36. Der Fuchs und der Kranich

[159] Ein Fuchs und ein Kranich hatten Freundschaft geschlossen. Jeder hatte drei Junge. Eines Tages, als der Kranich auf der Jagd war, brachte der Fuchs eines der Kranichjungen um. Dann wartete er die Rückkehr seines Freundes ab und ging ihm weinend entgegen.

»Warum weinst du?« frug der Kranich.

»Unser bestes Kind ist tot,« antwortete der Fuchs, »darum weine ich.«

»Eins von den meinen oder eines von den deinen?«

»Eines von den langhalsigen ist es«, antwortete der Fuchs. Der Kranich sagte weiter nichts als »Gut«, der Fuchs aber brachte im Laufe dieser einen Woche alle drei Jungen des Kranichs um.

»Wie kommt es doch,« sagte der Kranich, »daß meine Kinder alle drei sterben mußten und von den deinen nicht eines? Geh' zu Gott und frage ihn!«[159]

»Ich habe aber doch keine Flügel,« antwortete der Fuchs.

Da nahm ihn der Kranich auf seinen Rücken und flog mit ihm gen Himmel; als er aber hübsch weit oben war, warf er ihn ab. Und wie er so herunterfiel, rief der Kranich ihm zu: »Was ist denn mit dir?«

»Ja, ich hätte dir schon etwas zu sagen,« antwortete der Fuchs, »aber ich finde keinen Ort, wo ich stehen könnte.«

Sprachs und zerschlug sich am Boden.

Quelle:
Dirr, A.: Kaukasische Maerchen.Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 159-160.
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