X.
Gespenstige Wagen.

[96] Wenn es donnert, so sagt der Bulgare, der heilige Ilias fährt auf seinem feurigen Wagen, um die Drachen zu bekämpfen, die das Getreide fressen. Wenn der heil. Ilias die Drachen nicht erschlüge, so hätten wir kein Getreide.1 Nach heidnischer Vorstellung geschah aber die Bekämpfung der getreidefressenden Drachen durch den Donnergott im Gewitter und da der Donner dem dumpfen Gerassel eines über ein Gewölbe hinrollenden Wagens glich: so sagte man, der Donnergott fahre auf einem Wagen in den Kampf mit dem Drachen. Wie bei den Bulgaren der heil. Elias an die Stelle des heidnischen Donnergottes getreten ist, so bei den Böhmen der heil. Thomas; jedoch auch Menschen, wie Baron Hußmann, der wilde Herr bei Jungbunzlau, die nun alle zu gewissen Zeiten auf feurigen Wagen herumfahren. Auch die Gemahlin des Donnergottes fuhr im Gewitter auf einem Wagen und sie mag in[97] der böhmischen Volkssage durch die Drahomira vertreten sein. Uebrigens war es heidnischer Glaube bei den Deutschen, daß die Todesgöttin (Hel) die Seelen der Verstorbenen auf einem schwarzen Wagen in ihre dunkle Behausung führe; daher mag sich manche Sage von den gespenstigen Wagen auf den der Todesgöttin beziehen. Andere sind bloße Gespenstergeschichten aus neuer Zeit. Die Sagen von gespenstigen Wagen sind unter den Westslaven sehr zahlreich. Merkwürdig ist darunter eine slovakische Sage, welche meinem Gewährsmann H.R. Czermak von seinem Großvater mitgetheilt wurde. Ein Edelknecht wird von dem heimtückischen Schloßvogte auf ein entferntes Schloß seines Herrn geschickt, mit dem Auftrage, bei Todesstrafe vor Sonnenuntergang zurückzukehren. Der Edelknecht begiebt sich traurig auf den Weg, obwohl er weiß, daß der Auftrag unausführbar ist. Im Walde trifft er auf einen schwarzen mit schwarzen Rossen bespannten Wagen und in dem Wagen sitzt ein weißer Herr, der fragt ihn nach der Ursache seines Kummers und als er diese erfahren, nimmt er ihn zu sich auf den Wagen, knallt furchtbar mit der Peitsche, die Rosse schnauben und der Wagen saust über die Wipfel der Bäume, daß dem Jünglinge Hören und Sehen vergeht. Zu Mittag ist er in dem Schlosse seines Herrn. Nachdem er dort den Auftrag des Vogts ausgerichtet, geht die Fahrt wieder zurück. Als die Sonne untergeht, sieht der Vogt zum Fenster hinaus, ein furchtbarer Peitschenschlag und ein Wagen mit vier weißen Rossen fährt über die Zugbrücke, auf demselben der Edelknecht. Abermals knallt nun der Fuhrmann mit der Peitsche und in demselben Augen blick sinkt der Schloßvogt todt zu Boden.

1

Bulgarski narod. pěsni odu Brat. Miladinovci. S. 528.

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 96-98.
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