Edelmarder (Martes abietum)

[54] Als vorzüglichstes Mitglied der Sippe gilt uns der Edel-, Baum- oder Buchmarder (Martes abietum, Mustela Martes, Viverra Martes, Martes vulgaris, sylvestris und sylvatica, Martarus abietum), ein ebenso schönes als bewegliches Raubthier von etwa 55 Centim. Leibes- und 30 Centim. Schwanzlänge. Der Pelz ist oben dunkelbraun, an der Schnauze fahl, an der Stirn und den Wangen lichtbraun, an den Körperseiten und dem Bauche gelblich, an den Beinen schwarzbraun, und an dem Schwanze dunkelbraun. Ein schmaler, dunkelbrauner Streifen zieht sich unterhalb der Ohren hin. Zwischen den Hinterbeinen befindet sich ein röthlichgelber, dunkelbraun gesäumter Flecken, welcher sich zuweilen in einem schmutziggelben Streifen bis zur Kehle fortzieht. Diese und der Unterhals sind schön dottergelb gefärbt, und hierin liegt das bekannteste Merkmal unseres Thieres. Die dichte, weiche und glänzende Behaarung besteht aus ziemlich langen, steifen Grannenhaaren und kurzem, feinem Wollhaare, welches an der Vorderseite weißgrau, hinten und an den Seiten aber gelblich gefärbt ist. Auf der Oberlippe stehen vier Reihen von Schnurren und außerdem noch einzelne Borstenhaare unter den Augenwinkeln sowie unter dem Kinne und an der Kehle. Im Winter ist die allgemeine Färbung dunkler als im Sommer. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen durch blässere Färbung des Rückens und einen weniger deutlichen Flecken. Bei jungen Thieren sind Kehle und Unterhals heller gefärbt.

[54] Das Vaterland des Edelmarders erstreckt sich über alle bewaldeten Gegenden der nördlichen Erdhälfte. In Europa findet er sich in Skandinavien, Rußland, England, Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien und Spanien, in Asien bis zum Altai, südlich bis zu den Quellen des Jenisei. Solch ausgedehntem Verbreitungskreise entsprechend, ändert er namentlich in seinem Felle nicht unwesentlich ab. Die größten Edelmarder wohnen in Schweden, und der Pelz derselben ist noch einmal so dicht und so lang als der unserer deutschen Marder, die Färbung grauer. Unter den deutschen finden sich mehr gelbbraune als dunkelbraune, welche letztere namentlich in Tirol vorkommen und dem amerikanischen Zobel oft täuschend ähneln. Die Edelmarder der Lombardei sind blaßgraubraun oder gelbbraun, die der Pyrenäen groß und stark, aber ebenfalls hell, die aus Macedonien und Thessalien mittelgroß, aber dunkel.


Edelmarder (Martes abietum). 1/6 natürl. Größe.
Edelmarder (Martes abietum). 1/6 natürl. Größe.

Der Edelmarder bewohnt die Laub- und Nadelwälder und findet sich um so häufiger, je einsamer, dichter und finsterer dieselben sind. Er ist ein echtes Baumthier und klettert so meisterhaft, daß ihn kein anderes Raubsäugethier hierin übertrifft. Hohle Bäume, verlassene Nester von wilden Tauben, Raubvögeln und Eichhörnchen wählt er am liebsten zu seinem Lager; selten sucht er auch in Felsenritzen eine Zufluchtsstelle. Auf seinem Lager ruht er gewöhnlich während des ganzen Tages; mit Beginn der Nacht aber, meist schon vor Sonnenuntergang, geht er auf Raub aus und stellt nun allen Geschöpfen nach, von denen er glaubt, daß er sie bezwingen könnte. Vom Rehkälbchen und Hasen herab bis zur Maus ist kein Säugethier vor ihm sicher. Er beschleicht und überfällt sie plötzlich und würgt sie ab. Daß er sich, mindestens zuweilen, auch an junge oder schwache Rehe wagt, ist neuerdings von mehreren Forstleuten beobachtet worden. Dem Förster Schaal wurden zwei gerissene und verendende Rehkälber eingeliefert; unser Gewährsmann schrieb aber die Unthat schwachen Hunden zu, bis er gelegentlich eines Pürschganges den Edelmarder auf einem Rehkalbe, dessen Klagen ihn herbeigelockt hatten, sitzen sah und dieses bei näherer Untersuchung genau in derselben Weise wie die früheren verwundet fand; Oberförster Kogho berichtet von mehreren ähnlichen Fällen. Da die alte Rike dem von oben herab auf das Kitzchen springenden Räuber nicht beikommen, ihn nämlich mit ihren Vorderläufen nicht abschlagen kann, hat ein solcher [55] Ueberfall für den Edelmarder keine Gefahr. Gleichwohl gehört es zu den seltenen Vorkommnissen, daß dieser an so große Säugethiere sich wagt; das beliebteste Haarwild, welches er jagt, sind und bleiben die baumbewohnenden Nager, insbesondere Eichhörnchen und Bilche. Unter dieser ebenso niedlichen als nichtsnutzigen, beziehentlich schädlichen Sippschaft richtet er arge Verheerungen an, wie ich dies gelegentlich der Beschreibung des Eichhörnchens zu schildern haben werde. Daß er ein sonstwie ihm sich bietendes Säugethier, welches bewältigen zu können er glaubt, nicht verschmäht, ist selbstverständlich, weil Marderart. Einen Hasen überfällt er im Lager oder während jener sich äset; die Wasserratte soll er sogar in ihrem Elemente verfolgen. Ebenso verderblich wie unter den Säugethieren haust der Edelmarder übrigens auch unter den Vögeln. Alle Hühnerarten, welche bei uns leben, haben in ihm einen furchtbaren Feind. Leise und geräuschlos schleicht er zu ihren Schlafplätzen hin, mögen diese nun Bäume oder der flache Boden sein; ehe noch die sonst so wachsame Henne eine Ahnung von dem blutgierigen Feinde bekommt, sitzt dieser ihr auf dem Nacken und zermalmt ihr mit wenigen Bissen den Hals oder reißt ihr die Schlagadern auf, an dem herausfließenden Blute gierig sich labend. Außerdem plündert er alle Nester der Vögel aus, sucht die Bienenstöcke heim und raubt dort den Honig oder geht den Früchten nach und labt sich an allen Beeren, welche auf dem Boden wachsen, frißt auch Birnen, Kirschen und Pflaumen. Wenn ihm Nahrung im Walde zu mangeln beginnt, wird er dreister; in der höchsten Noth kommt er zu den menschlichen Wohnungen. Hier besucht er Hühnerställe und Taubenhäuser und richtet Verwüstungen an wie kein anderes Thier, mit Ausnahme der Glieder seiner eigenen Sippschaft. Er würgt weit mehr ab, als er verzehren kann, oft den ganzen Stall, und nimmt dann nur eine einzige Henne oder eine einzige Taube mit sich weg. So wird er der gesammten kleinen Thierwelt wahrhaft verderblich und ist deshalb fast mehr gefürchtet als jedes andere Raubthier.

Ende Januars oder anfangs Februar beginnt die Rollzeit. Der Beobachter, welcher bei Mondschein in einem großen Walde unseren Strauchdieb zufällig entdeckt, sieht jetzt mehrere Marder im tollsten Treiben auf den Bäumen sich bewegen. Fauchend und knurrend jagen sich die verliebten Männchen, und wenn beide gleich stark sind, gibt es im Gezweige einen tüchtigen Kampf zur Ehre des Weibchens, welches nach Art ihres Geschlechts an diesem eifersüchtigen Treiben Gefallen zu finden scheint und die verliebten Bewerber längere Zeit hinhält, bis es endlich dem stärksten sich ergibt. Nach neunwöchentlicher Tragzeit, also zu Ende des März oder im Anfange des April, wirft das Weibchen drei bis vier Junge in ein mit Moos ausgefüttertes Lager in hohle Bäume, selten in Eichhorn- oder Elsternester oder in eine Felsenritze. Die Mutter sorgt mit aufopfernder Liebe für die Familie und geht, voll Besorgnis sie zu verlieren, niemals aus der Nähe des Lagers. Schon nach wenigen Wochen folgen die Jungen der Alten bei ihren Lustwandelungen auf die Bäume nach und springen auf den Aesten munter und hurtig umher, werden von der vorsichtigen Alten auch in allen Leibesübungen tüchtig eingeschult und bei der geringsten Gefahr gewarnt und zu eiliger Flucht angetrieben. Solche Junge kann man ziemlich leicht auffüttern und anfangs mit Milch und Semmel, später mit Fleisch, Eiern, Honig und Früchten lange erhalten.

»Am 29. Januar«, erzählt Lenz, »erhielt ich einen jungen Edelmarder, welcher an demselben Tage aus der Höhlung eines Baumes geholt worden war. Das Thierchen hatte erst die Größe einer Wanderratte; seine Bewegungen waren noch langsam. Er suchte sich immer in Löcher zu verkriechen und scharrte auch, um Löcher zu bilden. Anfangs war er beißig, wurde jedoch schon am ersten Tage ganz zahm. Laue Milch soff er bald und fraß auch schon wenige Stunden, nachdem er zu mir gebracht worden war, in Milch eingeweichte Semmel. Obgleich noch sehr jung, war er doch so reinlich, daß er eine Ecke seines Behälters zum Abtritt erkor, eine Tugend, welche man nur wenigen anderen Thieren nachrühmen kann. An diesem Thierchen konnte ich recht sehen, wie sich der Geschmack naturgemäß entwickelt. Anfangs (im Juni oder Juli) bekommt der junge Edelmarder von seinen Eltern gewisse Speisen, fast nur Vögel, später muß er sich auch an Mäuse, Obst usw. gewöhnen, wie es die Jahreszeit bietet.

[56] Am zweiten Tage bot ich ihm einen Frosch an: er beachtete ihn gar nicht; gleich darauf gab ich ihm einen lebenden Sperling: und er schnappte ihn sofort lebend weg und verzehrte ihn mit allen seinen Federn. Ebenso machte er es bald mit einem zweiten und dritten. Am vierten Tage ließ ich ihn hungern und bot ihm dann einen Frosch, eine Eidechse und eine Blindschleiche an. Er beachtete alles nicht, und wollte auch einen jungen Raben nicht fressen. Am sechsten Tage kroch er nachts aus seinem Behälter, biß einen im Neste sitzenden Thurmfalken todt und fraß den Kopf, Hals und einen Theil der Brust. Ich bot ihm nach und nach mancherlei an und fand, daß er kleine Vögel allem vorzog. Fischfleisch fraß er nicht, Kaninchen, Hamster, Mäuse recht gern, aber doch nicht so begierig wie Vögel, wogegen Iltis und Fuchs Säugethiere lieber fressen als letztere. Kirschen und Erdbeeren fraß er, Stachel- und Heidelbeeren nicht gern, Ameisenpuppen sehr gern; doch verdaute er sie nicht gehörig. Junge Katzen tödtete und fraß er; Eidotter schmeckten ihm gut, aber noch nicht so gut wie kleine Vögel; auch Gedärme und Fleisch von größeren Vögeln beachtete er nicht so sehr wie von kleinen. Schon als ganz junges Thier hatte er den Grundsatz, kein ihm zur Nahrung dienendes Wesen entwischen zu lassen. War er satt, so spielte er doch noch mit neuhinzukommenden Vögeln usw. stundenlang. Vorzüglich spielte er mit kleinen Hamstern. Er hüpfte und sprang unaufhörlich um das boshaft fauchende Hamsterchen herum und gab ihm bald mit der rechten, bald mit der linken Pfote eine Ohrfeige. War er aber hungrig, so zögerte er nicht lange, biß dem Hamsterchen den Kopf entzwei und fraß es mit Knochen, Haut und Haaren.

Als er drei Viertel seines Wachsthums erreicht hatte und außerordentlich gefräßig war, gab ich ihm wiederum eine Blindschleiche. Er war gerade hungrig, näherte sich aber doch behutsam und sprang bei jeder ihrer Bewegungen wieder zurück. Als er sich endlich überzeugt hatte, daß sie nicht gefährlich sei, biß er endlich zu; ihr Schwanz brach ab: er fraß ihn auf und trug dann das Thier in sein Nest, wo es ihm entschlüpfte und unter das Heu kroch. Er zog es wieder vor, biß sich noch ein Stück des übergebliebenen Schwanzstummels ab, aber erst nach zwei Stunden wagte er es, die Blindschleiche am Halse zu packen und zu zerreißen. Er trug sie dann ins Nest und fraß sie nach und nach mit Wohlbehagen, jedoch ohne Begierde. Noch war er mit der Blindschleiche nicht fertig, als ich ihm eine etwa 60 Centim. lange Ringelnatter in seine Kiste warf. Sobald sie da lag, näherte er sich behutsam, sprang aber, so oft sie sich rührte oder zischte, erschrocken zurück. Die Schlange hatte endlich in einen Knäuel sich zusammengeballt und den Kopf unter ihren Windungen versteckt. Wohl eine Stunde lang war er schon um sie herumgesprungen, ohne sie anzutasten; dann erst begann er, überzeugt, daß keine Gefahr zu fürchten sei, sie zu beschnuppern und mit den Pfoten zu berühren, alles aber immer noch mit der größten Aengstlichkeit. Es war, als hätte er wohl Lust zu fressen, aber nicht den Muth, sie zu tödten. Daher trieb er sein Wesen, indem er sich ihr bald näherte, bald zurücksprang, über einen Tag lang, und nun erst wurde er so dreist, sie, am Nacken gepackt, umherzutragen und am dritten Tage endlich zu tödten; jedoch fraß er sie nicht. Während er noch mit dem Ringelnatterspiel beschäftigt war, brachte ich ihm eine frisch getödtete, große Kreuzotter. Vorsichtig kam er sogleich heran, überzeugte sich, daß sie todt sei, nahm sie auf, trug sie bald hier-, bald dorthin, und verschmauste sie nach einer Stunde sammt Kopf und Giftzähnen. Ich gab ihm dann eine Eidechse, welche er ebenfalls schnuppernd begrüßte; das Thierchen zischte, fast wie eine Schlange, sperrte den Rachen auf und sprang wohl zehnmal auf ihn zu. Er traute nicht und wich ihren Bissen aus, wurde jedoch immer dreister und machte sich, da ihm die Eidechse nichts zu Leide that, nach Verlauf einer Stunde daran, biß sie todt und fraß sie auf.

Hieraus geht hervor, daß er von Natur wenig Trieb hat, Schlangen und andere Kriechthiere zu tödten; es ist aber nach den genannten Erfahrungen keineswegs unwahrscheinlich, daß er sie im Winter, wenn er sie zufällig in ihrem wehrlosen Zustande trifft, umbringt und frißt; denn zu dieser Zeit mag er oft bitteren Hunger leiden, da er ungeheuer gefräßig ist.

[57] Wir haben gesehen, daß er sich selbst vor der Eidechse, welche doch ein wahrer Zwerg gegen ihn ist, furchtsam zeigt; dagegen ist aber sein Muth gegen andere Thiere, nach deren Fleisch er leckert, sehr groß. Wenn er einen starken Hamster oder eine große Ratte bekommt, setzt es einen fürchterlichen Kampf. Kleinen Nagern derselben Art beißt er sogleich den Hals und Kopf entzwei, auf größere aber stürzt er sich mit Ungestüm, packt sie mit allen vier Pfoten, wirft sie zu Boden und dreht und wendet die Thiere mit so einer ungeheueren Schnelligkeit zwischen den Pfoten, daß das Auge den Bewegungen gar nicht folgen kann. Man weiß nicht recht, was man sieht, wer siegt oder unterliegt: den Hamster hört man unaufhörlich fauchen; aber plötzlich springt der Marder empor, hält den Hamster im Genicke und zermalmt ihm die Knochen. Größeren Kaninchen fällt er sogleich ins Genick und läßt nicht eher los, bis sie erwürgt sind. Einen gewaltigen Lärm gibt es, wenn man ihm einen recht großen, starken Hahn reicht. Wüthend springt er diesem an den Hals und wälzt sich mit ihm herum, während der Hahn aus allen Kräften mit den Flügeln schlägt und den Füßen tritt. Nach einigen Minuten hat das Gepolter ein Ende, und dem Hahn ist der Hals zerbissen. Ich habe ihn absichtlich keinem gefährlichen Kampfe preisgegeben, und daher nie eine lebende Otter zu ihm gebracht, weil er mir sehr theuer war. Einstmals aber gab ich ihm eine ganz frisch erlegte, noch warme, sehr große Katze. Ich warf sie ihm plötzlich in seine Kiste: aber in demselben Augenblicke hatte er sie schon wüthend am Halse gepackt, daß ich wohl sah, er würde den Kampf gegen das lebende Thier nicht gescheut haben. Er ließ auch nicht eher los, als bis er sich vollkommen von ihrem Tode überzeugt hatte. Zu dieser Zeit war er schon erwachsen.

Ich will hier noch auf einen Irrthum aufmerksam machen, welcher ziemlich allgemein ist. Man glaubt nämlich, daß die Wieselarten, wenn sie ein Thier tödten, allemal die starken Pulsadern des Halses mit den Eckzähnen treffen und durchschneiden. Das ist nicht richtig. Sie packen allerdings größere Thiere beim Halse und erwürgen sie so, jedoch ohne gerade die Adern zu treffen, daher vermögen sie auch nicht, ihnen das Blut auszusaugen, sondern begnügen sich damit, das zufällig hervorfließende abzulecken. Dann fressen sie das Thier an und beginnen gewöhnlich mit dem Halse; bei etwas größeren Thieren, wie bei großen Ratten, Hühnern usw., wird beim Tödten nicht einmal die Halshaut, welche zähe ist und nachgibt, durchschnitten, sondern erst später.

Solange er noch jung war, spielte er gern mit Menschen, wenn man das Spiel selbst begann; später ist zu solchen Spielen nicht zu rathen, denn er gewöhnt sich, wenn er groß ist, in alles, selbst wenn er es nicht böse meint, so fest einzubeißen, daß er mich durch dicke Handschuhe mit den Eckzähnen bis ins Fleisch gebissen hat, übrigens in aller Freundschaft. Eigentliche Liebe zu seinem Erzieher spricht sich nicht in seinen Mienen und Geberden aus, obgleich er Wohlbekannten, wenn er gut behandelt wird, nie etwas zu Leide thut. Aus seinen schwarzen Augen blickt nur Begierde und Mordlust. Wenn er recht behaglich in seinem Neste liegt, läßt er oft ein anhaltendes, trommelndes Murren hören. Das Knäffen des Iltis habe ich nie von ihm gehört. Wenn er böse ist, knurrt er heftig.«

Ganz so unfreundlich gegen den Pfleger, wie Lenz zu glauben scheint, benehmen sich keineswegs alle gefangenen Edelmarder; viele, und ich selbst habe solche gehalten, werden sehr zahm und zeigen sich ungemein anhänglich an ihren Gebieter. »Ich habe«, so erzählt Ritter von Frauenfeld, »einen Edelmarder gesehen, welcher meinem Bruder auf dem Wege von Tulln nach Wien auf eine Entfernung von mehreren Meilen durch den Wald von Dornbach wie ein Hund auf dem Fuße folgte. In Wien schlug er seine Wohnung in einem Holzschuppen auf und bereitete hier sich ein Lager auf einem ungeheueren Haufen von Hühner- und Taubenfedern, den Beuteresten der Thiere, welche er auf seinen nächtlichen Wanderungen erjagte. Des Morgens kam er vom Hofe herauf in die im ersten Stockwerke gelegene Wohnung, wo er durch Kratzen und Scharren Einlaß verlangte. Er bekam allda seinen Kaffee, den er außerordentlich liebte, spielte und neckte sich mit den Kindern in der launigsten Weise herum und liebte es unendlich, wenn ihm verstattet wurde, daß er eine Stunde im Schoße ruhen und schlafen durfte.«

[58] »Ein Baummarder«, schreibt mir Grischow, »war so zahm, daß ich ihn auf den Arm nehmen und streicheln durfte. Die Taschen meines Vaters untersuchte er stets auf das genaueste, weil er gewohnt war, in ihnen Leckerbissen zu finden; uns kroch er gern zwischen Aermel und Arm, um sich zu wärmen. Ein schwarzer Affenpintscher spielte so gern und so hübsch mit ihm, daß man wahre Freude an den Thieren haben mußte. Beide jagten sich unter lautem Bellen des Hundes hin und her, und der Marder entfaltete dabei alle ihm eigene Gewandtheit. Oft saß er auf dem Rücken des Hundes wie ein Affe auf dem Rücken des Bären; gefiel der Reiter dem Hunde nicht länger, so wußte er ihn schlau dadurch zu entfernen, daß er soweit lief, bis die Leine, an welcher der Marder gefesselt war, diesen herabriß. Mitunter erzürnten sich beide ein wenig; dann schlüpfte der Marder in eine kleine Tonne, und der Hund wartete, vor dieser stehend, bis sein Spielgefährte wieder guter Laune war. Lange währte es nie, bis der Marder, schelmisch sich umsehend, hervorkam, dem Hund eine Ohrfeige versetzte und damit das Zeichen zu neuen Spielen gab.«

Sehr unfreundlich benahmen sich von mir gepflegte Edelmarder gegen einen Iltis, welchen ich zu ihnen bringen ließ, weil ich sehen wollte, ob sich zwei so nah verwandte Thiere vertragen würden oder nicht. Der Iltis suchte ängstlich nach einem Auswege; aber auch die Edelmarder nahmen den Besuch nicht günstig auf. Sie stiegen sofort zur höchsten Spitze ihres Kletterbaumes empor und betrachteten den Fremdling funkelnden Auges. Neugier oder Mordlust siegten jedoch bald über ihre Furcht: sie näherten sich dem Iltis, berochen ihn, gaben ihm einen Tatzenschlag, zogen sich blitzschnell zurück, näherten sich von neuem, schlugen nochmals, schnüffelten hinter ihm her und fuhren plötzlich, beide zugleich, mit geöffnetem Gebisse nach dem Nacken des Feindes. Da nur einer sich festbeißen konnte, ließ der zweite ab und beobachtete aufmerksam den Kampf, welcher sich zwischen seinem Genossen und dem gemeinsamen Gegner entsponnen hatte. Beide Streiter waren nach wenig Augenblicken in einander verbissen und zu einem Knäuel geballt, welcher sich mit überraschender Schnelligkeit dahinkugelte und wälzte. Nach einigen Minuten eifrigen Ringens schien der Sieg sich auf die Seite des Edelmarders zu neigen. Der Iltis war festgepackt worden und wurde festgehalten. Diesen Augenblick benutzte der zweite Edelmarder, um sich im Hintertheile des Iltis einzubeißen. Jetzt schien dessen Tod gewiß zu sein: da mit einem Male ließen beide Edelmarder gleichzeitig los, schnüffelten in der Luft und taumelten dann wie betrunken hinter dem ein Versteck suchenden Iltis einher. Ein durchdringender Gestank, welcher sich verbreitete, belehrte uns, daß der Ratz seine letzte Waffe gebraucht hatte. In welcher Weise der Gestank gewirkt hatte, ob besänftigend oder abschreckend, blieb unentschieden: die Edelmarder folgten wohl, eifrig schnüffelnd, den Spuren des Stänkers, griffen ihn aber nicht wieder an.

Die gefangenen Edelmarder unserer Thiergärten pflanzen sich nicht selten fort, fressen aber ihre Jungen nach deren Geburt gewöhnlich auf, selbst wenn man ihnen überreichliche Nahrung vorwirft. Doch hat man auch, beispielsweise in Dresden, das Gegentheil beobachtet und die im Käfige geborenen Edelmarder unter treuer Pflege ihrer Mutter glücklich großmachsen sehen.

Man verfolgt den Edelmarder überall auf das nachdrücklichste, weniger um seinem Würgen zu steuern, als vielmehr, um sich seines werthvollen Felles zu bemächtigen. Am leichtesten erlegt man ihn bei frischem Schnee, weil dann nicht bloß seine Fährte auf dem Boden, sondern auch die Spur auf den beschneiten Aesten verfolgt werden kann. Zufällig bemerkt man ihn wohl auch ab und zu einmal im Walde liegen, gewöhnlich der Länge nach ausgestreckt auf einem Baumaste. Von dort aus kann man ihn leicht herabschießen und, wenn man gefehlt hat, oft noch einmal laden, weil er sich manchmal nicht von der Stelle rührt und den Jäger unverwandt im Auge behält. Die vor ihm aufgestellten Gegenstände beschäftigen ihn derart, daß er gar nicht daran denkt, zu entrinnen. Ein glaubwürdiger Mann erzählt mir, daß er vor Jahren mit mehreren anderen jungen Leuten einen Edelmarder mit Steinen vom Baume herabgeworfen habe. Das Thier schien zwar die an ihm vörubersausenden Steine mit großer Theilnahme zu betrachten, rührte sich aber nicht von der Stelle, bis endlich ein größerer Stein es an den Kopf traf und betäubte.

[59] Bei der Jagd des Edelmarders muß man einen recht scharfen Hund haben, welcher herzhaft zubeißt und den Marder faßt, weil dieser wüthend gegen seine Verfolger zu springen und einen minder guten Hund abzuschrecken pflegt. Verhältnismäßig leicht fängt er sich in Eisen, welche eigens dazu verfertigt worden und sehr verborgen aufgestellt sind. Als Anbiß dient gewöhnlich ein Stückchen Brod, welches man nebst einem Scheibchen Zwiebel in ungesalzener Butter und Honig gebraten und mit Kampher bestreut hat. Andere Witterungen bestehen aus 0,1 Gramm Moschus, 2 Gramm Anisöl und ebensoviel Bilsenöl, welche Mischung tüchtig geschüttelt und mittels eines Läppchens tropfenweise auf das gut geputzte Eisen gestrichen wird, oder aus 4 Gramm Anisöl, 1 Gramm Ambra, 1 Gramm Bisam, 1 Gramm Bibergeil und 1 Gramm Kampher, welche Stoffe mit zerlassenem Gänsefett vermischt werden, oder endlich in Katzenkraut, mit welchem man das Eisen tüchtig einreibt, freilich aber oft auch Katzen anstatt des Marders fängt. Zibet thut übrigens dieselben Dienste wie jede andere Witterung. Ausgezeichnet für den Fang ist, nach Lenz, auch der sogenannte Schlagbaum. Dieser besteht aus zwei knapp der Länge nach passenden und am Ende zusammengebundenen starken Stangen. Sie werden auf einem Baume befestigt; an dem anderen Ende bringt man ein Schnellbret von 40 Centim. Länge und ebensoviel Breite an, welches zur Befestigung des Köders dient. Damit das Thier bequem hinaufkommen kann, wird eine Anlaufstange in die Erde gestellt und an das dicke Ende der unteren Schlagbaumstange befestigt. Klettert der Marder hinauf, so muß er, um den Köder zu erhaschen, zwischen den beiden Stangen an das Schnellholz. Sobald er aber den Köder berührt, fällt die Stellstange nieder und zerquetscht ihn. Außerdem bedient man sich einer Falle, welche aus einem langen, nach einer Seite offenen Kasten mit einer Fallthüre besteht. In der Mitte ist ein tellerförmiges Bretchen und die Lockspeise oder, noch besser, am hinteren Ende der Falle ein enggeflochtener Drahtkäfig angebracht, welcher ein lebendes junges Kaninchen, Täubchen oder Mäuschen enthält. Der Marder kriecht durch die Fallthüre in den Kasten, und wird gefangen, sobald er nach der Lockspeise greift, weil die geringste Bewegung an dem Bretchen die Thüre zum Fallen bringt.

Das Pelzwerk des Edelmarders ist das kostbarste aller unserer einheimischen Säugethiere und ähnelt in seiner Güte am meisten dem des Zobels. Die Anzahl der jährlich auf den Markt kommenden Edelmarderfelle schätzt Lomer auf 180,000; in Deutschland, beziehentlich Mitteleuropa, allein sollen jährlich drei Viertheile davon erbeutet werden. Die schönsten Felle liefert Norwegen, die nächstbesten Schottland; die übrigen, in der hier eingehaltenen Reihe an Güte abnehmend, kommen aus Italien, Schweden, Norddeutschland, der Schweiz, Oberbayern, der Tatarei, Rußland, der Türkei und Ungarn. Man schätzt diesen Pelz ebenso seiner Schönheit wie seiner Leichtigkeit halber und bezahlt das Fell mit fünfzehn bis dreißig Mark, je nach seiner Güte.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Zweiter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Dritter Band: Hufthiere, Seesäugethiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 54-60.
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