[344] Von den Rosengimpeln hat man neuerdings eine ebenfalls in Asien vorkommende Art dieser Familie, den Meisengimpel (Uragus sibiricus, Loxia sibirica, Pyrrhula sibirca, caudata und longicaudata, Carpodacus sibiricus, Bild S. 343), getrennt und zum Vertreter der Langschwanzgimpel (Uragus) erhoben. Der Schnabel ist verhältnismäßig schwach und sein Oberkiefer nur wenig über den unteren gebogen, der Fuß schwach, der Flügel, unter dessen Schwingen die vierte die Spitze bildet, stumpf, der Schwanz dagegen körperlang und stufig, in der Mitte aber ausgeschnitten, das Gefieder endlich seidigweich. Das alte Männchen ist prachtvoll rosenroth, silbergrau überflogen, eine Stirnbinde hoch rosenroth, der Rücken dunkler, weil hier die Schaftstriche deutlicher hervortreten und nur eine rothe Federkante übrig lassen, der Bürzel hoch karminroth; Kopf und Kehle sind weißlich, atlasglänzend, besonders nach der Mauser, welche überhaupt dem ganzen Vogel ein lichteres Kleid verleiht, weil alle frischen Federn ziemlich breite weiße Säume tragen, welche erst nach und nach abgenutzt werden. Jede einzelne Feder ist am Grunde dunkelgrau, sodann blaß karminroth und licht gerandet. Die kleinen Oberdeckfedern und Schulterfedern sind auf der Außenfahne und am Ende weiß oder mindestens weiß gerandet, die drei äußersten Steuerfedern bis auf die dunklen Schäfte und einen dunkeln Rand am Grunde der Innenfahne, welcher nach der Mitte des Schwanzes zu an den einzelnen Federn größer wird, ebenfalls weiß, die mittleren nur weiß gerandet. Das Weibchen ist hell olivenfarben oder graugrün. Die Länge beträgt achtzehn, die Fittiglänge acht, die Schwanzlänge neun Centimeter.
Der Meisengimpel, welcher sich zuweilen nach Südosteuropa, selbst bis nach Ungarn verfliegen soll, bewohnt sumpfige, mit Rohr bestandene Gegenden Ostasiens, namentlich Ostsibirien, Ostchina und die Mandschurei, außerdem Ostturkestan. Radde fand ihn während des ganzen Jahres am mittleren Amur. Im Spätherbste rotten sich die Paare zu Banden von zehn bis dreißig Stück zusammen und streichen, wobei sie stets einsilbig pfeifende Töne vernehmen lassen. »Bei Irkutsk stellen sich diese Züge erst zu Ende des September in größerer Anzahl ein. Dort werden sie sammt Meisen, Kreuzschnäbeln, Gimpeln und Schneeammern von Vogelstellern gefangen; sie halten sich aber meist nur kurze Zeit im Bauer und verlieren die ihnen eigene Lebhaftigkeit dann fast gänzlich. Bis gegen den November hin trifft man sie am häufigsten auf dem Durchzuge an. Später werden die einzelnen Paare seßhaft und bewohnen mit den Dompfaffen dicht bestrauchte Bachufer, halten sich auch gern in der Nähe des Getreides da auf, wo solches gestapelt wird, wie dies auf Halden in lichten Waldgegenden zu geschehen pflegt. Am Onon traf der sibirische Gimpel im September mit dem Seidenschwanze zusammen; hier belebte er die Inseln. Im Bureja-Gebirge ließen sich größere Banden erst zu Ende des September sehen. Sie waren, wie immer, außerordentlich munter. Niemals flogen sie gleichzeitig, vielmehr immer einzeln; dabei lockten sie fleißig. Der Flug geschieht in sehr flachen Bogen; die Flügel verursachen ein leises Schnurren.« In Daurien tritt unser Vogel häufig auf. Laut Dybowski, welchem wir die eingehendsten Mittheilungen über seine Lebensweise verdanken, verweilt er hier während des Sommers auf südlich gelegenen Berghängen und bezieht erst im Spätfrühlinge die Niederungen, zumal die dichten Haine, welche Flüsse, Bäche und Quellen der Steppe umgeben.
In der ersten Hälfte des Juni beginnt der Meisengimpel mit dem Baue seines Nestes. Dieses steht auf Zwergbirken, selten auf Weiden- und Lärchenbäumchen, regelmäßig anderthalb bis zwei Meter über dem Boden und immer möglichst nahe am Hauptstamme, ist so künstlich gebaut, als ein dickschnäbeliger Vogel überhaupt vermag, erinnert an das Nest des Gartensängers und besteht aus verschiedenartigen dürren, an der Sonne gebleichten Halmen, welche mit Nessel-, Weiden- und anderen Pflanzenfasern durchwebt, innerlich aber mit feinem Grase, Pferde-, Reh-und Hasenhaaren, manchmal auch Federn, zierlich und sauber ausgepolstert werden. Vier, seltener drei oder fünf, neunzehn Millimeter lange, vierzehn Millimeter dicke, denen des Karmingimpels ähnliche, sehr schöne Eier, welche auf tief blaugrünem Grunde spärlich, nur am dicken Ende dichter, mit bräunlichen Flecken und Strichen gezeichnet sind, bilden das Gelege. Während des Nestbaues läßt [345] das Männchen seinen leisen, jedoch angenehmen Gesang verlauten. Bei Annäherung eines Menschen warnt er das Weibchen durch einen pfeifenden Laut, infolgedessen letzteres dem Neste sofort entfliegt und sich entfernt. Verweilt man in der Nähe des Nestes, so kehrt es nach geraumer Zeit zwar wiederum zurück, legt aber auch jetzt seine Scheu nicht ab. Sucht der Kukuk sein Nest heim, so zerstört es letzteres selbst und benutzt die Stoffe zum Aufbaue eines neuen; verliert es das Gelege oder die Brut, so verläßt es sogleich die Gegend.
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