[391] Der gemeine Sackträger, Mohrenkopf (Psyche unicolor oder graminella), mag als die verbreitetste Art ein Bild von diesen interessanten Faltern geben. Er zeichnet sich zunächst dadurch aus, daß die Raupen der verschiedenen Geschlechter verschiedene Säcke fertigen. Der große Sack des Männchens (e) trägt im vorderen Theile allerhand umfangreiche Pflanzenabfälle, der des Weibchens (d) hat eine weit gleichmäßigere Oberfläche und wird nie so lang wie jener.
Da die Raupe überwintert, findet man die Säcke vom Spätherbste ab an geschützten Orten, besonders auch an Baumstämmen festgesponnen. Mit dem Erwachen alles Lebens im nächsten Frühlinge beißt die Raupe die jenen festhaltenden Seidenfäden durch, sucht Gras auf, um sich weiter zu ernähren, bis etwa Mai oder Anfang Juni, zu welcher Zeit die Verpuppung in der vorher angegebenen Weise erfolgt. In unserer Abbildung erscheint der weibliche Sack bereits angesponnen, der männliche sucht sich an dem Stamme erst noch einen guten Platz dazu. Die Raupe ist gelblich, grauschwarz punktirt, die Puppe gelbbraun. Nach spätestens vier Wochen erscheint der Schmetterling. Das schwarzbraune Männchen (a) hat weiße Fransenspitzchen und einzelne weiße Zottenhaare am Bauche, an den Hinterschienen nur Endsporen. Die traurige Gestalt des madenförmigen Weibchens (b), nachdem es die Puppe (c) verlassen, kommt gar nicht zum Vorscheine, hält sich aber am hinteren offenen Ende des Sackes auf und wartet in Demuth bis – – einer kommt, um zu freien. Der Hinterleib des Männchens besitzt eine ungemeine Streckbarkeit und kann behufs der Paarung tief in den weiblichen Sack hinein gesteckt werden, wo ihm das zapfenartige Ende des weiblichen Hinterleibes entgegenkommt. Diesem fehlt nämlich eine Legröhre ebenso, wie entwickelte Augen, gegliederte Fühler und ordentliche Beine. Es wurde oben bemerkt, daß bei dieser Art jungfräuliche Fortpflanzung beobachtet worden sei. Ich will dies nicht leugnen, aber doch auf zwei Umstände aufmerksam machen, welche dazu angethan sind, eine Täuschung zu veranlassen und zu allergrößter Vorsicht bei derartigen Beobachtungen aufzufordern. Nach erfolgter Begattung schiebt sich das Weibchen in die verlassene Puppenhülse zurück, um seine Eier in dieselbe abzusetzen. Wie leicht kann es nun geschehen, daß man es einsammelt und bei näherer Untersuchung für eine Puppe hält; kommen später junge Psychenraupen zum Vorscheine, so liegt die Behauptung nahe, daß hier [391] Parthenogenesis stattgefunden habe. Aber nicht bloß die Puppenhülse wird voll Eier gepfropft, sondern der ganze Sack, welcher sich dann dem Auge und Gefühle prall darstellt, als wenn er bewohnt wäre, und besonders glaubt man die Puppe darin zu fühlen, und hierin liegt eine weitere Möglichkeit der Täuschung. Die Geschlechtsorgane des Weibchens sind vollkommen entwickelt und weisen entschieden darauf hin, daß, wenn ohne vorhergegangene Befruchtung Eier gelegt wurden, welche sich entwickelten, ein einzelner Ausnahmefall vorlag. Sobald die Räupchen die Eischalen verlassen haben, spinnt sich jedes sein Häuschen, welches anfangs, wie wir auch an der Spitze des männlichen sehen, ohne Bekleidung ist und nur aus den Seidenfäden des Spinnstoffes besteht; erst mit der durch das Wachstum der Raupe bedingten Vergrößerung werden fremde Gegenstände eingewebt. Ich habe übrigens allen Grund anzunehmen, daß bei gewissen Arten das Futteral nicht durch Ansatz vergrößert, sondern aufgezehrt und durch ein größeres, neues ersetzt wird. Lange Zeit dient der jungen Raupe die Geburtsstätte als Schutz und zur Ernährung, nach und nach trennt man sich, und jede geht ihren eigenen Weg. – Wieder anders gestalten sich die Verhältnisse im einzelnen bei der Gattung Fumea und einer dritten Epichnopteryx, deren Arten im weiblichen Geschlechte etwas mehr entwickelt sind, als die der Gattung Psyche.
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