Liebmann, Otto

[617] Liebmann, O. Otto Liebmann hat, wie er oft selbst zu sagen pflegt, aus Lust und Liebe zum Verlags- und Redaktionswesen seinen Beruf ergriffen. In Frankfurt a. M. geboren, war er, stetig das Ziel einer möglichst baldigen Selbständigkeit vor Augen, bemüht, in einer Reihe bedeutender Firmen sich die nötige Erfahrung zu diesem Zwecke zu erwerben. Aus gleichem Grunde erlernte er auch die Technik des Druckereiwesens bei H. S. Hermann-Berlin. Nachdem er auch durch seine Tätigkeit als leitender Sortimenter bei Alfred Lorentz in Leipzig die Bedürfnisse des Publikums kennen gelernt hatte und auf einer Reise in den Vereinigten Staaten von Nordamerika für seine spätere Selbständigkeit Erfahrungen sammelte, gründete er im Alter von 24 Jahren am 1. Januar 1890 die Verlagsbuchhandlung gleichen Namens für Rechts- und Staatswissenschaften, neben welchen er aus persönlichem Interesse eine Reihe politischer Schriften und solche über die Frauenfrage veröffentlichte.

Viele Veröffentlichungen entstanden auf Anregung und Initiative Liebmanns, so die »Kommentare der strafrechtlichen Nebengesetze« (3 Bände), das 3bändige Werk: »Vergleichende Darstellung des Bürgerlichen Gesetzbuches mit den Landesrechten,« eine Sammlung, die zu den verbreitetsten Werken des Bürgerlichen Gesetzbuches gehört. Ein weiteres auf Anregung Liebmanns entstandenes Werk ist das umfassend angelegte Lexikon des deutschen Strafrechts von RGR. Dr. Stenglein. Neben einer größeren Zahl praktischer Hand- und Lehrbücher pflegt der Verlag vorwiegend die Veröffentlichung von tüchtigen juristischen Erstlingswerken, die unter der Flagge des Liebmannschen Verlages zum Teil als glänzende Bereicherungen der Literatur bezeichnet worden sind.[617]

Das Schwergewicht des Verlages liegt auf der gleichfalls auf Anregung Liebmanns 1896 entstandenen Deutschen Juristen-Zeitung. Das Blatt war das erste und längere Zeit das einzige, das als Centralorgan des gesamten deutschen Juristenstandes die gesamte Rechtswissenschaft, das Verwaltungsrecht und die angrenzenden Disziplinen in den Bereich seiner Erörterungen zog. Es ist im Vergleich zu den Tageszeitungen eine Fachzeitschrift, im Vergleich zu den Fachzeitschriften eine Tageszeitung. Unter Herausgabe des glänzenden juristischen Dreigestirns von Prof. Laband, RGR. Dr. Stenglein und JR. Staub ist die Deutsche Juristen-Zeitung bald zu dem führenden Organe der Rechtswissenschaft geworden und hat binnen kurzem nicht nur die größte Auflage aller juristischen Fachorgane überhaupt erreicht, sondern darf auch hinsichtlich der Verbreitung und des Ansehens als eine der ersten, in großem Maßstabe geleiteten Zeitschriften einer Fachwissenschaft bezeichnet werden. Die bedeutendsten Juristen der Gegenwart gehören zu den Mitarbeitern des Blattes, das bald zum Vorbild anderer Zeitschriften gedient hat.

Als ein monumentales Werk der Strafrechtswissenschaft darf die »Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechtsvergleichender Darstellung« bezeichnet werden. Von dem im Auftrage der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung von Professor Dr. von Liszt herausgegebenen Werke sind bisher in deutscher Sprache zwei Bände, in französischer und spanischer Sprache der erste Band erschienen. Dieses Werk bildet gewissermaßen einen Vorläufer des auf Anregung des Reichsjustizamtes erscheinenden, auf 16 Bände berechneten großen Unternehmens: »Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts.« Dieses, dem Liebmannschen Verlage übertragene Werk, an dem nahezu 50 deutsche Professoren des Strafrechts mitarbeiten, bildet den ersten Schritt zur Reform des Reichsstrafgesetzbuches; es darf wohl als das bedeutendste strafrechtliche wie überhaupt juristische Werk der letzten Jahrzehnte bezeichnet werden, da in ihm das Strafrecht aller Kulturvölker vergleichend gegenüber gestellt wird. Bis zum Sommer 1907 waren 9 Bände erschienen.

Endlich darf als eine wohl jedem Buchhändler bekannte Veröffentlichung die Liebmannsche Liliputausgabe genannt werden, deren erster Band, das Bürgerliche Gesetzbuch, in 56000, deren zweiter Band in 20000 Exemplaren aufgelegt wurde.

Liebmann hat seinen Werken sowohl hinsichtlich der Korrektheit des Druckes, wie bezüglich der typographischen Einrichtung der Werke stets besondere Sorgfalt gewidmet.

Zu dem Liebmannschen Verlage zählen trotz der verhältnismäßig kurzen Zeit des Bestehens der Firma die ersten Autoren aus den Gebieten der Rechtswissenschaft und des Verwaltungsrechts.

Quellen: Mitteilung von P. Ebel-Berlin.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 617-618.
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