[450] Die Elster, Alster, Schalaster, Acholaster, Algarde, Heste, Heister, Argerst, Gartenrabe usw. (Pica caudata, vulgaris, melanoleuca, albiventris, europaea, germanica, septentrionalis, hiemalis, megaloptera, media, varia, sericea, bottanensis, butanensis, tibetana, japonica, chinensis und bactriana, Corvus pica und rusticus, Garrulus picus, Cleptes pica und hudsonicus), erreicht eine Länge von fünfundvierzig bis achtundvierzig und eine Breite von fünfundfunfzig bis achtundfunfzig Centimeter, wobei sechsundzwanzig Centimeter auf den Schwanz und achtzehn Centimeter auf den Fittig zu rechnen sind. Kopf, Hals, Rücken, Kehle, Gurgel und Oberbrust sind glänzend dunkelschwarz, auf Kopf und Rücken ins Grünliche scheinend, die Schultern, ein mehr oder minder vollständiges, oft nur angedeutetes Querband über den Rücken sowie die Untertheile weiß, die Schwingen blau, außen wie die Handschwingendecken grün, innen größtentheils weiß und nur an der Spitze dunkel, die Steuerfedern dunkelgrün, an der Spitze schwarz, überall metallisch, zumal kupferig schillernd. Das Auge ist braun, der Schnabel wie der Fuß schwarz. Bei den Jungen ist die Färbung gleich, jedoch matt und glanzlos. Mehrere Abarten, zum Theil auch ständig vorkommende, sind als besondere Arten aufgestellt worden, mit Sicherheit jedoch nicht zu unterscheiden.
Das Verbreitungsgebiet der Elster umfaßt Europa und Asien vom nördlichen Waldgürtel an bis Kaschmir und Persien. In den meisten Ländern und Gegenden tritt sie häufig auf, in anderen fehlt sie fast gänzlich. So sieht man sie in vielen Provinzen Spaniens gar nicht, wogegen sie in anderen gemein ist. Auch hohe Gebirge, baumfreie Ebenen und ausgedehnte Waldungen meidet sie. Feldgehölze, Waldränder und Baumgärten sind ihre eigentlichen Wohnsitze. Sie siedelt sich gern in der Nähe des Menschen an und wird da, wo sie Schonung erfährt, ungemein zutraulich oder richtiger aufdringlich. In Skandinavien, wo man sie gewissermaßen als heiligen Vogel des Landes ansieht, nimmt sie nicht in den Gärten, sondern in den Gehöften selbst ihre Wohnung und baut auf besonders für sie hergerichteten Vorsprüngen unter den Dächern ihr Nest. Sie ist, wo sie vorkommt, Standvogel im vollsten Sinne des Wortes. Ihr eigentliches Wohngebiet ist klein, und sie verläßt dasselbe niemals. Wird sie in der Gemarkung eines Dorfes ausgerottet, so währt es lange Jahre, bevor sie allgemach von den Grenzen her wieder einrückt. Nur im Winter streift sie, obgleich immer noch in sehr beschränktem Grade, weiter umher als sonst.
In Lebensweise und Betragen erinnert die Elster zwar vielfach an die Krähen, unterscheidet sich aber doch in mehrfacher Hinsicht nicht unwesentlich von den Verwandten. Sie geht schrittweise, ungefähr wie ein Rabe, trägt sich aber anders; denn sie erhebt den langen Schwanz und bewegt ihn wippend, wie Drossel oder Rothkehlchen thun. Ihr schwerfälliger, durchaus von dem der eigentlichen Raben verschiedener Flug erfordert häufige Flügelschläge und wird schon bei einigermaßen starkem Winde unsicher und langsam. Der Rabe fliegt zu seinem Vergnügen stundenlang umher; die Elster gebraucht ihre Schwingen nur, wenn sie muß. Sie bewegt sich von einem Baume zum anderen oder von dem ersten Gebüsche zu dem nächsten, unnützer Weise niemals. Ihre Sinne scheinen ebenso scharf zu sein wie die der Raben, und an Verstand steht sie hinter diesen durchaus nicht zurück. Sie unterscheidet genau zwischen gefährlichen und ungefährlichen Menschen oder Thieren: den ersteren gegenüber ist sie stets auf ihrer Hut, den letzteren gegenüber dreist und unter Umständen grausam. Gesellig wie alle Glieder ihrer Familie, mischt sie sich gern unter Raben und Krähen, schweift auch wohl mit Nußhehern umher, vereinigt sich aber doch am liebsten mit anderen ihrer Art zu kleineren oder größeren Flügen, welche gemeinschaftlich jagen, überhaupt an Freud und Leid gegenseitig den innigsten Antheil nehmen. Gewöhnlich sieht man sie familienweise. Ihre Stimme ist ein rauhes »Schak« oder »Krak«, welches auch oft verbunden wird und dann wie »Schakerak« klingt. Diese Laute sind Lockton und Warnungsruf und werden je nach der Bedeutung verschieden betont. Im Frühlinge vor und während der Paarungszeit schwatzt sie mit staunenswerthem Aufwande von ähnlichen und doch verschiedenen Lauten stundenlang, und das Sprichwort beruht deshalb auf thatsächlichem Grunde.
[451] Kerbthiere und Gewürm, Schnecken, kleine Wirbelthiere aller Art, Obst, Beeren, Feldfrüchte und Körner bilden die Nahrung der Elster. Im Frühjahre wird sie sehr schädlich, weil sie die Nester aller ihr gegenüber wehrlosen Vögel unbarmherzig ausplündert und einen reichbewohnten Garten buchstäblich verheert und verödet. Auch den Hühner- und Entenzüchtern, den Fasanerien und dem Federwilde wird sie lästig, fängt sogar alte Vögel und diese, wie Naumann sagt, oft ganz unvermuthet, weil sie beständig mit ihnen in Gesellschaft ist, jene sich vor ihr nicht fürchten und so in ihrer Sicherheit von ihr übertölpeln lassen. Ebenso betreibt sie freilich auch Mäusejagd und fängt und verzehrt viele schädliche Kerbthiere, Schnecken und sonstiges unnützes Gewürm, tritt aber überall als ein so räuberischer Vogel auf, daß sie unzweifelhaft unter nützlichen Thieren schlimmer haust als unter schädlichen, daher zu den letzteren gezählt werden muß.
Die Norweger behaupten, daß die Elster am Weihnachtstage das erste Reis zu ihrem Horste trage; in Deutschland geschieht dies gewöhnlich nicht vor dem Ende des Februar. Das Nest wird bei uns auf den Wipfeln hoher Bäume und nur da, wo sich der Vogel ganz sicher weiß, in niedrigen Büschen angelegt. Dürre Reiser und Dornen bilden den Unterbau; hierauf folgt eine dicke Lage von Lehm und nun erst die eigentliche Nestmulde, welche aus feinen Wurzeln und Thierhaaren besteht und sehr sorgsam hergerichtet ist. Das ganze Nest wird oben, bis auf einen seitlich angelegten Zugang, mit einer Haube von Dornen und trockenen Reisern versehen, welche zwar durchsichtig ist, den brütenden Vogel aber doch vollständig gegen etwaige Angriffe der Raubvögel sichert. Das Gelege besteht aus sieben bis acht, dreiunddreißig Millimeter langen, dreiundzwanzig Millimeter dicken, auf grünem Grunde braungesprenkelten Eiern. Nach etwa dreiwöchentlicher Brutzeit entschlüpfen die Jungen und werden nun von beiden Eltern mit Kerbthieren, Regenwürmern, Schnecken und kleinen Wirbelthieren groß gefüttert. Vater und Mutter lieben die Kinderschar ungemein und verlassen sie nie. Wir haben erfahren, daß eine Elster, auf welche wir geschossen hatten, mit dem Schrotkorn im Leibe noch fortbrütete. Wenige Vögel nähern sich mit größerer Vorsicht ihren Nestern als die Elstern, welche alle möglichen Listen gebrauchen, um jene nicht zu verrathen. In Spanien muß die Elster oft in derselben Weise Pflegemutterdienste verrichten wie die Nebelkrähe in Egypten: der Heherkukuk vertraut dort ihr seine Eier an, und sie unterzieht sich der Pflege des Findlings mit derselben Liebe, welche sie ihren eigenen Kindern erweist. Werden diese geraubt oder auch nur bedroht, so erheben die Alten ein Zetergeschrei und vergessen nicht selten die ihnen eigene Vorsicht. Um ein getödtetes Junge versammeln sich alle Elstern der Umgegend, welche durch das Klagegekrächze der Eltern herbeigezogen werden können.
Jung aus dem Neste genommene Elstern werden außerordentlich zahm, lassen sich mit Fleisch, Brod, Quark, frischem Käse leicht auffüttern, zum Aus- und Einfliegen gewöhnen, zu Kunststückchen abrichten, lernen Lieder pfeifen und einzelne Worte sprechen und bereiten dann viel Freude, durch ihre Sucht, glänzende Dinge zu verstecken, aber auch wieder Unannehmlichkeiten.
Der Mensch, welcher dem Kleingeflügel seinen Schutz angedeihen läßt, wird früher oder später zum entschiedenen Feinde der Elster und vertreibt sie erbarmungslos aus dem von ihm überwachten Gehege. Auch der Aberglaube führt den Herrn der Erde gegen sie ins Feld. Eine im März erlegte und an der Stallthüre aufgehangene Elster hält, nach Ansicht glaubensstarker Leute, Fliegen und Krankheiten vom Viehe ab; eine in den zwölf Nächten geschossene, verbrannte und zu Pulver gestoßene Schalaster aber ist ein unfehlbares Mittel gegen die fallende Sucht. Liebe, dessen trefflichem Berichte über die Brutvögel Thüringens ich vorstehende Angaben entnehme, meint, daß der letzterwähnte Aberglaube wesentlich dazu beigetragen habe, die früher in Thüringen häufigen Elstern zu vermindern: so viele von ihnen wurden erlegt, verbrannt und zerstoßen, um das fallsuchtheilende »Diakonissinnenpulver« zu erzielen. Ihre List und Verschlagenheit macht übrigens selbst dem geübtesten Jäger zu schaffen und fordert Verstand und Tücke des Menschen heraus. Außer dem Menschen stellen wohl nur die stärkeren Raubvögel dem pfiffigen und muthigen Vogel nach. Am schlimmsten treibt es der Hühnerhabicht, gegen dessen Angriffe nur dichtes Gebüsch rettet. [452] Eine von ihm ergriffene Elster schreit, nach Naumanns Beobachtungen, kläglich und sucht sich mit grimmigen Bissen zu vertheidigen: was aber der Habicht gepackt hat, muß sterben.
*
In Süd- und Mittelspanien tritt neben der gemeinen Elster eine Verwandte auf, welche zum Vertreter einer besonderen Untersippe (Cyanopolius) erhoben worden ist. Die Unterscheidungsmerkmale beschränken sich auf den schwächeren Schnabel und die verschiedene Färbung.
Buchempfehlung
Die neunzehnjährige Else erfährt in den Ferien auf dem Rückweg vom Tennisplatz vom Konkurs ihres Vaters und wird von ihrer Mutter gebeten, eine große Summe Geld von einem Geschäftsfreund des Vaters zu leihen. Dieser verlangt als Gegenleistung Ungeheuerliches. Else treibt in einem inneren Monolog einer Verzweiflungstat entgegen.
54 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro