Die Kinderseelen im Flußbette bei Odawara.

[351] Im Flußlaufe bei Odawara, in welchem sich zu beiden Seiten des rinnenden Wassers Streifen finden, die von losen Steinen bedeckt sind und von den Hochfluthen jedesmal überspült werden, hausen die Seelen der Kinder, welche in einem Alter unter sieben Jahren gestorben sind, so lange, bis sie durch Buße ihrer Verwandten oder durch Fürbitten erlöst werden. Die Priester eines nahe liegenden Tempels verkaufen den Gläubigen Amulete, Papierstreifen mit darauf geschriebenen Gebeten, und versichern, daß jedesmal, wenn das Wasser die Schrift eines solchen Papieres getilgt hat, einer solchen Kinderseele Erlösung zu Theil wird. Die vorüberziehenden Japaner verfehlen daher nie, solche Amulete zu kaufen und, mit einem Steine beschwert, nahe dem Wasserstrome niederzulegen, sei es, daß sie Seelen ihrer eigenen Familie damit zu erlösen hoffen oder überhaupt ein frommes Werk verrichten wollen.[351]

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 351-352.
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