Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata)

[164] Auf dem Festlande Mittelamerikas wird das Truthuhn durch das etwas kleinere prachtvolle Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata und aurea) vertreten, welches, wie der Name andeutet, die Schönheit des Pfaues mit der Gestalt des Truthuhnes vereinigt. Sein glänzendes Gefieder ist auf dem Halse, dem Mantel und der Unterseite grün, durch eine schwarze Randlinie und einen goldgrünen Saum gezeichnet, auf Rücken und Bürzel blau, smaragdgrün schillernd, und breiter goldgrün gesäumt, der Saum kupferfarben schimmernd, das Oberschwanzdeckgefieder durch prachtvolle, doppelte, grünblaue Augenflecke geziert, das Oberflügeldeckgefieder smaragdgrün, schmal sammetschwarz gesäumt, die Reihe der größten Flügeldecken golden kupferroth, ihr verdeckter Theil smaragdgrün, grau und weiß gezeichnet; die Schwingen sind außen weiß gerandet, innen durch schmale, schiefe, weiße Bänder in die Quere gezeichnet, die Schwanzfedern röthlich braungrau, fein schwarz gemarmelt und am Ende gelb gesäumt, vor demselben ebenfalls mit Augenflecken geschmückt. Das Auge ist rothbraun, der nackte, warzige Kopf veilchenfarben, der nackte Oberhals, auf dessen Kropftheile fünf bis sechs größere Warzen stehen, bläulich, der Schnabel gelb, der Fuß karminroth. Das Weibchen ist ähnlich, aber minder schön gefärbt und gezeichnet.

Ueber das Freileben des Truthuhnes liegen viele Berichte vor, keiner von ihnen aber übertrifft die Schilderung, welche wir Audubon verdanken. Die Wälder der Staaten Ohio, Kentucky, Illinois und Indiana, Arkansas, Tennessee und Alabama beherbergen noch heutigen Tages Truthühner in namhafter Anzahl. In Georgia und Carolina sind sie minder häufig, in Virginien und Pennsylvanien schon selten, in den dichtbevölkerten Staaten bereits ausgerottet. Sie leben zeitweilig in großen Gesellschaften und treten unregelmäßige Wanderungen an, indem sie weidend die Waldungen durchwandern, bei Tage auf dem Boden fortlaufen und nachts auf hohen Bäumen rasten. Gegen den Oktober hin, wenn noch wenige von den Baumsamen zu Boden gefallen sind, reisen sie dem Tieflande des Ohio und Mississippi zu. Die Männchen vereinigen sich in Gesellschaften von zehn bis hundert Stück und suchen ihre Nahrung für sich allein; die Weibchen schlagen sich mit ihren halberwachsenen Jungen in fast ebenso zahlreiche Banden zusammen und verfolgen abgesondert denselben Weg. So geht es weiter, immer zu Fuße, so lange nicht ein Jagdhund oder ein anderes vierfüßiges Raubthier störend dazwischentritt oder ein breiter Fluß den Weg abschneidet. Gelangt eine Truthuhngesellschaft ans Ufer eines solchen, so sammelt sie sich zunächst auf dem höchsten Punkte und verweilt hier manchmal tagelang, gleichsam berathend, ehe sie sich entschließt, überzusetzen. Die Männchen blähen sich auf und kollern, als ob sie sich selbst Muth einzusprechen hätten, und die Weibchen und Jungen ahmen ihnen nach, so gut sie können, bis schließlich bei ruhigem Wetter das Wagstück unternommen und der Strom überflogen wird. Ein einziges »Gluck« des Leithahnes gibt das Zeichen, und die Flugreise beginnt. Den alten Vögeln wird es nicht schwer überzusetzen, selbst wenn der Fluß eine englische Meile breit sein sollte; die jüngeren und minder kräftigen aber fallen oft unterwegs auf das Wasser herab und müssen dann versuchen, das Ufer schwimmend zu erreichen. Sie schließen dabei den Flügel fest an den Leib, breiten den Schwanz, strecken den Hals nach vorn und greifen mit ihren Füßen so weit aus wie sie können, erreichen auch gewöhnlich das feste Land. Hier aber laufen sie anfänglich wie betäubt umher und vergessen die ihnen sonst eigene Vorsicht oft so, daß sie dem Jäger leicht zur Beute fallen. Wenn sie in eine [164] nahrungsreiche Gegend kommen, pflegen sie sich in kleinere Gesellschaften zu zertheilen, und nunmehr mischt sich alt und jung unter einander. Dies geschieht gewöhnlich um die Mitte des November. Später kann es vorkommen, daß sie sich, abgemattet von der Wanderung, Bauernhäusern nähern, unter den Hühnerstand mischen und mit ihm in Hof und Stall eintreten.

Um die Mitte des Februar regt sich der Fortpflanzungstrieb. Die Weibchen trennen sich von den Männchen, und von nun an schlafen die Geschlechter gesondert, jedoch in nicht weiten Entfernungen von einander. Stößt eines der Weibchen seinen Lockruf aus, so antworten alle Hähne, welche ihn hören, mit schnell auf einander folgenden rollenden Tönen. Erschallt der Lockruf vom Boden herauf, so fliegen alle sofort hernieder, schlagen in dem Augenblicke des Auffallens, gleichviel, ob ein Weibchen in Sicht ist oder nicht, ein Rad, werfen den Kopf auf die Schulter zurück, schleifen mit den Flügeln und geben die sonderbaren Stellungen, Laute und Geräusche zum besten, welche wir bei den gezähmten Nachkommen zu sehen gewohnt sind. Dabei geschieht es nicht selten, daß zwei Männchen mit einander in Streit gerathen und so heftig kämpfen, daß einer unter den Schlägen des anderen sein Leben aushauchen muß.


Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata). 1/5 natürl. Größe.
Pfauentruthuhn (Meleagris ocellata). 1/5 natürl. Größe.

Als auffallend hebt Audubon hervor, daß der Sieger seinen getödteten Gegner keineswegs mit Haß betrachtet, sondern sich vor ihm [165] ebenso geberdet, als ob er eine Henne liebkosen wolle. Hat der Hahn eine solche entdeckt und sich ihr genähert, so ahmt sie, wenn sie älter als ein Jahr ist, seine Stellungen in der Regel nach, naht dann aber ihrerseits, legt sich auf den Boden und fordert ihn so zur Begattung auf. Jüngeren Hennen gegenüber trägt sich der verliebte Hahn weniger pomphaft, bewegt sich mit großer Schnelligkeit, erhebt sich zuweilen vom Boden, fliegt um sie herum, rennt nach dem Auffußen mit aller Macht auf sie zu, verscheucht ihre Furcht durch ein Knurren und erringt sich schließlich auch ihre Willfährigkeit. Es scheint, daß ein Hahn und eine Henne, welche in dieser Weise sich vereinigen, während des Sommers in einer gewissen Verbindung bleiben, wenn schon der erstere seine Aufmerksamkeit keineswegs einem einzigen Weibchen widmet. Die Hennen ihrerseits folgen dem bevorzugten Hahne, bis sie zu legen beginnen und nunmehr sich vereinzeln und vor dem Hahne verstecken. Dieser zeigt sich lässig und faul, sobald er seinem Fortpflanzungstriebe genügt hat, unterläßt Kämpfe mit anderen seiner Art, kollert weniger und bekümmert sich kaum noch um die Hennen, welche nun ihrerseits um den unhöflichen Gemahl stöhnen, ihm um den Bart gehen, ihn liebkosen und alle Mittel in Bewegung setzen, die erstorbene Glut seiner Gefühle wieder anzufachen. Schließlich trennen sich die Hähne gänzlich von den Hennen, und dann werden sie zuweilen so faul, so gleichgültig, daß sie selbst den feindlichen Menschen kaum mehr beachten.

Wenn das Frühjahr trocken ist, sucht sich die Henne um die Mitte des April einen geeigneten, möglichst versteckten Nistplatz aus. Das Nest besteht aus einer seichten, liederlich mit Federn ausgekleideten Vertiefung; das Gelege zählt zehn bis funfzehn, zuweilen auch zwanzig, auf dunkel rauchgelbem Grunde roth gepunktete Eier. Dem Neste naht sich die Henne stets mit größter Vorsicht und deckt, wenn sie es verläßt, die Eier sorgfältig mit trockenen Blättern zu, so daß es schwer ist, das eine und die anderen zu bemerken, auch in der That nur wenige gefunden werden, von denen man nicht die erschreckte Mutter vertrieb. Gewahrt diese, während sie brütet, einen Feind, so drückt sie sich nieder und rührt sich nicht, bis sie merkt, daß sie entdeckt wurde. Audubon erzählt, daß er, wenn er sich durch Pfeifen oder lautes Sprechen den Anschein der Unachtsamkeit gab, einem Neste oft bis auf wenige Schritte nahen konnte, ohne die Henne zu verscheuchen, wogegen sie, wenn er vorsichtig heranschlich, stets in einer Entfernung von wenigstens zwanzig Schritten aufstand und davonlief. Uebrigens verläßt die Alte, welche von einem Menschen gestört wurde, ihr Nest nicht; wohl aber geschieht dies, wenn ein Raubthier ihr einige von den Eiern genommen oder ausgetrunken hat. Wird das Gelege zerstört, so brütet sie zum zweiten Male. Zuweilen geschieht es, daß mehrere Mütter in ein und dasselbe Nest legen: Audubon fand einmal ihrer drei auf zweiundvierzig Eiern sitzen. In solchem Falle wird das gemeinschaftliche Nest stets von einem der Weibchen bewacht, so daß keines der schwächeren Raubthiere die Brut gefährden kann. Gegen das Ende der Bebrütung hin verläßt die Henne unter keiner Bedingung ihr Nest, gestattet auch, wie die Auerhenne, daß man einen Zaun um dasselbe anbringt.

Audubon war einst Zeuge von dem Ausschlüpfen einer Brut junger Truthühner, deren er sich bemächtigen wollte. Wenige Schritte von dem Neste entfernt lag er beobachtend auf dem Boden. Die Alte erhob sich zu halber Höhe ihrer Füße, schaute ängstlich auf die Eier, gluckste besorgt, entfernte vorsichtig jede Schalenhälfte und liebkoste mit ihrem Schnabel die Küchlein, welche taumelnd versuchten, das Nest zu verlassen. Er sah sie alle die Schale verlassen und wenige Minuten später, schwankend, rollend und rennend sich vorwärts bewegen. Ehe die Alte das Nest verließ, schüttelte sie sich heftig, ordnete die Federn, nahm eine ganz andere Haltung an, erhob sich, streckte ihren Hals lang aus und sandte ihre Blicke sichernd nach allen Seiten hin, breitete ihre Flügel ein wenig, gluckste zärtlich und bemühte sich, die Küchlein zusammenzuhalten.

Da das Ausschlüpfen gewöhnlich erst gegen Abend geschieht, kehrt die Familie in der Regel zum Neste zurück und verbringt hier die erste Nacht. Hierauf entfernt sie sich auf eine gewisse Strecke und sucht sich das höchste Land der Gegend aus, weil die Mutter mit Recht Nässe als das ärgste Uebel für ihre zarten Jungen fürchtet. Schon mit dem vierzehnten Tage ihres Lebens sind [166] die Jungen, welche bisher auf dem Boden verharren mußten, fähig, sich zu erheben, und von jetzt anfliegt die Familie gegen Abend stets zu einem niederen Zweige auf und verbringt hier, unter den gewölbten Flügeln der Mutter geschützt und geborgen, die Nacht. Noch etwas später verläßt die Alte mit den Küchlein die Wälder während des Tages, um auf Blößen oder Wiesen den Reichthum an verschiedenen Beeren auszunutzen und den wohlthätigen Einfluß der Sonne zu genießen. Von jetzt an wachsen die Jungen außerordentlich schnell. Schon im August sind sie befähigt, sich vor einem Angriffe vierfüßiger Thiere zu schützen; ja, der junge Hahn fühlt bereits männliche Kraft in sich und übt sich in pomphaftem Einherschreiten und Kollern. Um diese Zeit finden sich Alte und Junge wieder zusammen und beginnen ihre Wanderung.

Es geschieht nicht selten, daß wilde Truthähne sich gezähmten zugesellen, mit den Hähnen streiten und um die Liebe der Hennen werben. Von letzteren werden sie mit Freuden empfangen, aber auch von deren Eigenthümern gern gesehen, weil die Küchlein, welche solchen Besuchen ihr Dasein verdanken, sehr zu ihrem Vortheile vor den in der Gefangenschaft gezüchteten sich auszeichnen. Oft legt man auch die im Walde gefundenen Eier zahmen Truthühnern unter und erzielt hierdurch Junge, welche zwar noch etwas von den Sitten der wildlebenden beibehalten, aber doch bald an die Gefangenschaft sich gewöhnen und unter Umständen sehr zahm werden. Audubon besaß einen Hahn, welcher wie ein Hund nachfolgte und sich im wesentlichen ganz wie ein zahmer betrug, aber niemals mit den anderen in den Stall ging, sondern zum Schlafen stets den First des Gehöftes wählte. Als er älter wurde, flog er tagtäglich in den Wald hinaus, kehrte jedoch mit Sonnenuntergang zurück.

Obgleich das Truthuhn Pekannüsse und die Frucht der Winterrebe bevorzugt und sich da, wo diese Früchte häufig sind, stets in Menge findet, frißt es doch auch Gras und Kräuter der verschiedenen Art, Getreide, Beeren, Früchte und ebenso Kerbthiere, kleine Heuschrecken und dergleichen.

Im Laufen öffnen die Truthühner oft die Flügel ein wenig, als ob ihnen das Gewicht ihres Leibes zu schwer wäre; dann rennen sie auf einige Meter mit weit geöffneten Schwingen dahin, oder springen zwei-oder dreimal hoch in die Luft und setzen hierauf ihren Weg auf dem Boden fort. Beim Futtersuchen tragen sie den Kopf hoch, als ob sie beständig Umschau halten müßten; währenddem kratzen sie mit den Füßen, halten plötzlich ein und nehmen mit dem Schnabel etwas vom Boden auf, gleichsam als ob sie das mit den Zehen gefühlt hätten. Während des Sommers begeben sie sich auf die Waldpfade oder Wege, auch wohl auf frischgepflügte Felder, um hier sich zu paddeln. Im Winter nach längerem Schneefalle und namentlich, wenn der Frost eine harte Kruste auf die Schneedecke gelegt hat, verweilen sie manchmal drei oder vier Tage nach einander auf ihren Schlafplätzen und fasten; sind aber Ansiedelungen in der Nähe, so kommen sie, Nahrung suchend, zu den Ställen oder zu den Kornfeimen. Bei Schneewetter durchlaufen sie, aufgescheucht, sehr bedeutende Strecken, und zwar, so ungeschickt dies aussieht, mit solcher Schnelligkeit, daß ihnen kein Pferd nachkommen kann; dagegen geschieht es im Frühjahre, wenn sie sich durch ihre Liebestollheit abgemattet haben, auch wiederum, daß ein guter Hund sie im Laufen fängt.

Unter den zahllosen Feinden, welche ihnen nachstellen, sind nächst dem Menschen die gefährlichsten der Luchs, die Schneeeule und der Uhu. Der Luchs verfolgt alt und jung, säuft auch die Eier aus; die Eulen nehmen namentlich nachts viele von den Bäumen weg; gegen sie aber vertheidigen sich die Truthühner oft mit Erfolg. Wird eine lautlos nahende Eule entdeckt, so mahnt ein warnendes »Gluck« die ganze Gesellschaft, auf ihrer Hut zu sein. Sofort erheben sich sämmtliche Schläfer und achten auf jede Bewegung der Eule, welche schließlich, nachdem sie sich ein Opfer ausersehen, wie ein Pfeil gestrichen kommt, auch den Truthahn unabänderlich ergreifen würde, wüßte dieser nicht auszuweichen. Sobald die Eule heranschießt, beugt er seinen Kopf tief herab und breitet gleichzeitig seinen Schwanz über den Rücken, verwirrt dadurch den Angreifer, welcher günstigenfalls ein paar Federn erwischt, fällt auf den Boden herab und rennt dem ersten besten Busche zu, um hier sich zu verbergen.

[167] Jagd und Fang des Truthuhnes werden überall in Amerika mit Leidenschaft, nicht immer aber auch mit Schonung betrieben. Man erlegt den Hahn besonders gern während der Balze, welche er zuweilen auf den Bäumen abhält, und beschleicht ihn dann ganz in derselben Weise, wie wir unseren Auerhahn, oder gebraucht Hunde zum Aufstöbern, stellt sich auf den erkundeten Schlafplätzen oder in der Nähe nahrungversprechender Plätze an usw. Die Jagd erfordert einen ausgelernten Jäger, weil die Scheu dieses Wildes Sonntagsschützen das Handwerk von vornherein verleidet. Viel leichter ist der Fang, eine Art desselben auch sehr bezeichnend für die Dummheit dieser Vögel. In den Waldungen schichtet man Stämme von zwei bis drei Meter Länge wie die Balken eines Blockhauses auf, bedeckt das Gebäude oben mit Reisig und bringt unten eine Thüre an, groß genug, einen starken Hahn durchzulassen. Das Innere der Falle wird reichlich mit Mais geködert und von der Thüre aus dieses beliebte Lockfutter auf eine Strecke hin ebenfalls verstreut. Vorübergehende Truthühner finden die erwünschte Speise, folgen ihr bis zur Thüre, sehen im Inneren der Falle reichliche Nahrung und kriechen hinein; einer folgt dem anderen, und so vereinigt sich zuweilen das ganze Volk in dem geräumigen Inneren und frißt die hier verstreuten Körner auf. Anstatt nun aber wieder zur Thüre hinauszukriechen, bleiben die albernen Vögel in der Falle, stecken überall zwischen den Balken die Köpfe durch und mühen sich vergeblich ab, hier sich durchzuzwängen. Keiner von ihnen findet den Ausweg, und der Fänger holt sich am nächsten Morgen die ganze Gesellschaft heraus. Audubon versichert, daß man hier sehr oft alle verhungert findet, weil der Fänger, übersättigt von Truthahnwildpret, es nicht mehr der Mühe werth hielt, die Fallen zu besichtigen. Noch im Jahre 1834 war der Fang so ergiebig, daß einzelne Jäger das große Dorf New Harmony mit diesem Wildprete versehen konnten. Sie ritten, wie der Prinz von Wied erzählt, die Straßen entlang, hatten bis zwanzig Stück an ihren Pferden aufgehängt und verlangten nicht mehr als einen Dollar für das Stück. Noch früher waren Truthühner in denselben Gegenden so häufig, daß es zwei guten Schützen nicht besondere Mühe kostete, bis einhundert Stück auf einem Jagdzuge zu erlegen.

Das Truthuhn wurde sehr bald nach der Entdeckung Amerikas zu uns herübergebracht. Oviedo ist der erste Schriftsteller, welcher seiner erwähnt. »In Neuspanien«, sagt er, »gibt es große und sehr schmackhafte Pfauen, von denen viele nach den Inseln und in die Provinz Castilia del Oro geschafft worden sind und daselbst in den Häusern der Christen ernährt werden. Die Hennen sehen schlecht aus; die Hähne aber sind schön, schlagen auch oft ein Rad, obgleich sie keinen so großen Schweif haben wie die Pfauen in Spanien.« Es folgt nun eine getreue Beschreibung des Truthahnes und schließlich die Bemerkung, daß das Fleisch dieser »Pfauen« sehr gut und entschieden besser und zarter sei als das des spanischen. Gyllius gedenkt des Truthuhnes als Hausvogel der Europäer; im Jahre 1557 war es aber noch so selten und kostbar, daß der Rath von Venedig bestimmte, auf welche Tafel »indische Hühner« kommen dürften. In England soll es im funfzehnten Jahre der Regierung Heinrichs des Achten oder 1524, in Deutschland ungefähr um das Jahr 1534, in Frankreich noch etwas später eingeführt worden sein. Gegenwärtig ist es als Hausvogel überall verbreitet. Am häufigsten wohl findet man es in Spanien und namentlich in den Gehöften, welche fern von den Dörfern inmitten des dürren Campo er richtet wurden. Hier sah ich Herden von mehreren hundert Stück unter der Obhut besonderer Hirten, welche sie morgens zur Weide trieben, übertags zusammenhielten und abends wieder nach Hause brachten. Bei uns zu Lande werden Truthühner selten gehalten, obgleich ihre Zucht sich, wenn sie ins große getrieben wird, wohl verlohnt. Manche Hofbesitzer achten sie hoch; die meisten Menschen aber mögen sie ihres polternden, jähzornigen und zanksüchtigen Wesens halber nicht leiden. Ihre Dummheit ist erschreckend; ungewohntes bringt sie gänzlich außer Fassung. »Ein wahrer Jammer ist es«, sagt Lenz, »mit anzusehen, wie sie im Sommer, vorzüglich wenn sie Küchlein führen, oft den ganzen lieben Tag gen Himmel blicken und unaufhörlich ein jammerndes ›Jaub, jaub‹ ausstoßen, als ob sie die Sonne für einen Adler und die Wolken für einen Geier hielten.« Lächerlich ist es, füge ich [168] hinzu, wie sie vor einem kleinen Thurmfalken angsterfüllt die Flucht ergreifen, als säße ihnen der böse Feind im Nacken. Aber sie haben auch ihre sehr guten Seiten, und namentlich die unter allen Umständen sich gleichbleibende Mütterlichkeit der Henne ist des vollsten Lobes werth.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Sechster Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Dritter Band: Scharrvögel, Kurzflügler, Stelzvögel, Zahnschnäbler, Seeflieger, Ruderfüßler, Taucher. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 164-169.
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