Simpson, Sir James Young

Simpson, Sir James Young
Simpson, Sir James Young

[1599] Simpson, Sir James Young, Bart., zu Edinburg, sehr berühmter Geburtshelfer und Gynäkolog, geb. 7. Juni 1811 zu Bathgate (Linlithgowshire), war anfänglich Lehrling seines Vaters, eines Bäckers, bereitete sich aber selbst zu höheren Studien vor, konnte mit Hilfe seines älteren Bruders und eines Stipendiums seit 1827 sich dem Studium der Med. in Edinburg widmen, wurde 1830 Lic. des R. C. S. Edinb., praktizierte kurze Zeit in dem Dorfe Inverkop am Clyde, wurde 1832 Doktor und von dem Prof. der Pathol. John Thomson zu seinem Vorlesungs-Assistenten, sowie von der (die Elite der älteren Studenten und jüngeren Ärzte umfassenden) Royal Med. Soc. zum Präsidenten erwählt. Bald darauf wurde er Dozent der Geburtshilfe an der extra-akad. Schule. 1840 erhielt er, erst 29 Jahre alt, nach hartem Kampfe den durch den Tod von Hamilton erledigten Lehrstuhl der Geburtshilfe und wurden nunmehr die Vorträge über dieselbe, die bisher etwas vernachlässigt worden waren, die gesuchtesten an der ganzen Univ. S.'s wachsende Popularität als Arzt hielt damit gleichen Schritt, wie sich das bei seiner Persönlichkeit,[1599] in der sich männliche Kraft mit weiblicher Zartheit in bewundernswerter Weise vereinigten, leicht erklärt. Seine Praxis nahm Dimensionen an, die ins Enorme gingen. Nach der von Morton (1846) zuerst ausgeführten Ätherisierung eines Pat. behufs Zahn-Extraktion war S. der erste, welcher dieselbe (1847) auch bei einer Entbindung anwendete und nach längerem Experimentieren die Vorzüge des Chloroforms vor dem Äther entdeckte. Er machte zum ersten Male (1847) von demselben bei einer Entbindung Gebrauch und legte der Edinb. Med.-Chir. Soc. bald darauf seine segensreiche Entdeckung vor, die 4 Tage später publiziert wurde, musste dieselbe aber in der Folge wiederholt gegen manche Widersacher, darunter auch theologische, und unter den Ärzten namentl. gegen Jacob Bigelow (1870) noch fast auf dem Sterbebette verteidigen. Sein Hauptwerk über diesen Gegenstand war: »Anaesthesia; or, the employment of chloroform and ether in surgery, midwifery, etc.« (1849). 1848 schrieb er u.a.: »On the attitude and positions of the foetus in utero«, über »Medicated pessaries«, über »Retroversion of the unimpregnated uterus«, sowie über eine seiner Ansicht nach erforderliche Umwälzung des geltenden Hosp.-Systems durch Errichtung von Dorf- oder Pavillon-Hosp., und begann damit eine Agitation, die noch zu verschiedenen Aufsätzen Anlass gab (vergl. die ältere Quelle). 1849 wurde er zum Präsidenten des Roy. Coll. of Physic., 1852 der Edinb. Roy. Med.-Chir. Soc., 1853 zum auswärt. Mitgliede der französ. Acad. de méd. erwählt und erhielt 1856 von der Acad. des sc. die goldene Medaille und einen Monthyon-Preis von 2000 Frcs., publizierte 1853 die 3. Aufl. eines Buches über: »Homoeopathy, its tenets and tendencies, theoretical, theological, and therapeutical« und in steigender Proportion eine immer grössere Zahl von Aufsätzen und Mitteilungen. Auch erschienen in dieser Zeit seine bis[1600] dahin zerstreut publizierten Abhandlungen, gesammelt als: »The obstetric memoirs and contributions edited by Priestley and Storer« (2. voll., Edinb. 1855 bis 56). In das Jahr 1858 fallen seine ersten Publikationen über die von ihm mit Metall-Suturen an Tieren gemachten Experimente; dazu gehört ein Brief über: »Iron-thread sutures and splints in vesico-vaginal fistulae« – »Treatment of hydrocele by iron-wire seton«. Daran schlossen sich, von 1860 an, seine Publikationen über Verschliessung von Gefässen durch Nadeldruck: »On acupressure in amputations« (Med. Times and Gaz., 1860) – »Clinical lectures on acupressure« (Ib. 1864), zusammengefasst in der Schrift: »Acupressure, a new method of arresting surgical haemorrhage and of accelerating the healing of wounds« (1864). Wie schon früher, erschienen von ihm auch jetzt historische und archäolog. Abhandlungen, ferner über britische archaische Sculpturen, römische med. Stempel u.s.w. aber auch med. 1866 wurde er zum Baronet und seitens der Univ. Oxford zum Ehrendoktor der Rechte ernannt, 1869 erhielt er das Ehrenbürgerrecht (freedom) der Stadt Edinburg. S. starb 6. Mai 1870. Er war eine durch und durch harmonische Natur, der es gegeben war, der Menschheit zu nützen, wie wenige. Als Entdecker der Chloroform-Anästhesie allein hat er sich den Dank der Nachwelt gesichert. Sein Weltruhm war aber auch so verbreitet, dass er fast stets Patientinnen aus Indien, Amerika, Australien zu behandeln hatte. Als Lehrer fesselte er seine Zuhörer durch den Zauber seines Vortrages, die Fülle seines Wissens, dessen Einzelheiten, bei seinem staunenswerten Gedächtnis, er stets bei der Hand hatte, und die vielfach an den vorliegenden Gegenstand geknüpften geistreichen Bemerkungen. Geradezu überraschend aber war die Gewalt, die er über seine Patienten hatte; es war dies zweifellos seinem auf den ersten Blick gewinnenden Wesen, das einen jeden hinreissen musste, zu danken. Aber auch die Vielseitigkeit seines Wissens, seine merkwürdige Kombinationsgabe, die Unerschöpflichkeit immer neuer Heilverfahren und Heilmittel bei ihm mussten das Staunen von Ärzten und Laien erregen. Fast unbegreiflich ist es, wie er es möglich machte, die Anforderungen einer in[1601] das Unglaubliche gewachsenen Praxis mit seinen Pflichten als Lehrer, seinen wiss. Arbeiten, seinen antiquar. und litterar. Studien, seinen religiösen und philanthrop. Bestrebungen zu vereinigen. Dabei war sein Haus der Mittelpunkt einer Personen aus allen Weltteilen vereinigenden edlen Gastfreiheit. Es sei hier nur angedeutet, dass er eine von religiöser Schwärmerei nicht freie, ausgesprochene Religiosität besass und dass er sich in hohem Grade für antiquarische Forschungen, namentlich in seinem Heimatlande, wie dies schon aus einigen Andeutungen im Obigen hervorgeht, interessierte. Von seinen Verdiensten um die Chirurgie wollen wir nur seine durch Experimente erprobte Anwendung von Drahtnähten, die Erfindung der Acupressur und vor allem seine statistischen Untersuchungen über die Resultate grosser Operationen (Amputationen) in grossen städtischen und kleinen ländlichen Hospitälern und die daraus sich ergebende Empfehlung der letzteren anführen, wodurch er nicht wenig zur Lösung der brennenden Hospitalfrage beigetragen hat. In der Geburtshilfe hat er sich namentlich um die Einführung einer langen Zange, die Lehre von der Kephalotripsie und vom Kaiserschnitt verdient gemacht. Bedeutender aber sind seine Leistungen auf dem Gebiete der Gynäkologie, in welche er neue Untersuchungsmethoden mittels der Uterus-Sonde, der Dilatation des Muttermundes zu diagnost. Zwecken und zahlreiche rationelle, besonders operative und mechanische Behandlungsweisen eingeführt hat.

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1599-1602.
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