Liesching, Familie

[619] Liesching. Samuel Gottlieb Liesching begründete im Jahre 1835 eine Verlagsbuchhandlung in Stuttgart. Sein zur Ostermesse 1836 erschienenes erstes Verlagsverzeichnis enthält bereits das »Buch der schönsten Geschichten und Sagen« von Gustav Schwab, außerdem einige Werke von Paul Pfizer und August Lewald, sowie Wolfgang Menzels »Geist der Geschichte«. An dem von August Lewald herausgegebenen und bis 1837 erschienenen Bad-Almanach sehen wir fast alle damaligen literarischen Größen mitarbeiten, neben Pfizer und Menzel auch Friedrich Rückert, Karl Gutzkow und Willibald Alexis. 1836 erschien erstmals Fr. Gülls »Kinderheimat in Bildern und Liedern«, 1837 Friedrich Rückerts »7 Bücher morgenländischer Sagen und Geschichten«, bald danach in demselben Jahre Schwabs »schönste Sagen des klassischen Altertums«. Auch mit Uebersetzungen fremder Literatur beginnt Liesching seinen Verlag auszubauen. Pfizer übersetzte Byron, eine Reihe von Mitarbeitern brachte die 26bändige Ausgabe von Coopers amerikanischen Romanen sowie Sam. Warrens Werke auf den Markt.

1841 nahm Liesching seinen Sohn Jakob Friedrich Liesching auf, der aber bereits vier Jahre später durch Tod aus der Firma ausschied. In der Ostermeßversammlung des Börsenvereins der deutschen Buchhändler 1846 widmete H. Erhard dem Verstorbenen einen ungemein warmen Nachruf, der seine Bedeutung kennzeichnet. »Die reichen Kenntnisse unseres jungen Freundes, heißt es darin, sein scharfer Verstand, die Besonnenheit seines Urteils, die Gründlichkeit, womit er die Aufgaben, die er behandeln wollte, zu lösen, die Klarheit, mit der er die Ergebnisse darzustellen wußte, die Ehrenhaftigkeit seiner Gesinnungen, seine milden, versöhnenden Formen, nicht etwa das künstliche Produkt egoistischer Berechnung, sondern das natürliche Erzeugnis inneren Wohlwollens – diese seltene Vereinigung trefflicher Eigenschaften gewannen ihm, wie im engern Kreise seiner heimischen Kollegen, so auch in diesem größeren Vereine die allgemeinste Achtung und Liebe, die ungeteilteste Anerkennung.«

1845 war der zweite Sohn des Begründers, Hermann Theodor Liesching, geboren am 23. 4. 1821, in das Geschäft eingetreten; er übernahm dasselbe einige Zeit vor dem Ableben seines Vaters und baute insbesondere den theologischen Verlag aus. Bei Erwähnung der Autoren des Verlages muß auch noch Karl von Raumer und Philipp Wackernagel genannt werden. Ende der 60er Jahre gliederte Liesching seinem Geschäfte ein Theologisches Antiquarium an. Im Jahre 1869 jedoch verkaufte er den größten Teil seines Verlagsgeschäftes an C. Bertelsmann in Gütersloh; über 40 Verlagsartikel übernahm Gustav Schloeßmann in Gotha, einiges kauften endlich[619] die Firmen A. Liesching & Co. in Stuttgart, G. Schlawitz in Berlin und die J. C. Hinrichssche Buchhandlung in Leipzig.

Theodor Liesching starb am 1. 10. 1871. Sein edler und hoher Geist – so führt ein Nachruf im Börsenblatt aus – stets den großen Gesamtinteressen des deutschen Buchhandels selbstlos sich hingebend, verbunden mit einem scharfen freien Ueberblick und ungewöhnlicher Beredtsamkeit, getragen von rastloser Energie, berief ihn von Anbeginn zur Mitarbeit an den legislatorischen Bestrebungen des deutschen Buchhändler-Börsenvereins, zu den Beratungen und umfassenden Ausarbeitungen, aus welchen nach mehr als 15jährigem Ringen unsere neueste deutsche Nachdrucks-Gesetzgebung hervorgegangen ist. Lieschings Name bleibt mit diesen Kämpfen und Ergebnissen ehrenvoll verbunden. Wiederholt wurde Theodor Liesching in den Vorstand des deutschen Börsenvereins und ebenso des Süddeutschen Buchhändlervereins gewählt. Daneben redigierte er von 1854 bis 1869 die Süddeutsche Buchhändler-Zeitung mit anerkannter Gewandheit und Sachkunde.

Die Firma A. Liesching & Co. in Stuttgart war hervorgegangen aus der Firma Imle & Liesching, vorher, seit 1834, Imle & Krauß in Ludwigsburg. Als Adolph Liesching 1840 Alleinbesitzer wurde, änderte dieser den Firmentitel so um, wie er noch heute besteht. Gegenwärtig ist eine Tochter Lieschings, Frau Marie Bach, Besitzerin der mit einem Antiquariat verbundenen Sortimentsbuchhandlung.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1871; Frommann, Geschichte des Börsenvereins, Leipzig 1875; Verlagskataloge von 1836, 1838, 1841, 1847, 1850, 1860, 1866, 1869.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 619-620.
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