Ehrlich, Paul

[1946] Ehrlich, Paul, (p. 446) studierte in Breslau, Freiburg i. Br., Strassburg und Leipzig, ging 1890 als Mitarbeiter an das eben begründete Institut für Infektionskrankheiten in Berlin über, habilitierte sich 1887 für innere Med., wurde 1890 Prof. e. o. an der Univ. Berlin und weiterhin mit einem Lehrauftrag für spez. Pathol. und Ther. betraut. 1896 wurde ihm die Direktion des neu errichteten kgl. preussischen Instituts für Serumforschung und Serumprüfung in Steglitz übertragen, welches unter Erweiterung seiner Aufgaben 1899 als Institut für experim. Ther. nach Frankfurt a. M. verlegt wurde. 1897 wurde ihm der Titel eines Geh.[1946] Med.-Rates verliehen. E.'s erste Arbeiten erstrecken sich vornehmlich auf das Gebiet der klin. Histologie. Sie sind charakterisiert durch das Bestreben, eine rationelle mikrochem. Farbenanalyse mit Hilfe der systematischen Anwendung von Anilinfarben zu erzielen. 1877 fand E. durch entsprechende Benutzung basischer Anilinfarbstoffe die Granulationen der »Mastzellen«. Dann bearbeitete er, zum Teil gemeinsam mit Schülern, die normale und pathol. Histologie des Blutes in einer Reihe von Arbeiten, die 1891 gesammelt als »Farbenanalytische Untersuchungen zur Histologie und Klinik des Blutes« (Berlin) erschienen. Die Auffindung der spezifischen Granulationen der Leukocyten (neutrophile, eosinophile Zellen) bildete die Grundlage einer Systematik der weissen Blutkörperchen. Die erste Einführung einer geeigneten Technik (Trockenpräparat) ermöglichte die leichte Anwendung der Färbemethoden in der Klinik und die Ausgestaltung der histologischen Diagnostik der Blutkrankheiten. Die bisherigen Resultate der Forschung auf diesem Gebiet stellte E. gemeinsam mit Lazarus in einem grösseren Werk »Die Anaemie« (Wien 1898) dar. In Zusammenhang mit E.'s Blutstudien stehen zahlreiche klinische und klin.-experim. Untersuchungen, z.B. über die paroxysmale Haemoglobinurie (1881). Auf verwandtem Gebiet liegt die Auffindung der Diazoreaktion des Harns (1883), die von Bedeut. wurde für die Diag. des Typhus abdominalis und die Prognose der Tuberkulose. Die Auffindung der Säurefestigkeit des Tuberkelbazillus führte zu einer allgemein benutzten differentiellen Färbung desselben (1882). Auf klinischem Gebiet liegt ferner der Nachweis der Glykogenentartung der Nierenepithelien und der Herabsetzung des Glykogengehaltes der Leber beim Diabetes durch ein neues Verfahren des Glykogennachweises (1883). Die Einführung des Methylenblaus in die Therapie (1891 mit P. Guttmann) diente besonders der Bekämpfung der Malaria. Zur Erkenntnis des feineren Baues des Nervensystems der höheren und besonders auch der niederen Tiere trug die Entdeckung der Methylenblaureaktion der lebenden Nervensubstanz bei (1886). Aufschlüsse über die Topik der Oxydations- und[1947] Reduktionsprozesse im Organismus gab. E.'s Arbeit »Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus« (Berlin 1885). Der Aufklärung über die Vorgänge des Flüssigkeitswechsels im Auge diente die Arbeit »Über provocierte Fluorescenzerscheinungen am Auge« (1882). Zur Kenntnis des Faserverlaufs im Rückenmark trug die mit Brieger verf. Arbeit über »Die Ausschaltung des Lendenmarkgraus« (1884) bei. Zahlreiche neuere Arbeiten E.'s betreffen die Immunitätslehre. Es sind zu nennen Untersuchungen über die Immunisierung gegen die pflanzlichen Toxalbumine Ricin und Abrin (1891) und Studien über die Vererbung der Immunität. E. führte das Prinzip der quantitativen Behandlung der Immunität und die systematische Immunitätssteigerung ein, die sich bei der Übertragung der Serumtherapie in die Praxis bewährten. Das von E. begründete, fast allgemein acceptierte Verfahren der Wertbestimmung des Diphtherieheilserums bildete die Grundlage der zuerst in Deutschland eingeführten staatlichen Serumkontrolle. Seine theoretischen Anschauungen über die Wirkungsweise der Toxine und die Entstehung der Immunität (»Seitenkettentheorie«) legte E. in der Schrift: »Die Werthbestimmung des Diphtherieheilserums und ihre theoretischen Grundlagen« (Jena 1897) nieder. Die in derselben Schrift begründete Lehre von den Modifikationen der Toxine (Toxoide) baute E. in einer weiteren Arbeit: »Die Constitution des Diphtheriegiftes« (1898) im einzelnen aus. In letzter Zeit beschäftigten ihn gemeinschaftlich mit Morgenroth Studien über die durch Immunisierung erzeugten und die normal vorkommenden Haemolysine des Blutserums (1899).

Quelle:
Pagel: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin, Wien 1901, Sp. 1946-1948.
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