Geltung

[447] Geltung. (Musik)

Ist in der Musik die verhältnismäßige Dauer einer Note, oder vielmehr des Tones, den sie bezeichnet. Schon in der Rede beruhet der Wolklang größtentheils auf der verhältnismäßigen Länge und Kürze der Sylben; aber in der Musik, wo der Gang auf das genaueste muß abgemessen seyn, kömmt die Richtigkeit der Bewegung und des Takts fast lediglich auf die genaueste Abmessung der Dauer eines jeden Tones an. Daher müssen die Noten jede Abmessung der Zeit genau ausdrüken.

In den alten Zeiten wurden die Töne blos durch Punkten, oder andre Zeichen (Noten) angedeutet, aus denen man die Höhe der Töne erkennen konnte; die Dauer derselben wurde durch die prosodische Länge der Sylben bestimmt. Damals hatte die Musik weder Takt noch Bewegung, und der Gesang glich einem langsam fortfließenden Strohm, in dessen Lauf man weder Schritte noch Abschnitte wahrnihmt. So bald man aber Takt und Rhythmus in den Gesang einführte, mußten die Noten auch von verschiedener Geltung seyn. Man weiß nicht recht, zu welcher Zeit diese, an Geltung verschiedene, Noten erfunden und eingeführt worden sind. Insgemein schreibet man diese Erfindung dem Johann von Muris zu, und setzet sie um das Jahr 1330. Roußeau hält sie, und wie es scheinet aus guten Gründen, für viel älter1.

Anfänglich, als man, wie es scheinet, nur noch die Choralgesänge in Noten setzte, waren diese von fünferley Geltung; ihre Figuren wie sie gegenwärtig[447] geschrieben werden, ihre Namen und Geltung sind, wie hier zu sehen ist.

Geltung

Ehemal aber hatte dieselbe Note nicht allemal dieselbe Geltung; denn die Maxima galt bisweilen zwey, bisweilen drey Longas, nach Beschaffenheit des Modi2.

Man hat sich lange mit diesen fünf Noten beholfen, die auch noch ietzt zum gemeinen Choralgesang hinlänglich sind. Aber nachdem die figurirte Musik aufgekommen, brauchte man auch noch mehrere Zeichen der Gattung. Die Noten und ihre Geltung, wie sie gegenwärtig in der figurirten Musik gebraucht werden, sind in dieser Vorstellung zu sehen.

Geltung

Die Achtelnoten werden auch einmal geschwänzt, die Sechszehntel zweymal geschwänzt u. s. f. genennt.

Ordentlicher Weise gehen zwey Achtel auf ein Viertel; man nihmt aber auch bisweilen drey Achtel auf ein Viertel, alsdenn werden sie Triolen genennt3.

Diese Geltungen bestimmen aber nicht die absolute Dauer, sondern nur die Verhältnisse derselben. Denn der ganze Takt dauert, nach Beschaffenheit der Bewegung, länger oder kürzer; also ist die absolute Dauer aus der Geltung der Bewegung zugleich zu bestimmen. So gilt die zweymal geschwänzte Note zwar immer 1/16 des Takts, aber dieser Sechszehntel ist sehr kurz im Allegro, und weit länger im Adagio.

Zur Geltung rechnet man auch den hinter der Note gesetzten Punkt, der denn anzeiget, daß die Note nicht nur ihre Zeit, sondern noch die Hälfte darüber daure. So gilt ein Viertel mit einem Punkt

Geltung

ein Viertel und noch ein Achtel, das ist 3/8 des ganzen Takts.

So wie die Noten ihre Geltung haben, so haben auch die Pausen die ihrige. Davon aber ist im Art. Pause gesprochen worden.

1Diction, de Mus. Art. Valeur.
2S. Rouileau Dict. Art. Mode am Ende.
3S. Triolen.
Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 447-448.
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