf klassischen Bücher, wird auf Konfuzius selbst zurückgeführt, wesentlich historischen Inhalts.

Tsin Schï Huang, der bekannte Bücherverbrenner und Reorganisator Chinas um 220 v. Chr.

Schakiu (Sandhügel) im Westen des damaligen China. Die Handynastie folgte auf die Tsin 200 v. Chr. bis 9 n. Chr. »Die Ereignisse von hundert Geschlechtern kann man vorherwissen«: vgl. Gespräche des Kungfutse II, 23, S. 16.

27. Der Kriegsgott. Quelle: San Guo Yän Yi u.a.

Der Kriegsgott ist eine historische Persönlichkeit aus der Zeit der[392] drei Reiche, die sich an die spätere Handynastie anschlössen, ca. 250 n. Chr. Liu Be gründete die »Kleine Handynastie« in Setschuan, ihm halfen Guan Yü und Dschang Fe. Tsau Tsau gründete das Reich We, das dritte der Reiche war Wu. Guan Yü oder Guan Di, d.h. Gott Guan, ist im Lauf der Zeit eine der populärsten Gestalten der chinesischen Sage geworden, Kriegsgott und Retter in einer Person. Vgl. Abbildung.

Das Gespräch des Mönches mit dem Gott Guan Di in den Wolken beruht auf der buddhistischen Karmalehre. Weil Guan Di – sei es auch aus guten Motiven – Menschen getötet hat, muß er die Auswirkung dieser Handlungen an sich erdulden, selbst noch als Gott.

Quelle:
Wilhelm, Richard: Chinesische Volksmärchen.Jena: Eugen Diederich, 1914, S. 388-393.
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