Baupolizei

[21] Baupolizei, der Inbegriff der Befugnisse der öffentlichen Gewalt, die sieh auf die Einschränkung der Baufreiheit bezieht.

Die Rechtsgrundsätze der B. sind nur zum kleinen Teil in allgemeinen Reichs- und Landesgesetzen enthalten; mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Befugnisse in Stadt und Land geschieht die Regelung der B. vielmehr meist durch Landes- oder Ortspolizeiverordnungen. Diese treffen Anordnungen zur Verhütung von Unglücksfällen, von Feuersgefahr, zur Sicherung des Verkehrs, zum Schutze der Gesundheit der Bewohner und in neuerer Zeit zuweilen auch zur Wahrung eines gefälligen Aussehens der Bauten.

Im einzelnen enthalten sie Vorschriften über die Schutzmaßregeln bei Bauausführungen, über Baugerüste, Bauzäune, Sicherung von Bauarbeiten, zulässige Bebauung der Grundstücke nach Maßgabe des genehmigten Bebauungsplans unter Innehaltung der Baufluchtlinie, über Baudichtigkeit, Höhe der Gebäude und Größe der Höfe, über die Bebauungsart (geschlossene oder offene Bauweise) nach welcher Bauklasse gebaut werden darf, über die Einfriedigung der Grundstücke, über Vorgärten, Abstand der Baulichkeiten von Nachbargrenzen, Bauausführung, Konstruktion und Baustoffe, über Mauerstärken, Holzfachwerkbau, Holzbau, Decken, Dachdeckung, Treppen, Feuerstätten, Rauchrohre, Schornsteine, Entwässerung, Wasserversorgung, Gasleitungen u. dgl.

Die Innehaltung der baupolizeilichen Bestimmungen wird durch das Erfordernis der Bauerlaubnis (Baukonsens) vor der Ausführung des Baues und der Bauabnahme nach seiner Vollendung gesichert.

In Preußen reicht für Eisenbahnen die Befugnis der Ortspolizeibehörde zur Prüfung und Genehmigung baulicher Anlagen nur so weit, als nicht die Zuständigkeit des § 4 des Gesetzes über Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 gegeben ist. Sofern bauliche Anlagen durch den Eisenbahnbetrieb bedingt werden, was z.B. bei allen Gleisanlagen, Futtermauern, Einfriedigungen, Schneezäunen, Durchlässen, Brücken, Straßenüber- und- unterführungen der Fall ist, kann ein Ortspolizeigenehmigungsrecht nicht in Frage kommen. Hier entscheidet vielmehr die Landespolizeibehörde auf Grund einer landespolizeilichen Prüfung.

Unbeschadet der für eine Bahnanlage auf Grund der landespolizeilichen Prüfung allgemein erteilten Bauerlaubnis wird jedoch die ortspolizeiliche Bauerlaubnis im allgemeinen außerdem erforderlich

a) bei allen einzelnen neuen baulichen Anlagen (einschließlich Einfriedigungen), also besonders bei sämtlichen Hochbauten;

b) bei bestehenden baulichen Anlagen für die Herstellung und Veränderung von massiven oder Fachwerkwänden, Decken, Eisenkonstruktionen, Treppen, Feuerstätten und ähnliches.

Mit dem Antrage auf Erteilung der ortspolizeilichen Bauerlaubnis sind ein Lageplan und alle zur Erläuterung des Gebäudes erforderlichen Grundrisse, Schnitte und Ansichten vorzulegen. Über die Bauerlaubnis wird ein Bauschein erteilt. Der Ausstellung dieses geht eine Prüfung des Entwurfs seitens der Ortspolizeibehörde voran, bei der der Bauentwurf in bautechnischer und baupolizeilicher Hinsicht geprüft wird. Nach Fertigstellung des Rohbaues bedürfen alle Gebäude und selbständigen Schornsteinanlagen der Rohbauabnahme, die bei der Polizeibehörde schriftlich zu beantragen ist, sobald der Bau in seinen Mauern, Balkenlagen, Treppen und der Dacheindeckung vollendet ist. Über die Rohbauabnahme wird ein Rohbauabnahmeschein ausgestellt, in dem bestimmt wird, wann mit den inneren und äußeren Putzarbeiten begonnen werden darf. Dies ist in der Regel nicht früher als sechs Wochen vor der Vollendung des Rohbaues zulässig. Gebäude, die zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmte Räume enthalten, unterliegen ferner der Gebrauchsabnahme. Nach vorschriftsmäßigem Befunde wird über die Gebrauchsabnahme dem Bauherrn eine Bescheinigung – Gebrauchsabnahmeschein – behändigt. Vorher hat sich die Polizeibehörde durch Einfordern einer Bescheinigung des Bezirksschornsteinfegermeisters die Überzeugung von der Nutzbarkeit der Schornstein- und Feuerungsanlagen zu verschaffen. Vor Behändigung des Gebrauchabnahmescheins darf ein Gebäude nicht in Benutzung genommen werden.

Die Ortspolizeibehörde ist im allgemeinen nicht zuständig für die Erteilung der Bauerlaubnis zur Errichtung von Anlagen, die durch die örtliche Lage und Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können; das gilt für Fabrikanlagen, Brennereien, Glashütten, Kalk- und Ziegelöfen, Eisenwerke, Schlächtereien, Anlegung von Dampfkesseln und ähnliches. Bei diesen ist die Genehmigung der nach den Gesetzen zuständigen Behörde erforderlich;[21] u. zw. ist hierfür in Preußen in erster Instanz der Kreisausschuß (Stadtausschuß), in den einem Landkreis angehörigen Städten mit mehr als 10.000 Einwohnern der Magistrat, im übrigen der Bezirksausschuß zuständig; gegen deren Entscheidung ist binnen 14 Tagen Beschwerde an den Handelsminister zulässig (vgl. § 16 und 24 der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich und die Vorschriften zur Anlegung von Dampfkesseln im Reichsgesetzblatt 1890, S. 163 u. ff.).

Bei Gründung neuer Ansiedlungen darf die Bauerlaubnis zur Errichtung eines Wohnhauses nicht vor Erteilung der Ansiedlungsgenehmigung gegeben werden, für die besondere Vorschriften gelten (für Preußen vgl. § 13 bis 20 des Gesetzes vom 10. August 1904, Gesetzsammlung S. 227.

In Österreich bestehen keine allgemeinen Rechtssätze über B. Zur Erlassung von Baupolizeivorschriften (Bauordnungen) ist die Gesetzgebung der einzelnen Kronländer zuständig. In den letzten Jahrzehnten wurden fast überall neue Bauordnungen erlassen, die teils für das ganze Kronland, teils nur für einzelne größere Städte gelten (vgl. Bauordnung für Niederösterreich, Bauordnung für die Stadt Wien).

Nach dem Gemeindegesetz vom 5. März 1862, Art. 5, gehören die Bau-, Gesundheits- und Feuerpolizei sowie die Handhabung der Bauordnungen und die Erteilung der polizeilichen Baugenehmigung zu dem selbständigen Wirkungskreise der Gemeinden. Für die Ausführungen von Bauten auf Bahngelände sind jedoch die Gemeinden nicht zuständig. Für solche Bauten steht die Erteilung der Bau- und Benutzungskonsense ausschließlich dem Eisenbahnministerium zu (s. Baurecht).

Literatur: Baltz, Preußisches Baupolizeirecht. 3. Aufl. Berlin 1905. – Bockmann, Die Baupolizei im Gebiete des allgemeinen Landrechts. Berlin 1887. – v. Stengel, Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrchtes. 2. Aufl. Tübingen 1911 (Bauwesen). Bd. 1. – Rau, Die Baupolizei. 2. Aufl. Karlsruhe 1894. – Neue Baupolizei-Verordnung für die Vororte von Berlin vom 28. Mai 1907. Berlin 1907. – Baupolizeiordnung für den Stadtkreis Berlin vom 15. Aug. 1897. Berlin 1908.

Giese.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 2. Berlin, Wien 1912, S. 21-22.
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