Achsbrüche

[83] Achsbrüche (breaking of axle-trees; ruptures des essieux; rotture delle sale) an im Betrieb befindlichen Eisenbahnfahrzeugen können die schwersten Unfälle verursachen. In der Statistik des VDEV. wird eine vollständige Materialtrennung als Achsbruch, eine unvollständige Trennung als Achsanbruch bezeichnet.

A. sind meist die Folge längere Zeit bestehender vorgeschrittener Anbrüche, die unter der Einwirkung ungünstiger Umstände zum vollständigen Bruch führen. – Ohne vorherige Anbrüche kommen A. bei schlechtem Oberbau, schlechter Kurvenleitung, namentlich bei sehr hartem, bei phosphorreichem, überhitztem oder verbranntem Material vor.

Stummelbrüche auch infolge von Heißlaufen.

(Für Achsen soll ein Material mit einem Phosphorgehalt von über 0∙04% nicht verwendet werden.) Zu große Belastungen oder zu geringe Abmessungen sind selten unmittelbare Veranlassung zu A.

Die Bahnverwaltungen sind daher bemüht, durch besonders gutes, widerstandsfähiges und fehlerfreies Material der Achsen, hinreichende Stärke, richtig gewählte Formen möglichst glatte Laufflächen der Achsstummel, sorgfältige und häufige Untersuchungen der Achsen sowie durch Beachtung von allem, was zur Verhütung oder Auffindung von Achsanbrüchen (s.d.) führt, A. zu verhindern.

Es zeigt sich in den letzten Jahren eine stete Abnahme der Brüche im Vergleich zu der im Betrieb vorhandenen Anzahl Achsen.

Immerhin sind die meisten Brüche noch bei Lokomotiv- und Tenderachsen zu verzeichnen.

Nach den Angaben der vom deutschen Reichs-Eisenbahnamt veröffentlichten »Statistik der im Betrieb befindlichen Eisenbahnen Deutschlands« kamen im Rechnungsjahre 1909 bei Lokomotiven und Tendern 71 A. (d. s. 0∙10 auf je 1 Million Nutzkilometer) und bei Wagen aller Art 34 A. (d. s. 0∙01 auf je 10 Millionen Achskilometer) vor.

Bezüglich der Bruchstellen ist zu bemerken, daß diese in dem Achsschenkel, in der Nabe[83] selbst und dicht an der Nabe auftreten; die A. im Schaft sind seltener. Die Gründe hierfür sind die gleichen, die für Achsanbrüche geltend gemacht wurden.

A. treten zumeist während der Fahrt auf.

Rücksichtlich des Materiales ergeben sich bei Achsen aus Schweißeisen mehr A. als bei solchen aus Flußstahl. Schweißeisenachsen sind auf mitteleuropäischen Bahnen schon seit Jahren nur mehr in geringer Anzahl vorhanden.

Der Einfluß der Jahreszeit auf das Vorkommen von A. ist nicht zu verkennen, indem während der kalten Monate (Oktober bis März) mehr A. vorkommen, als in den warmen Monaten (April bis September).

Am gefährlichsten ist das wechselnde Auftreten von Tauwetter und Frost, da hierdurch Unregelmäßigkeiten in der Bettung und demnach im Oberbau eintreten, wodurch Stöße auf die Räder und durch diese auf die Achsen übertragen werden, die insbesondere härteres Material und angebrochene Achsen ungünstig beeinflussen.

Die mittlere Benützungsdauer der gebrochenen Achsen beträgt bei Lokomotivachsen etwa 15 Jahre, bei Tendern und Wagenachsen etwa 20 Jahre. Das Alter der Achsen hat im allgemeinen keinen merklichen Einfluß, es haben Proben von 35 Jahre im Betrieb gestandenen Achsen sehr gute Ergebnisse geliefert. Bahnverwaltungen der älteren Periode haben vielfach Achsen über 45 Jahre in Verwendung. Es beträgt die mittlere Verwendungsdauer für Lokomotiv- und Tenderachsen etwa 27 Jahre, für Wagenachsen etwa 30 Jahre.

Treten A. an Achsen gleicher Herkunft in kurzer Aufeinanderfolge ein, so sind die Verwaltungen bemüht, mindestens die Achsen gleicher Schmelzung ehestens aus dem Betrieb zu ziehen, zu welchem Ende entsprechende Vormerke über das Einbinden der Achsen geführt werden.

Was die Folgen der A. anbelangt, so kommen größere Unglücksfälle infolge von A. nur ganz vereinzelt vor (s. über eine furchtbare, in England am 24. Dezember 1874 infolge eines A. entstandene Katastrophe. Org. 1875, S. 276).

Etwa 50% der A. bleiben ohne Folgen, die restlichen A. hatten meist Beschädigungen der Bahn und Fahrzeuge sowie Entgleisungen zur Folge.

Schützenhofer sen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 1. Berlin, Wien 1912, S. 83-84.
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