Sporenkukuk (Centropus senegalensis)

[255] Währen meines Aufenthaltes in Afrika habe ich eine dort häufige Art, den Sporenkukuk (Centropus senegalensis, Cuculus senegalensis, aegyptius, Houhou und pyrrholeucus, Corydonix, Centropus und Polophilus aegyptius), kennen gelernt. Er gehört zu den Arten mit verhältnismäßig kurzem Schwanze und vorherrschend röthlichbraunem Gefieder, welche gegenwärtig in der Sippe der Sporenfüße (Centropus) vereinigt werden. Oberkopf, Nacken, Hinterhals und Kopfseiten sind schwarz, Mantel, Schultern und Flügel schön rostrothbraun, die Schwingen an der Spitze dunkelbraun verwaschen, die Untertheile rostgelb, auf Bauch und Seiten etwas dunkler, die oberen Schwanzdecken und Steuerfedern schwarz mit grünlichem Metallscheine, die unteren Schwanzdecken dunkelbraun. Ueberall treten die Federschäfte, deren Färbung der Umgebung entspricht, glänzend hervor. Das Auge ist prächtig purpurroth, der Schnabel schwarz, der Fuß dunkel braungrau. Die Länge beträgt 37, die Breite 43, die Fittiglänge 14, die Schwanzlänge 19,5 Centimeter; doch ändert die Größe vielfach ab.

Der Sporenkukuk ist in Nordostafrika an geeigneten Oertlichkeiten nicht selten und namentlich in Egypten stellenweise eine sehr gewöhnliche Erscheinung. Hier lebt er fast ausschließlich da, wo es größere Rohrwaldungen gibt; im Sudân bewohnt er, beziehentlich ein ihm sehr nahe stehender Verwandter, die unzugänglichsten Dickichte, da er wie eine Ratte durch die Lücken in den scheinbar undurchdringlichen Gebüschen zu kriechen versteht, gleichviel, ob die Gebüsche dornig sind oder nicht. Er klettert und schlüpft, drängt und zwängt sich wie ein Mäusevogel durch das ärgste Dickicht, kommt nach geraumer Zeit hier und da zum Vorscheine, haspelt sich bis zu einer gewissen Höhe empor, hält [255] sitzend und fast bewegungslos eine Zeitlang Umschau und verschwindet dann wieder im Inneren seiner Buschfestungen oder fliegt langsam, mehr schwebend und gleitend als flatternd, einem zweiten Busche zu, falls er es nicht vorzieht, den Weg laufend zu durchmessen. Mit den eigentlichen Kukuken hat er in seinem Wesen keine Aehnlichkeit; denn er ist ein ruhiger, stiller, langweiliger Geselle, welcher sich wenig bemerklich macht und seine Geschäfte möglichst heimlich betreibt. Seine Nahrung besteht aus Kerbthieren mancherlei Art, wahrscheinlich vorzugsweise aus Ameisen, nach denen er zuweilen in widerwärtiger Weise stinkt. Ein nicht unbeträchtlicher Theil seiner Beute mag auch in Schnecken und anderen Weichthieren bestehen, da alle Sporenkukuke derartige Nahrung mit Vorliebe genießen. Heuglin versichert zwar, in dem Magen des bereits erwähnten Verwandten niemals Weichthiere gefunden zu haben, obgleich letztere gerade dort im Ueberflusse vorkommen, wo besagter Sporenkukuk sehr häufig ist; Schweinfurth aber bemerkt von demselben Vogel ausdrücklich, daß ihm zwei große Arten von Landschnecken, deren Länge elf beziehentlich acht Centimeter beträgt, zur Nahrung dienen, und er mit Vorliebe die leckere Kost verzehrt.


Sporenkukuk (Centropus senegalensis). 1/2 natürl. Größe.
Sporenkukuk (Centropus senegalensis). 1/2 natürl. Größe.

Wie alle Arten seiner Familie hält sich auch der Sporenkukuk streng paarweise. Wenn man den einen Gatten aufgefunden hat, darf man darauf rechnen, auch den zweiten gewahr zu werden. Nur die Jungen schweifen längere Zeit, vielleicht jahrelang, einsam umher. Das Nest habe ich ein einziges Mal gefunden, und zwar im Delta in der dichten Krone eines Oelbaumes. Es bestand fast ausschließlich aus den Hüllen der Samenkolben des Mais und enthielt Ende Juli vier halberwachsene Junge, von denen wir das eine längere Zeit bei einfacher Kost am Leben erhielten. Die Eier sind mir unbekannt.

[256] In Nordostafrica denkt niemand daran, den Sporenkukuk zu verfolgen: man betrachtet auch ihn mit der Gleichgültigkeit, welche man gegen die meisten Vögel an den Tag legt. Im Osten Afrikas soll er oder ein Verwandter von ihm mit mißgünstigen Augen angesehen werden, unzweifelhaft deshalb, weil sein stinkendes Fleisch sich in keiner Weise zur Benutzung eignet. Welche Feinde den Vogel bedrohen, vermag ich nicht zu sagen. Ich habe nie gesehen, daß einer der Falken auf ihn Jagd gemacht hätte. Die dornigen Gebüsche, in denen er lebt, sind sein bester Schutz.

So viel ich mich erinnere, habe ich den Sporenkukuk nur einmal und bloß kurze Zeit im Käfige gehalten. Daß er sich ohne sonderliche Umstände eingewöhnen läßt, beweisen gefangene, welche in verschiedenen Thiergärten gelebt haben und mit rohem Fleische ernährt wurden. Seine Eigenheiten kann der Vogel im Käfige allerdings nicht zur Geltung bringen; demungeachtet fesselt er jeden kundigen Beobachter durch seine Haltung und die Gewandtheit, mit welcher er läuft, hüpft, klettert und turnt. Ihm gegenüber erscheint unser Kukuk als ein höchst langweiliger Gesell.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 255-257.
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