Fresko

[402] Fresko. (Mahlerey)

So nennt man die besondere Art zu mahlen, welche auf einer frisch mit Mörtel überworfenen Mauer geschieht. Diese Art zu mahlen ist der, da man auf die schon alte und trokene Mauer mit Wasserfarben oder mit Oelfarben mahlt, weit vorzuziehen, weil sie viel dauerhafter ist, indem sich die Farben in den noch naßen Mörtel hineinziehen. Man nihmt Farben dazu, welche die Schärfe des Kalks nicht ändert, und die man mit Kalkwasser anreiben kann; Kalk selbst, fein geriebenen weißen und schwarzen Marmor, die verschiedenen Ochererden, das neapolische Gelbe, fast alle Arten der gefärbten Erden, und selbst den Cinober, wie auch Ultramarin und Lazur. Man muß aber bey diesen Farben wol bedenken, daß sie alle viel heller werden, wenn einmal die bemahlte Mauer troken geworden, so daß man alles, so viel möglich, stark und dunkel in Farben halten muß. Die Farben, die sich durch das Troknen am wenigsten ändern, das englische Roth, die Ochererde und das Schwarze, das durchs Feuer gemacht worden, sind hiezu die besten.

Da auch die Farben in Töpfen gemischt werden, und es weit schweerer, als auf der Palette ist, wenn eine Farbe ausgegangen, vollkommen dieselbe Mischung zu bekommen, so thut man wol, daß man auf einmal so viel Farben anmache, als zu einem ganzen Stück erfodert werden.

Wenn die Farben zugerichtet worden, so verfährt man mit dieser Mahlerey folgender Maaßen. Man läßt einmal ein so großes Stük der Mauer bewerfen, als in einem Tage kann gemahlt werden; denn wenn der Mörtel zu troken ist, so gelingt sie nicht so gut. Und weil sich die Pinselstriche, die man einmal auf der Mauer gemacht, weder auslöschen, noch verbessern lassen, so muß der Mahler, so wol in den zur Zeichnung, als zur Färbung gehörigen Strichen eine große Gewißheit und Sicherheit haben. Man pflegt deswegen zu wichtigen Stüken erst Cartone zu machen, die man an die Mauer hält, um die Zeichnung darnach auf der Mauer anzuzeigen, damit die Hand desto gewißer gehe. Alle Striche müssen mit Freyheit und Geschwindigkeit gezogen werden, weil das, was einmal zaghaft ist, schweerlich kann verbessert werden; denn die Farbe zieht sich so gleich in die Mauer ein. Die verschiedenen Tinten darf man nur neben einander fetzen, ohne [402] etwas zu vertreiben. Hat man ja nöthig, einige Stellen noch einmal zu berühren, um einige dunkle Stellen zu verstärken, so muß man so lange warten, bis die erste Farbe etwas troken geworden. Am besten werden die Schatten und die dunklen Farben, durch Schraffirung mit dem Pinsel verstärkt.

Diese Art zu mahlen ist ehedem, ehe man die Oelfarben ausgedacht hat, zur Verzierung der Wände, so wol in den Zimmern, Dekken und Gewölben, als auf den Aussenseiten mehr im Gebrauch gewesen, als heut zu Tage, wiewol sie noch itzo in großen Gebäuden, zu ganz großen Stüken viel gebraucht wird. Die Alten scheinen die Farbenmischung dazu vollkommen verstanden zu haben; denn man trift bisweilen noch Stüke an, die seit vielen Jahrhunderten die frischeste Farbe behalten haben. Die herrlichsten Werke des Raphaels im Vatican sind in dieser Art gemahlt, wiewol sie itzo in Absicht auf die Färbung sehr viel verlohren haben; denn zu Raphaels Zeiten verstuhnd man die Ausübung dieser Art zu mahlen noch nicht so gut, als hernach zu der Canacci Zeiten. Hanibals Gemählde in der Gallerie des farnesischen Pallastes, sind in Ansehung der Ausführung weit schöner, als alles, was vor ihm in dieser Art gemacht worden.

Eine ausführliche Beschreibung dieser Mahlerey giebt Dom Pernetti in der Vorrede zu seinem Diction. portatif de peinture.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 402-403.
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