Siebzehnte Familie: Armflosser (Pediculati)

[129] Zu den häßlichsten und ungestaltetsten aller Fische gehören die Armflosser (Pediculati). »Ein sonder scheußlich, häßlich Thier sollen diese Meerkrotten seyn«, sagt der alte Geßner, von der bei uns vorkommenden Art der Familie sprechend, »an etlichen orten auff drey Elen mit jhrer lenge kommen, mit so einem weiten maul, daß sie auch einen gemeinen Jaghundt verschlingen mögen. Ist sonst von zähem Fleisch als flach von gestalt, mit einem grossen dicken kopff, also daß gar nah nichts an dem Fisch ist, dann der kopff, wie ein gropff. Der vnder Kiffbacken streckt sich für den obern herauß, auß vrsach jhm sein Maul allzeit offen steht. Auff dem kopff vnd vmb die[129] augen hat er viel spitz oder Dörn, sein Kiffbacken beyde der rachen, Zungen voller zänen. Vornen auff dem Kopff hat er zwey streußle, auch etliche hinden auff dem Rücken, aber kleiner, welche sehr vbel stincken sollen. So diese Fisch außgezogen, vnd weit zerspannt werden, vnd ein Liecht darein gethan wirt, so gibt es ein wunder scheußliche Laternen, als dann auch sonst der Fisch scheußlich anzusehen ist, aus vrsach jn etliche Nationen Meerteuffel nennen. Diese Fisch sollen an krautechten Gestaden wohnen, sehr frässig seyn, dem Menschen nachstellen, auff die schwimmenden acht habeu, sie bey den Gemächten erfassen, vnd zu grund ziehen, endtlich fressen. Er füllet sich auch so voll anderer Fischen, daß die Einwohner der Meer Gestaden, wo sie einen grossen fahen, hauwen sie jhn auff, daß sie die frischen Fisch jhm auß seinem Bauch nehmen. Viel der Fischen sind die sich mit sonderm list, vnd betrug so jnen von natur geben weyden und speisen. In solchem soll diese Meerkrott andere vbertreffen, dann als gehört, so haben sie vornen an jhrem Maul Züttele oder Hörnle, welche sie bewegen, in dem lätt oder kaat verschlossen, als ob es Würmle weren, welchen so die kleinen Fisch nachhalten als Würmlein, werden sie von jhnen gefressen. Das Fleisch der Thiere sol nicht in die speiß kommen, dann es ist blutt, vnlieblich, eines häßlichen geruchs. So sol der Bauch von jhm das beste sein.« Diese Beschreibung ist im wesentlichen richtig; denn die Armflosser leben in der That ganz ähnlich, wie Geßner es geschildert, erfüllen noch heutigen Tages jedes Auge mit Abscheu und sind in Wahrheit so gefräßig, daß auch gegenwärtig die englischen Fischer der von Geßner beschriebenen Art den Bauch ausschneiden, um die darin befindlichen Fische zu gewinnen und zu verwerthen.

Als wichtigstes Merkmal der Familie, welche nicht mehr als ein Dutzend Arten zählt, müssen die verlängerten Handknochen der Brustflossen angesehen werden, welche gewissermaßen einen Fuß bilden und auch wirklich zur Stütze dienen, ja sogar sie befähigen, nach Art der Säugethiere über schlammigen Grund wegzukriechen. Die vordere Rückenflosse pflegt, wenn vorhanden, nur aus einzeln gestellten Strahlen zu bestehen; die Bauchflossen sind kehlständig. Sonderbare Anhängsel, welche wirklich gebraucht werden, um andere Fische herbeizulocken, stehen auf dem meist ungeheuerlich verbreiterten Kopfe; die Kiemendeckel öffnen nur eine kleine Spalte oder runde Höhle unter den Brustflossen; der Unteraugenknochen fehlt; das übrige Geripp ist halb knorpelig, die Haut in der Regel schuppenlos, bei einzelnen Geschlechtern jedoch mit knochigen Höckern oder dickfüßigen Dornen besetzt. Das Maul ist außerordentlich groß, der Magen ein weiter Sack, der Darmschlauch hingegen sehr kurz.

In den nördlichen Meeren leben wenige Arten; denn auch diese Familie gehört vorzugsweise den Gleicherländern an und entfaltet hier ihre eigentliche Mannigfaltigkeit. Ueber die Lebensweise sind eigentlich nur bei einer Art Beobachtungen angestellt worden; diese aber genügen vollkommen, um zu beweisen, daß das Wesen dieser Fische mit ihrer Gestalt im Einklange steht, nämlich ebenso sonderbar und eigenthümlich ist wie diese.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 129-130.
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